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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0183

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und Sohn" einen Hinweis auf die Datierung der Herstellung: zweifellos nach dem Tod
Kaiser Ottos II. am 7. Dezember 983 bzw. der Königskrönung Ottos III. am 25. Dezember

983 in Aachen (Terminus post quem) und vor dem Tod Theophanus am 15. Juni 991 (Ter-
minus ante quem) - also zwischen 984 und 990/91. Soweit die bisherige Datierung.

Nun kann aber weiterhin als sicher angenommen werden, daß der wohl von Theo-
phanu erteilte Auftrag (auch namens ihres Sohnes Otto) nicht vor dem Wiedersehen mit
dem Sohn und dessen Herausgabe durch Heinrich (d. Zänker) von Bayern am 29. Juni

984 in Rara (Rohr)11 erteilt wurde, zumal der Herr der Trierer Werkstätten, Erzbischof
Egbert, damals noch auf der Seite Heinrichs von Bayern stand. Egbert wurde nämlich
erst im Sommer 985 von Heinrich seiner eidlichen Verpflichtungen entbunden15 und hat
sich erst danach Otto III. und Theophanu angeschlossen.16 Am 25. August 985 in Nimwe-
gen erscheint im D O. III. Nr. 19 Erzbischof Egbert erstmals als Intervenient17. So dürfen
wir, ganz abgesehen von der Darstellung Ottos III., die kein Kleinkind zeigt, m. E. den
Terminus post quem noch weiter, d. h. bis mindestens Sommer/Herbst 985 hinausschie-
ben, denn aus den genannten Gründen scheint mir vorher ein Auftrag Theophanus an
Egberts Werkstätten als nicht denkbar.

Nun erfolgten derlei Geschenke wie dieser Buchdeckel nicht einfach ohne Anlaß und
aus einer - wenn auch kaiserlichen - Laune heraus, sondern, wie z. B. die Schenkung ei-
nes ,Buches' ex auro et gemmis, imaginem ipsius (O. II.) et Tlieophanu coniugis eins continen-
tetn,™ in quo sua (O. II.) imperatricisque Tlieuphanu imago (ymago) auro splendet formata," ex
auro et gemmis imaginem ipsius (O. II.) et Theophanu coniugis eins continentem20 aus feierli-
chem und besonderem Anlaß - wie des Privilegs Ottos II. (D O. II. Nr. 207) vom 19. No-
vember 97921, in dem Otto II. dem Klerus der Magdeburger Kirche das Recht zur Wahl
des Erzbischofs verlieh. Dieser Codex, bzw. dieser Buchdeckel, 979 als Geschenk Ottos II.
und Theophanus bezeugt, war also ebenfalls mit Stifterbildnissen versehen und mit Gold
und Edelsteinen geschmückt. Er war, zumindest noch in der Zeit als Thietmar von Mer-
seburg seine Chronik schrieb (von dem wohl die beiden späten Quellen des 12. Jahrhun-
derts abhängen), also zwischen 1012 und 1018 in Magdeburg noch vorhanden:

(qui hodie ibidem est [Thietmar];

qui ob memoriam ibi cum veneratione habetur usque in hodiernum diem [Gesta];

qui ob memoriam ibi cum veneratione habetur usque in hodiernum diem [Annalen]).

Heute ist dieser ,Magdeburger Buchdeckel' offenbar verloren. Wann und wie wissen
wir nicht. Der Buchdeckel des Codex aureus Epternacensis hingegen ist erhalten. Auch
er trägt die imagines der Stifterpersönlichkeiten: Ottos III. und seiner Mutter Theophanu.
Aber auch er ist als Geschenk zu besonderem Anlaß erfolgt, den wir zwischen 985 und
(spätestens) Anfang 991 zu suchen haben.

Was aber läge als besonderer Anlaß' näher als der 250. dies natalis (Todestag) des hl.
Willibrord, des Gründers von Echternach, am 7. November 989? Doch kam m. E. noch ein
weiterer Anlaß hinzu: der Sommer 988 brachte, vor allem zwar in Niederlothringen und
Frankreich, gewaltige Regengüsse; dann folgte außerordentliche Hitze und Dürre von
Mitte Juli bis Mitte August 988 mit vielen Krankheiten und Todesfällen.22 Die Kaiserin
Theophanu, die sich wahrscheinlich im Juli 988 in einer der rheinischen Pfalzen aufge-
halten hatte,23 ist Mitte August am Bodensee.24 Dort erkrankte sie25 in Meersburg oder
Konstanz. Im November 988 reist Theophanu nach Köln26 und feiert dort Weihnachten.27
Am 28. Dezember 988a bestätigt in Köln Otto III. dem Erzbischof Egbert von Trier die,
von seinen Vorgängern29 der Trierer Kirche erteilte, Immunität. Das heißt aber m. E., daß
Erzbischof Egbert Weihnachten 988 mit der Kaiserin Theophanu und König Otto III. in

