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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0286

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gen. Mit Recht betont Verf., daß es irreführend sei, ,die Politik Ottos I. als eine ,gefeierte
Norm' der davon vermeintlich abweichenden Politik Ottos III. gegenüberzustellen.' (S.
122).

2. Der zweite Teil des Buches handelt von der ,deutschen Opposition' gegen die Poli-
tik Ottos III. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: eine generelle ,deutsche Opposition'
läßt sich aus den Quellen nicht beweisen: weder fand 1001/02 eine ,Hilfsverweigerung'
statt, noch eine generelle ,conspiratio', die aus einleuchtend familiären Gründen ,Son-
dergut' Thietmars (IV, 49) ist und Otto nie wirklich gefährdet hat. Auch der berühmte
,Gandersheimer Streit' war kein Ausdruck einer Opposition gegen Otto III. oder seine
Mutter, Kaiserin Theophanu. Zum ,Gandersheimer Streit' ist allerdings einiges kritisch
anzumerken: Verf. datiert die Einkleidung von Ottos Schwester Sophia mit Goetting (S.
127 Anm. 23) gegen RI 1017e, gegen Mathilde Uhlirz (Jahrbücher Ottos III., 1954, S.
H5f.) und meine eigenen Darlegungen (Niedersächs. Jahrbuch f. Landesgesch. 61/1989,
S. 107f.; Kaiserin Theophanu - 1991 - S. 72 u. 172f.) auf den 18. Oktober 987 statt 989,
ohne dies jedoch zu begründen.

An dieser Stelle vermischt Verf. auch einiges: meinen Verdacht (Ns. Jb. f. LG, L c, S.
HOff.), Sophia habe eventuell ein Verhältnis mit Erzbischof Willigis gehabt, bezieht sich
nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gandersheimer Streits sondern auf die Mitte
der neunziger Jahre des 10. Jahrhunderts. Auch ist nicht einsichtig, was die Gegenüber-
stellung meiner Position, die Verf. auf ,Arroganz' Sophias verdichtet und verkürzt, ge-
gen die These Gerd Althoffs, daß Sophia versucht habe, ,ihren Rang als ottonische Prin-
zessin durch ein sonst unübliches Weihezeremoniell zu unterstreichen', soll. Althoffs
und meine Ansicht sind da bei genauer Lektüre kaum unterschiedlich.

Mit Recht bemerkt Verf. eine gewisse Entfremdung zwischen Otto III. und Erzbischof
Willigis von Mainz (S. 125ff., S. 178). Doch über die Entfremdung Ottos zu seiner Groß-
mutter Adelheid, die ihre bei Adelheid liegenden Gründe hatte, bringt Verf. leider nur
wenig; keinesfalls kann diese Entfremdung mit Thietmar (IV, 15) auf den Einfluß ,junger
Heißsporne' auf Otto (S. 178) begründet werden. Einleuchtend ist das Resume des zwei-
ten Teiles, daß es eine die Position Ottos III. wirklich gefährdende ,deutsche Opposition'
gegen die Politik des Kaisers auch 1001/02 nicht gegeben habe: ,In keinem der Fälle wird
die Ablehnung einer etwaigen politischen Schwerpunktverlagerung nach Süden als
Ausgangspunkt eines Konflikts oder auch nur als Motiv von zweitrangiger Bedeutung
erkennbar.' (S. 186).

3. Der dritte Teil der Arbeit handelt von der Rompolitik Ottos III., wobei Verf. zu-
nächst auf die Position P. E. schramms von 1929 rekurriert, auf den ,Römischen Erneue-
rungsgedanken', ergänzt durch die Thesen von Mathilde Uhlirz von 1954, daß die Herr-
schaftskonsolidierung im südlichen Reichsteil und die Zusammenarbeit von Kaiser und
Papst im Zeichen eines ,ecclesiastischen Imperiums' erfolgt sei, dessen Ziel vor allem die
Gewinnung Polens und Ungarns für das Christentum römischer Prägung gewesen sei.
Es folgt eine kurze Übersicht über die von Schramm und Uhlirz abweichenden Meinun-
gen. (S. 188/89).

Ziel dieses dritten Teiles soll nach Verf. eigener Aussage (S. 189) sein: Überprüfung der
Ergebnisse vor allem Schramms und insbesondere von dessen Hauptthese des Römi-
schen Erneuerungsgedankens', der weitgehend auf Konrad Burdach (1913) und Paul
Piur (1925) basiert. Dabei arbeitet Verf. heraus, daß es ,die Apostelfürsten und Märtyrer'
(S. 195) gewesen seien, die, wie schon Papst Leo d. Gr. (440 - 461) (Sermo 82; MP154,422f.)
ausgeführt habe, die neue Dignität Roms als ,caput orbis (mundi)' begründet hätten.

