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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0146

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Obwohl, soweit ich sehe, die Schwiegertochter Theophanu vor dem Tod Ottos L am
7. Mai 973 nie als Intervenientin nachweisbar ist15, scheint sie ein gutes Verhältnis zu
ihrem Schwiegervater und ihrem jungen Ehemann gehabt zu haben, was freilich nicht
wundert, wenn man bedenkt, daß sie vor Ottos I. Tod kaum mehr als 13 Jahre - höch-
stens 15 - gezählt haben dürfte.

Dieses, ihr jugendliches Alter, dürfte auch zwischen 972 und 977 Theophanus Ver-
hältnis zu ihrer etwa 30 Jahre älteren Schwiegermutter Adelheid bestimmt haben.

Als Otto L, der fast 37 Jahre die Geschicke des Reichs und Mitteleuropas bestimmt
hatte, am 7. Mai 973 starb, war sein Nachfolger, Otto IL, knapp 18 Jahre alt16, die Kaise-
rinwitwe Adelheid etwa 42, die junge Kaiserin Theophanu wohl 13 Jahre.

Darin liegt auch der Schlüssel für vieles. Auch für die Entwicklung des Verhältnisses
zwischen Otto IL, seiner Mutter und seiner Gemahlin in den Jahren 973 - 983, ganz abge-
sehen von der verschiedenen ,Welt', aus der Adelheid, die burgundische Königstochter
und Erbin der Lombardei17, und die byzantinische Fürstentochter1" stammten. Otto IL,
Spätgeborener aus der 2. Ehe seines damals schon 43-jährigen Vaters mit der 24-jährigen
Adelheid, scheint nach allem, was wir wissen, trotz mancher positiven Züge, nicht die
Klarheit und Kraft, die stäete besessen zu haben, um mit dem eigenen Willen den der
Mutter und den zunehmenden der Gemahlin zu überwölben und zu integrieren.19

In der ersten Zeit seiner Regierung, nach dem Tod seines Vaters, scheint, auch aus-
weislich der Interventionen,20 Otto II. ziemlich unter dem Einfluß seiner Mutter Adelheid
gestanden zu haben. Die reichen Schenkungen an die bayerische Linie der Liudolfinger,
die im Erbgang über Bayern und durch Heirat über Schwaben geboten, wurden ergänzt
durch die Verleihung des Bistums Augsburg, die, durch mancherlei Intrigen vorbereitet,
wohl ohne - zumindest stillschweigende - Zustimmung Adelheids, die schon immer ein
faible für die bayerischen ,Heinriche' hatte, nicht möglich war, an Heinrich, einen Vetter
des bayerischen Herzogs, am Mauritiustage (22. September)21 973 erfolgte. Der junge Kai-
ser mußte sich ,überfahren' fühlen.22 Schon im Sommer 973 hatte er sich den Stiefneffen,
den Sohn von Ottos I. Erstgeborenem Liudolf, den 954 geborenen Otto, ,herangezogen',
woraus bis zu Herzog Ottos Tod im Oktober 982 eine treue und innige Freundschaft zwi-
schen dem Herzog und dem jungen Kaiserpaar erwuchs. Im November 973 erhielt der
Liudolf-Sohn das erledigte Herzogtum Schwaben.2' Schon diese Maßnahme Ottos IL,
wohl auch als Reaktion auf die spürbare Fronde der bayerischen Liudolfinger, mußte
rnit der Berücksichtigung eines Sohnes jenes ,primogenitus' Liudolf, dessen Widerstand
951 - 953 vor allem auch gegen Adelheid und deren Schwager, den bayerischen Herzog
Heinrich, gerichtet war,24 das Mißfallen der Kaiserinmutter Adelheid erregen. Es ist kein
Zweifel, daß eine erste Verstimmung zwischen Mutter und Sohn schon Ende 973 erfolg-
te, was fast notwendigerweise einen noch engeren Zusammenschluß der Ehegatten Otto
H. und Theophanu zur Folge haben mußte, wie auch eine Entfremdung zwischen
Schwiegermutter und Schwiegertochter. Dennoch dauern Adelheids Interventionen
fort.25 Für Ottos II. Zuneigung zu Theophanu und zu seiner Schwester Mathilde, Äbtissin

von Quedlinburg (seit 966), sprechen die Schenkungen vom 29. April 9742' und 10. Mai
974»

Im Sommer 974 versuchte Heinrich von Bayern (der Zänker) sich gegen den Kaiser
aufzulehnen, was mißlang und zu seiner Haft in Ingelheim führte2", aus der er im Januar
976 entkam.29

Am 8. Juni 97530 bestätigte Otto II. seiner Mutter Adelheid die ihr von Otto I. ge-
schenkten Wittumsgüter im Elsaß, in Franken, Thüringen, Sachsen und im Slavenland.