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Köln feierte, nachdem die Kaiserin genesen war.30 Es besteht für mich kein Zweifel, daß
der Auftrag Theophanus und Ottos III. an Erzbischof Egbert, hinsichtlich der Herstel-
lung des Buchdeckels des Codex aureus Epternacensis, um Weihnachten 988 in Köln er-
folgte.

Der von mir oben hypothetisch postulierte Anlaß war ein dreifacher:

a Das Immunitätsprivileg D O. III. Nr. 51 (per occasionem!),

b (weit wichtiger!): die Dankesgabe an den hl. Willibrord nach überstandener
Krankheit der Kaiserin,

c (damit zusammenhängend und am wichtigsten!): die Jubiläumsgabe zum 250. dies
natalis des hl. Willibrord - vielleicht eben noch ein wenig ,caressement' für den
nicht unwichtigen Abt Ravanger von Echternach.

Gerade zu b) scheint mir das D O. III. Nr. 89 vom 3. April 992 eine wichtige Ergän-
zung, das als erstes aller Diplome Ottos III., nach Theophanus Tod am 15. Juni 991, wie
bereits erwähnt, eine Seelgift gerade an Echternach und den hl. Willibrord enthält (ad
usum ecclesiae sitae et monachorum deo sanctoque Vullibrordo confessori die noctuque ibi ser-
vientium - pro remedio animarum beate memorie avi nostri Ottonis et eins aequivoci genitoris
nostri imperatorum augustorum (beide haben sich in DD O. I., Nr. 93, 427, 428, O. IL, Nr.
217 als Wohltäter des Klosters erwiesen) ac progenetrice nostra Theophanu imperatrice augu-
sta ...). Die Tatsache, daß Echternach als erstes Kloster31 in den Genuß einer Theophanu-
Seelgift kommt, scheint mir den Anlaß b zu erhärten.

Somit scheint mir so gut wie sicher, daß im Hinblick auf den 250. dies natalis des hl.
Willibrord der Auftrag zum Buchdeckel des Codex aureus Epternacensis in der Weih-
nachtszeit 988 erteilt wurde.32 Als Herstellungszeit dürften dann etwa zehn Monate -
eine durchaus realistische Zeit33 - ins Auge gefaßt worden sein. Unterstützend zu unse-
rer, hauptsächlich historisch begründeten, These kommt hinzu, daß aus kunstgeschicht-
lichen Gründen der Buchdeckel des Codex aureus Epternacensis in die Spätzeit der soge-
nannten ,Egbert-Werkstatt' zu Trier fällt - wie insbesondere Hiltrud Westermann-An-
gerhausen bereits 197334 überzeugend deutlich gemacht hat.35 So ergänzen sich m. E. die
historischen und die kunsthistorischen Argumente aufs eindrucksvollste: 977 - 993 war
Egbert Erzbischof von Trier; wurde der Buchdeckel gemäß den dargelegten historischen
Gründen 989 gefertigt36 - so gehört er in der Tat der,Spätzeit' des 993 gestorbenen Egbert
an.

Aber auch im allgemeinsten Sinne .politisch' ,paßf die Gabe Theophanus zum 7. No-
vember 989 an die wichtige, in frühkarolingischer Tradition stehende Abtei Echternach
in den Kontext des Kampfes mit Hugo Capet, als schon das Ende Erzbischof Adalberos
von Reims (t Januar 989) absehbar war und Karl von Niederlothringen Laon belagerte:
Diese Gabe war eine Erneuerung der Bindung Lothringens an das Reich.

Ich fasse zusammen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde unser Buchdeckel in den
Trierer Werkstätten des Erzbischofs Egbert, in der Zeit zwischen Anfang 989 und Okto-
ber 989 auf den Weihnachten 988 erfolgten Auftrag der Kaiserin Theophanu hin, als Fest-
gabe zum 250. Todestag Willibrords am 7. November 989 hergestellt.

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