dit neneſte Wallenſtein-forſchung.
Von
H. von Zwiedinech-Hüdenhorſt.
Daß alles menſchliche Wiſſen Stückwerk iſt, und daß ſich ein
Forſcher nur dann zu der Meinung verſteigen könne, etwas Fer⸗
tiges, für alle Zeiten Abgeſchloſſenes erreicht oder unumſtößliche
Beweiſe aufgeſtellt zu haben, wenn er über einen beſonders aus—
giebigen Vorrat von — Zuverſicht und Selbſtvertrauen ver—
fügt, davon hat ſich noch jeder überzeugen können, der geneigt
war, gegen ſich und die Welt ehrlich zu ſein. In der gelehrten
Litteratur treten ſtets von neuem Erſcheinungen auf, welche die
Fehlbarkeit von akademiſchen oder nicht-akademiſchen „Autoritäten“
aller Rangſtufen in unerwartet helles Licht ſtellen und uns die
Schwierigkeit, zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen, beſonders
fühlbar machen. , In Erwägung deſſen thuͤn wir gewiß immer
ſehr wohl daran, wenn wir die Unvollkommenheit ſchon vor—
handener Leiſtungen ruhig anerkennen, uns aber auch hüten, die
Ausbeute an neuen Entdeckungen zum Anlaſſe allzuweitgehender
Verſprechungen und Behauptungen zu machen. Ganz beſonders
empfiehlt ſich dieſe Vorſicht, wenn wir an die Erörterung einer
Frage herantreten, die ſchon ſo viele Löſungen und neuerliche
Verwickelungen erfahren hat, wie die Wallenſtein-Frage. Und wir
brauchen dabei gar nicht an die Frage nach der „Schuld“ Wallen—
ſteins zu denken, die ſich einer eigentlichen Entſcheidung ohnehin
entzieht, ſondern nur an das rein Thatſächliche, welches doch feſt—
geſtellt ſein müßte, bevor ſich auch nur der einzelne für ſich ſelbſt
ein Urteil zu bilden vermag. Da iſt es nun faſt beſchämend,
daß die Arbeit von drei Generationen, die ſich bemüht haben, das
wiſſenſchaftliche Gegenſtück zu Schillers unvergänglichem poetiſchen
1
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ꝛc., 1887. Heft I.
Von
H. von Zwiedinech-Hüdenhorſt.
Daß alles menſchliche Wiſſen Stückwerk iſt, und daß ſich ein
Forſcher nur dann zu der Meinung verſteigen könne, etwas Fer⸗
tiges, für alle Zeiten Abgeſchloſſenes erreicht oder unumſtößliche
Beweiſe aufgeſtellt zu haben, wenn er über einen beſonders aus—
giebigen Vorrat von — Zuverſicht und Selbſtvertrauen ver—
fügt, davon hat ſich noch jeder überzeugen können, der geneigt
war, gegen ſich und die Welt ehrlich zu ſein. In der gelehrten
Litteratur treten ſtets von neuem Erſcheinungen auf, welche die
Fehlbarkeit von akademiſchen oder nicht-akademiſchen „Autoritäten“
aller Rangſtufen in unerwartet helles Licht ſtellen und uns die
Schwierigkeit, zur Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen, beſonders
fühlbar machen. , In Erwägung deſſen thuͤn wir gewiß immer
ſehr wohl daran, wenn wir die Unvollkommenheit ſchon vor—
handener Leiſtungen ruhig anerkennen, uns aber auch hüten, die
Ausbeute an neuen Entdeckungen zum Anlaſſe allzuweitgehender
Verſprechungen und Behauptungen zu machen. Ganz beſonders
empfiehlt ſich dieſe Vorſicht, wenn wir an die Erörterung einer
Frage herantreten, die ſchon ſo viele Löſungen und neuerliche
Verwickelungen erfahren hat, wie die Wallenſtein-Frage. Und wir
brauchen dabei gar nicht an die Frage nach der „Schuld“ Wallen—
ſteins zu denken, die ſich einer eigentlichen Entſcheidung ohnehin
entzieht, ſondern nur an das rein Thatſächliche, welches doch feſt—
geſtellt ſein müßte, bevor ſich auch nur der einzelne für ſich ſelbſt
ein Urteil zu bilden vermag. Da iſt es nun faſt beſchämend,
daß die Arbeit von drei Generationen, die ſich bemüht haben, das
wiſſenſchaftliche Gegenſtück zu Schillers unvergänglichem poetiſchen
1
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ꝛc., 1887. Heft I.