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Das Jahr 976 war wesentlich durch den Aufstand Heinrichs von Bayern bestimmt, bis
der Kaiser am 21. Juli Regensburg, die bayerische Hauptstadt, erobert hatte und seinen
Stiefneffen, den schon seit 973 amtierenden Herzog Otto von Schwaben, auch zum Her-
zog im erledigten Bayern eingesetzt harte.31 Auch diese Ernennung des Kaisers dürfte
nicht den Beifall seiner Mutter Adelheid gefunden haben, schon gar nicht auf ihren - of-
fenbar gesunkenen - Einfluß zurückgehen. Ebensowenig konnte nach der Exilierung
Heinrichs von Kärnten die Belehung Ottos von Worms, des Sohnes der Liudolf-Schwe-
ster Liutgard und Konrads des Roten, mit Kärnten31* die Zustimmung Adelheids gefun-
den haben. Völlig entgegen Adelheids Willen aber erfolgte durch den Kaiser, ihren Sohn,
die Ernennung32 des Karolingers Karl, des Bruders des französischen Königs Lothar (954
- 986) und Schwager der Königin Emma, der Tochter der Kaiserin Adelheid aus ihrer er-
sten Ehe mit dem lombardischen König Lothar,33 zum lotharingischen Herzog. Diese Er-
hebung Karls von Niederlothringen, der Adelheids Tochter Emma des Ehebruchs mit
dem am 16. Januar 977 mit dem Bistum Laon investierten Adalbero (Ascelin), einer reich-
lich zwielichtigen Figur, beschuldigt hatte, verstimmte sowohl Karls Bruder Lothar, sei-
ne Gemahlin Emma als auch deren Mutter Adelheid zutiefst.

So bedeutet der Mai 977 einen tiefen Einschnitt in den Beziehungen Ottos II. - und
damit auch Theophanus - zur 46-jährigen Kaiserinmutter.

Es gab Kreise, die die Ernennung Karls durch den Kaiser dem Einfluß Theophanus
zuschrieben, was unter Beachtung der Haltung Theophanus zwischen 987 und 991 sicher
nicht völlig ohne Grund war.31 Im Mai 977 war die etwa 17-jährige junge Kaiserin hoch-
schwanger und der Kaiser hoffte wohl auf einen Erben. Daß die, dann im Hochsommer
977 geborene, Tochter35 mit dem Namen der gerade schwer gekränkten Adelheid be-
nannt wurde, war sicher kein Zufall, sondern eine Geste der Versöhnung, wie dies auch
im Bericht der Annales Magdeburgenses anklingt.36 Im August 977 brach erneut ein Auf-
stand aus: Heinrich von Bayern (der Zänker), Heinrich von Kärnten und Bischof Hein-
rich von Augsburg erhoben sich gegen den Kaiser - doch brach auch diese Erhebung
schon bald zusammen. Auch diese Erhebung der ,drei Heinriche' war nicht dazu ange-
tan, das Verhältnis des jungen Kaiserpaares zu Adelheid zu verbessern.

Anfang 978 scheint sich dieses immerhin soweit stabilisiert zu haben, daß Kaiserin
Adelheid am 8. März als Intervenientin an Ottos Hof nachweisbar ist.37 Wenige Tage dar-
auf schenkte Otto II. seiner Gemahlin Theophanu (.dilectissime nostre contectali Theopha-
nu') den Hof Pöhlde,38 wobei die Bezeichnung seiner Gemahlin, die uns in jener Zeit öfter
begegnet,39 signifikant zu sein scheint. Im Sommer 978 schenkte Kaiserin Theophanu ei-
ner zweiten Tochter das Leben", die den Namen von Theophanus Mutter Sophia (Pho-
kaina) erhielt. Die Geburt Sophias fiel in die Zeit der großen Auseinandersetzung41 zwi-
schen dem Reich und Frankreich, dem Schwiegersohn und dem Sohn Adelheids. Die Si-
tuation war für Adelheid unhaltbar geworden. Mit ihrer Tochter Mathilde zog sie sich
nach Burgund zu ihrem Bruder42 - oder gleich nach Pavia43 - zurück.

Die Namengebung der zweiten Kaisertochter nach der griechischen Großmutter, der
Rückzug Adelheids vom Kaiserhof, die deutsch-französischen Kämpfe - das alles läßt
darauf schließen, daß der Einfluß Theophanus auf den Kaiser zu der Zeit groß und auch
für Adelheid spürbar war.

Die Politik Ottos IL, nicht zuletzt unter dem Einfluß des Erzbischofs Willigis von
Mainz und Theophanus, hatte zuvörderst das ,Reich' im Blickpunkt, jenes dem byzanti-
nischen nachempfundene Jmperium', das keine entscheidende Rücksicht auf die ver-
wandtschaftlichen Bande und Querelen kannte und zuließ44, weder auf die bayerische

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