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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0143

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Zur Hauptgruppe der Paläste in diesem Bezirk gehörte auch der von Justinos II. (565
- 78) errichtete achteckige Chrysotriklinos22, an dem die Kaiser Maurikios (582 - 602),
Michael II. (820 - 29) und Michael III. (842 - 867), Theophilos (829 - 42) und Konstantinos
VII. (912 - 59) weiter bauten. Dieser Bau enthielt die Apsis mit dem Kaiserthron. In der
Nähe lag die entweder von Kaiser Konstantin dem Großen oder von Kaiserin Pulcheria
(408 - 57) gestiftete Stephanos-Kirche - lange Zeit die vornehmste der Palastkirchen23.
Ganz in der Nähe das Triklinium2', in dem die feierlichen Staatsempfänge stattfanden
und das Oratorium des Theodoros25 sowie die ,Nea'26, die um 880 erbaute Palastkirche
des Kaisers Basileios I. (867 - 86). Ihr benachbart waren die Paläste Justinos' II. (685 - 95)27
und der von Theophilos erbaute Trikonchos2* und der Lausiakos™. Das gesamte ,Neuwerk'
(Nea) (Keinourgos) des Basileios I. schildert Konstantinos VII. mit überschwenglichen
Worten. In Ufernähe des Marmarameeres lag der Doppelpalast des Bukoleon30 (Stier-
löwe), wohl in der Zeit Kaiser Justinians (527 - 65) erbaut, im 10. Jahrhundert erneuert
und der untere Palast von Kaiser Nikephoros II. Phokas (963 - 69), Theophanos Großon-
kel mütterlicherseits, erweitert, der dort auch mit Vorliebe wohnte und wohl auch dort
von Theophanos angeheiratetem Oheim, Johannes I. Tsimiskes, in der Nacht vom
10./II. Dezember 969 erschlagen wurde31. Nicht weit davon lag die ,Porphyra'32, das mit
Purpurplatten (Porphyrplatten) oder -Stoffen ausgestattete Gebärgemach der legitimen
Kaiserinnen. Die hier geborenen Kinder nannte man ,Porphyrogennetoi bzw. Prophyro-
gennetai', d. h.,Purpurgeborene'33. Theophano Sklerema gehörte nicht zu ihnen.

Nordöstlich von Hippodrom und Chalke lagen weitere Paläste, deren bedeutendster
die ,Magnaura'M war, der Tradition nach schon von Konstantin dem Großen erbaut, aber
von Theophilos (829 - 42) wenn nicht neu errichtet, so doch verschwenderisch ausgestattet.
Dort wurden die auswärtigen Gesandten empfangen und Bischof Liutprand von Cremona
(ca. 902 - 972), Gesandter Berengars II. und Kaiser Ottos I., schildert einen solchen Empfang
in lebhaften Farben.35 Neben den genannten Gebäuden gab es im Kaiserpalast noch viele
andere, deren genaue Lage z. T. noch immer umstritten ist. Dieser ,große', ,alte' Kaiserpa-
last war im 10. Jahrhundert, d. h. zur Zeit Theophanos, der eigentliche Regierungssitz des
byzantinischen Reiches - er verlor seine Bedeutung erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts.

Kommen wir zu unserer eigentlichen Fragestellung zurück: Theophano - ,augasti de
palatio', d. h. wo, wenn im Kaiserpalast, (und gemeint kann eigentlich nur das ,magnum
palatium' sein) wurde sie erzogen? Welches Gebäude ließe sich damit verbinden? War
Theophano Sklerema (d. J.) (ca. 959 - 991) wirklich - was wahrscheinlich - das Patenkind
der Theophano d. Ä. (Anastaso)36, der Gemahlin der Kaiser Romanos II. (959 - 63) und
Nikephoros II. Phokas (963 - 69), so könnte sie, bei der Vorliebe des Nikephoros, ihres
Großonkels, für den unteren Bukoleon-Palast*", dort gelebt haben und erzogen worden
sein. Als weitere Möglichkeiten bieten sich an: das Orphanotrophaion (6gi))avoTQOiiEi-
ov)37, wo die Kinder18 der großen Aristokratenfamilien aufgenommen und erzogen wur-
den, weniger das Didaskalion (SiöaoxcdEiov)3', beide nahe der Hagia Sophia. Kaum aber
das Gynaikaion des Phylax (ywaixaiov)40, eher schon die Gemächer der Augusta41 oder
das Kenourgeion (xevouqyeiov)42 auf der Nordseite des Chrysotriklinos. Doch hängt auch
manches davon ab, ob Theophano Sklerema wirklich das Patenkind der etwa 941 gebo-
renen Kaiserin Theophano d. Ä. war. Solange aber die Quellenlage so ist, wie sie sich
derzeit darstellt, wissen wir außer dem .augusti de palatio' nichts und sind auf Vermutun-
gen angewiesen. Doch meine ich, daß, für die Jahre des Aufenthalts der Theophano Skle-
rema im Kaiserpalastbezirk seit etwa 963/65, am ehesten der Bukoleon-Palast oder - mit
m. E. weniger Wahrscheinlichkeit - das Orphanotrophaion in Frage kommen.42"

