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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0272

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, Stirps regia' -
zu ,Thronkandidaturen' des frühen Mittelalters

Vor einigen Jahren habe ich versucht1, dem Begriff des .Gegenkönigtums' etwas von
dem Ruch zu nehmen, den ihm insbesondere das 19. Jahrhundert verschafft hatte. Ich
glaube, damals nachgewiesen zu haben, daß Herzog Arnulf von Bayern 919, nach dem
Tod König Konrads L, (zumindest) ebenso passiv legitimiert war, wie Herzog Heinrich
von Sachsen2. Schon 919 standen m. E. die Ansprüche zweier Prätendenten gegeneinan-
der, die - wie auch immer - karolingisches Blut in den Adern hatten3. Inzwischen dürfte
ja auch in der Forschung recht klar sein, wozu auch die Logik zwingt, daß auch Heinrich
von Sachsen karolingisches Blut in den Adern hatte4. Was 919/21 wohl den Ausschlag
gab, war das ,kunings naut' Konrads L, seine .Designation'5 per legatum und damit die ge-
were an der Herrschaft durch die Insignien und die Idoneität.

936, so sollte man meinen, ging die Herrschaft problemlos von Heinrich L auf seinen
ältesten Sohn Otto I. über. Aber lange Zeit verstellte sowohl das viel später erst bindende
Gesetz der Primogenitur als auch die ,Sage von der freien Wahl' die Sicht. Wir wissen heu-
te, daß 936, trotz der Regelung der Thronfolge durch Heinrich I. schon 929 und nochmals
936 zugunsten Ottos, Heinrich, der jüngere Bruder, als Königssohn (und nicht nur er
glaubte das !) bessere Rechte zu haben glaubte6, woraus eine lange Zeit heftiger Kämpfe
entstand. Es ließ sich auch nachweisen, daß die Vorstellung, daß der ,in aula regis' Gebo-
rene bessere Nachfolgerechte habe, sich schon in der Zeit Karls des Großen und seines
Bruders Karlmann (d. J.) um 768 auswirkte7.

Otto I. hat sich in den Jahren 936 bis 941 gegenüber dem jüngeren Bruder durchge-
setzt8. An dem Herrschaftsanspruch Ottos I. und seiner Nachkommen bestand da kein
Zweifel mehr. Aber eigentlich, oft erwähnt und m. E. bislang zu wenig ausgewertet, ent-
stand jener ,Anspruch' nicht erst 919 durch Heinrich L, sondern bereits 911 für Otto den
Erlauchten, seinen Vater. Denn Widukind von Corvey schreibt sicher nicht ohne Grund
(I, 16)': ,Regi autem Hluthowico (Ludwig das Kind) non eratfilius, omnisque populus
Francorum atque Saxonum quaerebat Oddoni diadema imponere regni ... Penes
Oddonem tarnen Semper et ubique fiebat Imperium.' Zwar wird dann, weil Otto
selbst nicht wollte, der Frankenherzog Konrad ,gewählt', aber (Ottonis) ,consultu'10 und
bei Otto blieb der Anspruch". Das heißt doch nichts anderes, als daß, schon 911, zwei
durch Geblüt passiv Berechtigte einander gegenüberstanden12, deren wohl näher Berech-
tigter, auf den zunächst der Blick fiel, dann die ,Wahl' des anderen ermöglichte. Daran
ist zweierlei allgemein wichtig:

1. Stirbt der König söhnelos, so gibt es meist zwei (oder mehr) durch Geblüt passiv
Berechtigte, aus deren Kreis heraus der .populus', d. h. die .maiores' oder .proceres'
den König kiesen13, wobei der Besitz der Insignia und die ,Weisung' (Designation)
des ,alten Königs' wichtige zusätzliche Momente sind.

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