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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0266

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tionale' König in Italien'6. Doch war er aller Wahrscheinlichkeit nach gar kein Italiener
oder Lombarde, sondern fränkischer Abstammung (wie so viele Herrscher in Italien seit
774!), vielleicht ,Anskarier', Nachfahre des 888 mit Wido (von Spoleto) aus Lothringen
nach Italien gezogenen Anskar L" Vater des Markgrafen Adalbert von Ivrea, des Ge-
mahls der Enkelin Kaiser Ludwigs des Frommen, Gisela und Großvater Berengars II.18,
der sich am 15. Dezember 951 in Pavia zum König krönen ließ19. Als Berengars II. Sohn
Konrad (Corrado, Cuno) 990 starb, wurde Arduin Markgraf der nordwestitalischen
Markgrafschaft Ivrea,20 die die Paßübergänge nach Burgund beherrschte.

Arduins20* genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt; es dürfte um 955 liegen21. Sein Va-
ter war ein gewisser comes Dado22. Arduins Mutter kennen wir nicht. Arduin war verhei-
ratet mit Berta,23 ,regina nostra dilecta coniunx nostrique regni consors™, von der wir aber auch
kaum etwas wissen. Das Paar hatte Söhne25, von denen allerdings nur Ardicin26 etwas her-
vortritt. Eine Verschwägerung Arduins mit dem Haus der Anskarier wird allgemein ange-
nommen27. Der Sohn Ardicin hatte eine Tochter Herzog Hugos von Tuscien zur Gemah-
lin.28 Erstmals erscheint Arduin deutlich zu Beginn des Jahres 997? Ende September/An-
fang Oktober 996, nachdem Kaiser Otto III. Italien kurz zuvor verlassen hatte30, befestigte
Crescentius wieder seine Stellung in Rom, bemächtigte sich der Stadt und verhinderte die
Rückkehr des Papstes Gregor V., der nach Spoleto flüchten mußte.30* Zweimalige Versuche
des Papstes, Rom zurückzugewinnen, scheiterten31. Die Aufstellung des ehemaligen Erzie-
hers Ottos III., Johannes Philagathos, Erzbischofs von Piacenza, zum Gegenpapst durch
Crescentius stand bevor32 und erfolgte zwischen dem 6. und 20. Februar 997 in Rom.33

Da erregt Markgraf Arduin von Ivrea am 13. Februar 997" in Vercelli Aufruhr gegen
Bischof Petrus, einem Anhänger der ottonischen Herrschaft - die Unruhen dauern meh-
rere Wochen. In ihrem Verlauf wird, am 17. Februar 997, Bischof Petrus von Anhängern
Arduins getötet.35 Arduin läßt es geschehen, daß des Bischofs Leichnam in der angezün-
deten Kirche mit verbrennt.36

Im Dezember 997 zieht Otto III. mit einem Heer nach Italien,37 feiert Weihnachten in
Pavia,38 zieht weiter über Cremona3' und Ravenna40 bis Rom/1 wo er weite Teile der Stadt
erobert42, den Gegenpapst Johannes Philagathos gefangen nimmt43, die Engelsburg seit
24. April 998 belagert44 und erobert und Crescentius am 28. April 998 hinrichten läßt.45
Danach ordnet der Kaiser die Verwaltung in und um Rom neu, auch mit Einsetzung von
Männern seines Vertrauens.46 Erst in Pavia, im September 99847, wendet sich Otto III. dem
Problem des italischen Nordwestens und Arduin zu. Auf der Paveser Synode, im Kloster
San Pietro in Ciel d'Oro, beraten auf Befehl des Kaisers die Großen des Reiches und an-
gesehene Juristen über die ,rechtlosen Zustände' im Nordwesten Italiens, besonders in
Ivrea. Als Ergebnis erging am 20. September 998 ein eigenes Gesetz,48 das .Capitulare Tici-
nense de praediis ecclesiarum neve per libellum" neve per emphyteusin™ alienandis', das den
Kirchen die Möglichkeit gab, ausgetanen Besitz nach dem Tod des Vertragspartners zu-
rückzufordern - alle gegenteiligen Rechtsgeschäfte51 und Vereinbarungen seien ,in irri-
tum deducenda'?2 An demselben Tag erging auch das Gesetz ,de servis in libertatem anhelan-
tibus'53 und das Gesetz ,de iuslitio"* - ersteres gegen die Landflucht der unfreien bäuerli-
chen Bevölkerung, letzteres gegen die bisherige Amtsführung der Richter. Von diesen
drei Gesetzen betrifft das .Capitulare Ticinense' unmittelbar den ,Fall Arduin', das .Capitu-
lare de iudicio' mittelbar: .Cottidie contra leges agitur, cottidie mali malum facere non verentur'
heißt es im Prooemium.55

Auch über das ,scelus' Arduins vom Februar 997 in Vercelli wurde unmittelbar ver-
handelt. Doch scheint die Entscheidung, zumal sowohl Arduin selbst wie auch dessen

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Sohn Ardicin56 nach der 1. Ladung abwesend waren, auf die zur Jahreswende einberufe-
nen Synode in Rom vertagt worden zu sein.57 Für die Zwischenzeit ist nichts über das
Verhalten Arduins und Ardicins bekannt.