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Wir wissen auch nicht, von welchen Lehrern Theophano Sklerema unterrichtet wur-
de. Ob sie z. B. an dem Aufschwung der Magnaura-Hochschule, die nach der Berufung
des Leon Mathematikos durch den Caesar Bardas 863 als Leiter und Lehrer neu erblüht
war und nachdem Kaiser Konstantinos VII. vier Lehrstühle für Philosophie, Rhetorik,
Geometrie und Astronomie neu besetzt hatte43, als Lernende teilnahm, muß, vor allem
auch wegen ihres Lebensalters44, doch bezweifelt werden. Wie Theophanos griechische
Erziehung eigentlich wirklich war, könnte allenfalls, nach Abstrich aller nachweisbaren
Traditionen der ottonischen Kanzlei, vielleicht eine subtile Untersuchung der Diploma-
ta-Arengen zwischen Sommer 984 und Juni 991 erhellen. Aber so muß auch offen blei-
ben, ob Theophano Sklerema die wichtigsten in Byzanz verbreiteten ,Fürstenspiegel',
etwa des Synesios von Kyrene (2. H. 4. Jh./bzw. 399)°, des Agapeios (1. H. 6. Jhdt.)46 vor
allem, der die unter der Autorschaft des Kaisers Basileios I. überlieferte XEqpayaia nagai-
vETixä47 gekannt hat, oder auch die Schriften des Konstantinos VII. Porphyrogennetos.

In deutschen Quellen jedenfalls - in griechischen erscheint sie ja nicht - wird Theo-
phano (seit 972 Theophanu) als ,ingenio facienda'"* oder als ,sapientissima'1'' bezeichnet, was
so m. W. sonst von keiner ottonischen Herrscherin gesagt wird.

Sicher hat Theophano Sklerema auch noch, vor ihrer Übersiedelung in den Westen,
im Frühjahr 972 am Hof ihres Oheims - Johannes war in erster Ehe mit Theophanos Va-
terschwester Maria verehelicht - der seit Dezember 969 Basileus war, gelebt, obwohl Ma-
ria Sklerema im Dezember 969 wohl schon tot war und obwohl die Patentante (?) Kaise-
rin Theophano d. Ä. auf Betreiben des Patriarchen Polyeuktes50 969 - 976 in die Verban-
nung gehen mußte. Das würde bedeuten, daß die Erziehung der Theophano Sklereina
am Kaiserhof in Byzanz kaum durch den Machtwechsel im Dezember 969 unterbrochen
wurde. Fassen wir zusammen, so ergibt sich, daß wir zwar ungefähr das Geburtsjahr
(959) der Theophano Sklereina wissen oder doch erschließen können, nicht aber ihren
Geburtsort kennen.

Wir wissen auch - außer der zitierten Nachricht der Vita Mathildis reginae antiquior,
die ja, als von Theophanus Gemahl, Kaiser Otto IL, veranlaßt, als authentisch gelten
dürfte - nichts über Theophanos Erziehung - lediglich Vermutungen sind möglich.

Anders ist es mit Theophanus Tod am 15. Juni 991. Er ist mit Datum und Ortsangabe
vielfach bezeugt50": der 15. Juni (St.Vitus-Tag; Hl. Veits-Tag) 991 in Nimwegen (Nijme-
gen), wo sie sich spätestens seit dem 28. Mai 991S1 aufhielt. Theophanu war auch früher
schon in Nimwegen gewesen". Gewohnt hat sie dabei wohl - in Nijmegen im Gelder-
land - immer im sogenannten Valkhof, der alten Pfalz auf einem kleinen Hügel unmittel-
bar westlich der heutigen Waalbrücke am Südufer des Waal. Diese alte Königs-/Kaiser-
pfalz ist seit 777, als Karl der Große erstmals Ostern dort verbrachte53, nachweisbar. Auch
Kaiser Ludwig der Fromme54 und spätere Karolinger waren dort nicht eben selten54" - vor
allem zur Jagd. Im Dezember 88055 wurde die Pfalz durch die Normannen schwer be-
schädigt, aber bald wiederhergestellt. Im 10. Jahrhundert und zu Beginn des 11. Jahrhun-
derts wurde Nimwegen relativ häufig von Königen und Kaisern aufgesucht, ja, im Juni
1036 feierte Kaiser Konrad II. mit seiner Familie dort das Pfingstfest und die feierliche
Vermählung seines 1017 geborenen Sohnes Heinrich III. mit der dänischen Königstoch-
ter Gunhild56.

1047 brannte der Valkhof, die Pfalz zu Nimwegen, ab. Nachweislich seit 1155 wurde
sie von Kaiser Friedrich I. Barbarossa planmäßig restauriert und erweitert57. 1796/97
wurde die bis dahin ausgezeichnet erhaltene Anlage endlich abgebrochen. Vom alten
Valkhof dürften nur noch Reste der alten Pfalzkapelle, der St. Martinskapelle, erhalten

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