erweisen. Noch schwieriger ist die Entscheidung, was mit ,quadratum' gemeint ist. Freilich
ist als lectio facillima das Viereck des Buchdeckels gemeint: .qimdratum' heißt aber auch
,wohlgefügt', ,in sich geschlossen', ,harmonisch' als secundus usus verbi10. Und auch die-
se Bedeutung gibt hier Sinn. Auch die Wortbedeutung von ,stemma' ist nicht einfach wie
Schramm" formuliert: ,Stemma ist der auch in das Lateinische übernommene Terminus
für die byzantinische Krone.' ,Stemma' ist zunächst einfach einmal der ,Kranz' (als
Schmuck der Ahnenbilder bei Seneca und Plinius; meton. dann der ,Stammbaum', die
,Ahnentafel' bei Seneca, Sueton u. a )12 - erst später bedeutet ,stemma' (oxz\x\xa) auch ,coro-
na'u - so daß es fraglich erscheint, ob im Text diese späte Bedeutung gemeint ist. Gemeint
ist jedenfalls etwas wie ein ,Kranz', ein,Ehrenkranz', nicht unbedingt aber eine ,Krone'.
Am schwierigsten dürfte das ,sectam' des Textes zu entschlüsseln sein: denn zwei
sprachliche Ableitungen erscheinen prima vista möglich:
a von ,sequi' = ,folgen': die ,Folge', meton. die ,Lehre', die ,Lehrmeinung', ja die
,Glaubensrichtung' - dann wäre es hier Substantiv, dem das ,perfectam' zugeord-
net werden müßte'13*
b von ,secare' = schneiden', ,sägen': dann könnte die ScHRAMM'sche Interpretation
,zersägt', ,zerschnitten' zutreffen. Doch neige ich mit Deer zur Ableitung a.
Nun der Versuch einer Übersetzung:
,Wer also die Buchstaben" der Weisheit wirklich zu erkennen sucht
der wird erfreut sein, diese(s) (quadratum/Harmonie) der Wissen-
schaft voll zu besitzen.
Siehe, die als wahre (gelehrige) Schüler der Weisheit glänzten, mit
dem (Stemma/Ehrenkranz) schmückt König Heinrich die vollkom-
mene (Lehre/Gefolgschaft).'
Dieser Übersetzungsversuch beansprucht nicht alleinige Richtigkeit, zeigt aber eine
andere Möglichkeit als die Schramms von 1955. D. h., die Übersetzung ,aus einer Krone
zerschnitten' ist nicht zwingend richtig und naheliegend - auch nicht als Beweis für ein
Diadem der Theophanu geeignet. Damit aber ist die Frage nach der Herkunft der Email-
plattenspolien wieder offen.
Vorhanden sind heute auf dem Perikopenbuchdeckel 12 (11 + 1) Emailplättchen, 1
Pantokratorplatte (h. 45 mm; br. 40 mm) und 11 Apostelplatten (h. 40 mm; br. 35 mm je-
weils)15. Alle Plättchen sind oben torbogenförmig abgerundet und tragen die Namen des
jeweils Abgebildeten in griechischer Schrift. Spolien griechisch-byzantinischer Herkunft
sind also zu unterstellen, wobei offen bleiben muß, ob es sich um eine Arbeit unmittelbar
aus Byzanz oder aus Süditalien oder sonstwoher handelt.
Philippos
Iakobos
Bartholome
p
Ch
P
e
r
a
t
i
u
r
s
1
o
t
0
Andreas
s
0
s
s
Loukas
Thomas
S
N
M
i
N
a
m
th
o
e
n
o
510
I
Schramm irrt also, wenn er" die ,beiden Jakobusse' als fehlend bezeichnet: es fehlt
nur einer. Es fehlen aber weiterhin: Markos, Joannes I, Joannes II, Mathias, Judas, Thad-
deos (wobei einer von diesen der von mir mit NN bezeichnete sein kann). Doch spielt
dies für unsere Deduktion hier keine Rolle. Zweifellos sind aber zu den vorhandenen 11
,Aposteln' nicht wie bei Schramm17 drei weitere zu 14, sondern fiinf weitere zu 16 zu er-
gänzen (16 = 2 x 8!).
Dies aber verändert die gesamte Beweisführung.
Denn folgen wir den, ansonsten überzeugenden, formalen Ausführungen Schramms,
so ergäben sich, geht man von der Annahme einer (Frauen-) Krone aus:
16 Apostelplatten x 35 mm = 560 mm
1 Pantokratorplatte = 40 mm
17 Perlränder x 5 mm = 85 mm
Gesamtumfang = 685mm
(= 68,5 cm) mit einem Durchmesser (0) = 218,2 mm (21,82 cm).