Zur Jahreswende, d. h. wohl nach Weihnachten 998 und vor Ende Januar 999a, fand
dann die römische Synode statt5', auf der gegen Arduin verhandelt wurde.60 Arduin
scheint dort selbst erschienen zu sein, wie aus der Wendung ,in sancta synodus professus
est coram domno Silvestro sanctissimo et domno nostro tercio Ottone Romanorum imperatore au-
gusto et coram omnibus episcopis ibi residentibus'61 hervorgeht. Der Inhalt des Geständnis-
ses:62 ,se conduxisse illos homines qui interfecerunt Petrum Vercellensem episcopum et eins neci
interfuisse et eosdem homines secum reduxisse (nach Ivrea ?) et retinuisse et cum Ulis postea
conversatum esse'. Arduins Verbrechen wird als schlimmer als das des Judas erachtet,
weil er mit den Mördern nach dem Mord noch Gemeinschaft hatte und ihm wird folgen-
de Strafe/Buße auferlegt:63

,ut deinceps arma deponat, carnem non manducet, nemini virorum aut mulierum osculum do-
rnt,6* nec lineum vestimentum induat,65 et si sanus fuerit, ultra duas noctes uno loco non more-
tur,6* nec corpus Domini accipiaf nisi in exitu vitae, et in eo loco agat penitentiam ubi neminem
eorwn ledat qui sacramenta contra eumfecerunt; aut presens monachus efficiatur.'<*

Ergänzend ist heranzuziehen das D O. III., Nr. 323 (p. 749, 38ff.6': Ardoini ... quia
hostes publicus70 diudicatus episcopum Petrum Vercellensem interfecit et interfectum incen-
dere non expavit...'. Es kann daher dem Urteil von Mathilde Uhlirz71 in dieser Sache kei-
nesfalls zugestimmt werden, wenn sie meint: ,Auch gegen Arduin von Ivrea hat das rö-
mische Konzil ein schroffes Vorgehen vermieden'. Dies kann sich m. E. nicht auf die Sen-
tenz des Synodus Romana von 998/999 beziehen, sondern allenfalls auf ein Schreiben72
Papst Gregors V.73, das aber schwer einzuordnen ist. Jedenfalls kann von einem Vermei-
den schroffen Vorgehens bei der römischen Synodalsentenz nicht die Rede sein. Und so
meint denn auch Mathilde Uhlirz74 etwas später: ,Viel schärfer ist die Synode gegen den
Markgrafen Arduin vorgegangen, der sich zu seiner Verteidigung persönlich eingefun-
den hatte.'

Doch läßt Mathilde Uhlirz die harte Sentenz gegen Arduin erst auf der Ostersynode
in Rom am 9. April 99975 erfolgen, so daß erst unter Silvester II.76 und Otto III. diese Ent-
scheidung gefallen wäre. Da die Synodus Romana einen ,gestreckten Verlauf hatte, ist
zu unterstellen, daß auf der ersten Session um die Jahreswende 998/999 eine Entschei-
dung gegen Arduin überhaupt nicht gefallen ist, vielleicht weil er trotz der 2. Ladung
zunächst wieder - wie in Pavia - nicht anwesend war. Sie fiel erst in seiner Anwesen-
heit, nach der 3. Ladung, nach seinem persönlichen Geständnis, das wir kennen, im
April 999.

Arduin hat desungeachtet Rom wohl unbehelligt verlassen, denn im Juni 1000 in Pa-
via77 führen vor allem die Bischöfe von Vercelli, Ivrea und Novara bittere Klagen über
das Verhalten Arduins, seines Sohnes Ardicin und deren Anhänger. Es ist zweifelhaft,
ob sich die Nachricht der Flucht Ardicins auf diese Zeit bezieht oder auf den September
998.78 Arduin ist im Juni 1000 in Pavia sicher nicht selbst erschienen. Doch die Reaktion
des Kaisers besteht allein in einer Verstärkung der bischöflichen Positionen.79 Gegen Kai-
ser Otto III. selbst hat sich Arduin jedoch niemals gewendet, ebenso wie dieser nicht ge-
gen Arduin militärisch vorging.79* Auch scheint sich, nach April 999 bzw. Juni 1000, Ar-
duin relativ ruhig verhalten zu haben. Denn wir hören von ihm erst wieder nach dem
Tod Ottos III. am 24. Januar 1002, als Arduin seine Anhänger sammelt und sich in Pavia
am 15. Februar 1002 zum König erhebt und krönen läßt.796

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