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(Nebenbei: eine nicht unwichtige erste ,Schrift'-Grundlage dürfte dafür auch Rom. 1,
8 sein!). Verf. führt das im Einzelnen aus, untersucht Leos von Vercelli ,Versus de Grego-
rio', die erste und die zweite Kaiserbulle Ottos III. auch im Hinblick auf die Devise ,Re-
novatio imperii Romanorum': eine eigentlich römisch-antikisierende Programmatik ist
nirgends herauslesbar. Sicher hat, wie Verf. darlegt, die Situation des Papsttums kurz
vor 1000 in Figuren wie Bonifaz VII. (985/95) für Otto III. eine wesentliche Rolle gespielt
und ihn bewogen, seinen Verwandten Bruno, Urenkel Ottos des Großen, 996 zum Papst
(Gregor V.) zu machen, wie 999 seinen und seiner Mutter Theophanu Vertrauten Gerbert
von Aurillac (Reims). Recht aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang, was Otto III.
im Sommer 996 (D O III., Nr. 21) an Gregor V. schreibt, daß er sich ihm nicht nur durch
die Verwandtschaft des Blutes (,non solum sanguinis linea'), sondern auch durch eine
besondere Erhabenheit des Geschlechts verbunden fühle (/verum etiam inter cunctos
mortales quadam sui generis emminentia connectimur'), worauf Verf. allerdings nicht
eingeht. Verf. untersucht den Einfluß Gerberts, Leos von SS Bonifacio e Alessio, des Ab-
tes Abbo von Fleury sowie Gregors V. Verhältnis zu Otto mit dem Ergebnis interessanter
Details, die insbesondere das Verhältnis von Kaiser und Papst als besser als bislang an-
genommen erscheinen lassen.

Gerade hinsichtlich Gerberts läßt aber Verf. außer acht, daß dieser schon Anfang 981
(RI 835a) Kaiser Otto II. und Kaiserin Theophanu vorgestellt worden war, daß Gerbert
schon von Otto II. Ende 982 (RI 841a) Bobbio erhalten hatte und daß schon an der Jahres-
wende 983/84 Kaiserin Theophanu Gerbert in geheimer Mission zu Erzbischof Adalbero
von Reims geschickt hatte (RI 956x), auch daß Gerbert zwischen 984 und 991 eigentlicher
Vertrauensmann der Kaiserin Theophanu war (vgl. RI 960a; 962b; 967b u. ö.).

Als daher Gerbert und Otto III. sich im Sommer 996 in Rom begegneten, da war Ger-
bert für Otto ein ,Vertrauter' seiner Mutter Theophanu und deren Politik. Die Konse-
quenz daraus war, was Verf. nicht beachtet, die Berufung Gerberts an Ottos Hof an der
Jahreswende 996/97. Wenn man aber bedenkt, daß Otto und Gerbert schon im Herbst
996 (RI 1210/Ia) lange Gespräche hatten, so darf man, aufgrund der erwähnten Vorge-
schichte, davon ausgehen, daß nicht nur philosophische und literarische, dem Geist der
römischen Antike verpflichtete Gespräche geführt wurden, sondern auch über konkrete
Politik, wie sie Gerbert im Auftrag Theophanus ein Jahrzehnt lang vertreten hatte, ge-
sprochen wurde. Hier aber rächt sich nun, daß Verf. das Buch des Unterzeichneten über
,Theophanu, Prinzessin aus der Fremde - des Westreichs große Kaiserin' (1991) und den
darin enthaltenen Aufsatz ,Das politische Erbe der Kaiserin Theophanu - oder: Ottos III.
Konzeption eines Europäischen Staatensystems' (S. 106 - 123) nicht zur Kenntnis genom-
men hat. Gerade unter Heranziehung von Ottos (Compaternitäts-)Politik gegenüber Ve-
nedig 996 (Pietro und Otto Orseolo), gegenüber Ungarn 996/97 (Waijk/Stephan I.) und
Polen 1000 (Boleslav Chrobry - Otto Bzprijm; desponsatio von Ottos Nichte Richenza
mit Boleslavs Sohn Mieszko) wurde da nämlich zu zeigen versucht, daß Kaiser Otto III.
den Entwurf seiner Mutter nach byzantinischem Vorbild (she. F. Dölger, ,Familie der
Könige'!) weiterentwickelt und realisiert hat.

Hier scheint sich auch ein weiterer Ansatz zu ergeben: Ottos III. Rompolitik hatte die
seit den letzten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts unstreitige Romgebundenheit des
westlichen Kaisertums zur Voraussetzung, die Sicht von Rom als Mutter der christlichen
Kirchen (D O III., Nr. 389), als ,sedes' des ,orbis Christianus', aber auch als ,verus Roma'
als Mittelpunkt und als Gegenüber der ,nova Roma' wo sich Otto III. seit 995 um eine
Porphyrogenneta bewarb - auch das läßt Verf. leider außer acht. Summa: ,Otto (III.) war

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