Diese Größe, in Umfang wie Durchmesser, dürfte aber nach Vergleich mit anderen
Kronen - zumal als ,Frauenkrone'(!) - ziemlich unwahrscheinlich sein.18 Anders sieht es
freilich aus, wenn man, wie ich dies für die Platten der ,Corona latina', der ungarischen
St. Stephanskrone, darzutun versucht habe,19 von 2 ursprünglichen Pantokratorplatten
ausgeht, also von ursprünglich 2 Spolienstücken und den Gesamtumfang damit halbiert.
Dann ergibt sich folgendes:
16 Apostelplatten x 35 mm = 560 mm
2 Pantokratorplatten x 40 mm = 80 mm
18 Perlrahmen x 5 mm = 90 mm
Gesamtumfang = 730 mm
(= 73 cm) x 1/2 = jeweils 365 mm (36,5 cm) als Umfang
und 116,24 mm (= 11,62 cm) als Durchmesser (0).
Diese Maße würden aber, hier wie bei der ergänzten ,Corona latina' der St. Stephans-
krone, hervorragend zu ,armillae' passen.20 Doch ist dies auch nur ein Lösungsversuch,
um die Herkunft der Emailplättchen als byzantinischer Spolien zu erklären; zumindest
kein schlechterer, wie ich meine, als der Schramms von 1955, sie als Spolien einer byzan-
tinischen ,Frauenkrone' (sie!)21 zu erweisen - denn noch immer gilt auch der Einwand
von Hermann Fillitz22, daß eine Pantokratordarstellung auf einer Frauenkrone nicht be-
kannt und unwahrscheinlich sei, ein Einwand, den ja auch Deer aufgenommen hat.
Heinrich II. ist sicher 100225 oder später - jedenfalls vor 1014 in den Besitz dieser Spolien
gelangt: ob über den Nachlaß Ottos III. (t Januar 1002) oder über ein Geschenk der Äbtis-
sin Sophia von Gandersheim, seiner eifrigen Anhängerin,24 die ihm auch ihre Weihe zur
Äbtissin verdankte,25 muß offen bleiben. Ja, die Spolien müssen nicht einmal durch Theo-
phanu 972 nach dem Westen verbracht worden sein. Es könnte auch auf anderem Weg,
zu anderer Zeit - wahrscheinlich nach 949 - erfolgt sein. Wir wissen es nicht.
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ist als lectio facillima das Viereck des Buchdeckels gemeint: .qimdratum' heißt aber auch
,wohlgefügt', ,in sich geschlossen', ,harmonisch' als secundus usus verbi10. Und auch die-
se Bedeutung gibt hier Sinn. Auch die Wortbedeutung von ,stemma' ist nicht einfach wie
Schramm" formuliert: ,Stemma ist der auch in das Lateinische übernommene Terminus
für die byzantinische Krone.' ,Stemma' ist zunächst einfach einmal der ,Kranz' (als
Schmuck der Ahnenbilder bei Seneca und Plinius; meton. dann der ,Stammbaum', die
,Ahnentafel' bei Seneca, Sueton u. a )12 - erst später bedeutet ,stemma' (oxz\x\xa) auch ,coro-
na'u - so daß es fraglich erscheint, ob im Text diese späte Bedeutung gemeint ist. Gemeint
ist jedenfalls etwas wie ein ,Kranz', ein,Ehrenkranz', nicht unbedingt aber eine ,Krone'.
Am schwierigsten dürfte das ,sectam' des Textes zu entschlüsseln sein: denn zwei
sprachliche Ableitungen erscheinen prima vista möglich:
a von ,sequi' = ,folgen': die ,Folge', meton. die ,Lehre', die ,Lehrmeinung', ja die
,Glaubensrichtung' - dann wäre es hier Substantiv, dem das ,perfectam' zugeord-
net werden müßte'13*
b von ,secare' = schneiden', ,sägen': dann könnte die ScHRAMM'sche Interpretation
,zersägt', ,zerschnitten' zutreffen. Doch neige ich mit Deer zur Ableitung a.
Nun der Versuch einer Übersetzung:
,Wer also die Buchstaben" der Weisheit wirklich zu erkennen sucht
der wird erfreut sein, diese(s) (quadratum/Harmonie) der Wissen-
schaft voll zu besitzen.
Siehe, die als wahre (gelehrige) Schüler der Weisheit glänzten, mit
dem (Stemma/Ehrenkranz) schmückt König Heinrich die vollkom-
mene (Lehre/Gefolgschaft).'
Dieser Übersetzungsversuch beansprucht nicht alleinige Richtigkeit, zeigt aber eine
andere Möglichkeit als die Schramms von 1955. D. h., die Übersetzung ,aus einer Krone
zerschnitten' ist nicht zwingend richtig und naheliegend - auch nicht als Beweis für ein
Diadem der Theophanu geeignet. Damit aber ist die Frage nach der Herkunft der Email-
plattenspolien wieder offen.
Vorhanden sind heute auf dem Perikopenbuchdeckel 12 (11 + 1) Emailplättchen, 1
Pantokratorplatte (h. 45 mm; br. 40 mm) und 11 Apostelplatten (h. 40 mm; br. 35 mm je-
weils)15. Alle Plättchen sind oben torbogenförmig abgerundet und tragen die Namen des
jeweils Abgebildeten in griechischer Schrift. Spolien griechisch-byzantinischer Herkunft
sind also zu unterstellen, wobei offen bleiben muß, ob es sich um eine Arbeit unmittelbar
aus Byzanz oder aus Süditalien oder sonstwoher handelt.
Philippos
Iakobos
Bartholome
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Schramm irrt also, wenn er" die ,beiden Jakobusse' als fehlend bezeichnet: es fehlt
nur einer. Es fehlen aber weiterhin: Markos, Joannes I, Joannes II, Mathias, Judas, Thad-
deos (wobei einer von diesen der von mir mit NN bezeichnete sein kann). Doch spielt
dies für unsere Deduktion hier keine Rolle. Zweifellos sind aber zu den vorhandenen 11
,Aposteln' nicht wie bei Schramm17 drei weitere zu 14, sondern fiinf weitere zu 16 zu er-
gänzen (16 = 2 x 8!).
Dies aber verändert die gesamte Beweisführung.
Denn folgen wir den, ansonsten überzeugenden, formalen Ausführungen Schramms,
so ergäben sich, geht man von der Annahme einer (Frauen-) Krone aus:
16 Apostelplatten x 35 mm = 560 mm
1 Pantokratorplatte = 40 mm
17 Perlränder x 5 mm = 85 mm
Gesamtumfang = 685mm
(= 68,5 cm) mit einem Durchmesser (0) = 218,2 mm (21,82 cm).
Diese Größe, in Umfang wie Durchmesser, dürfte aber nach Vergleich mit anderen
Kronen - zumal als ,Frauenkrone'(!) - ziemlich unwahrscheinlich sein.18 Anders sieht es
freilich aus, wenn man, wie ich dies für die Platten der ,Corona latina', der ungarischen
St. Stephanskrone, darzutun versucht habe,19 von 2 ursprünglichen Pantokratorplatten
ausgeht, also von ursprünglich 2 Spolienstücken und den Gesamtumfang damit halbiert.
Dann ergibt sich folgendes:
16 Apostelplatten x 35 mm = 560 mm
2 Pantokratorplatten x 40 mm = 80 mm
18 Perlrahmen x 5 mm = 90 mm
Gesamtumfang = 730 mm
(= 73 cm) x 1/2 = jeweils 365 mm (36,5 cm) als Umfang
und 116,24 mm (= 11,62 cm) als Durchmesser (0).
Diese Maße würden aber, hier wie bei der ergänzten ,Corona latina' der St. Stephans-
krone, hervorragend zu ,armillae' passen.20 Doch ist dies auch nur ein Lösungsversuch,
um die Herkunft der Emailplättchen als byzantinischer Spolien zu erklären; zumindest
kein schlechterer, wie ich meine, als der Schramms von 1955, sie als Spolien einer byzan-
tinischen ,Frauenkrone' (sie!)21 zu erweisen - denn noch immer gilt auch der Einwand
von Hermann Fillitz22, daß eine Pantokratordarstellung auf einer Frauenkrone nicht be-
kannt und unwahrscheinlich sei, ein Einwand, den ja auch Deer aufgenommen hat.
Heinrich II. ist sicher 100225 oder später - jedenfalls vor 1014 in den Besitz dieser Spolien
gelangt: ob über den Nachlaß Ottos III. (t Januar 1002) oder über ein Geschenk der Äbtis-
sin Sophia von Gandersheim, seiner eifrigen Anhängerin,24 die ihm auch ihre Weihe zur
Äbtissin verdankte,25 muß offen bleiben. Ja, die Spolien müssen nicht einmal durch Theo-
phanu 972 nach dem Westen verbracht worden sein. Es könnte auch auf anderem Weg,
zu anderer Zeit - wahrscheinlich nach 949 - erfolgt sein. Wir wissen es nicht.
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