Die epitaphiſchen KReden der alten Athener.
Von
Friedrich Hchmidt.
Doch ſtehſt du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,
In deiner Vorzeit heil'gem Siegerglanz:
Vergiß die treuen Toten nicht und ſchmücke
Auch unſre Urne mit dem Eichenkranz.
Kein Volk verſtand es beſſer, den Rat, den Theodor Körner
in oben ſtehenden Worten dem deutſchen Volk ans Herz legt, zu
befolgen als das atheniſche. Iſt es ſchon eine heilige Pflicht, alle
Geſtorbenen zu ehren, ſo tritt das Bewußtſein dieſer Verpflichtung
gewiß denen gegenüber am lebhafteſten hervor, die im Kampfe
für des Vaterlandes Ehre und Freiheit anderen zum Vorteil ihr
Leben geopfert haben. Gilt ja doch die Ehre, die man ihnen zollt,
nicht nur als eine Art von Erſatz für das entriſſene Leben und
als ein Troſt für die Hinterbliebenen, ſondern auch als ein Mittel,
die Opferwilligkeit aller in den Krieg Ziehenden zu ſteigern, indem
man ihnen Ehren in Ausſicht ſtellt, wie ſie ihnen unter anderen
Umſtänden nicht wohl zu teil würden.
In welcher Weiſe das Volk der alten Athener ſeine im Kriege
gefallenen Kämpfer ehrte, beſchreibt uns der atheniſche Geſchicht—
ſchreiber Thukydides in folgender Weiſe:
„Die Gebeine der Verſtorbenen werden drei Tage lang in
einem Zelte öffentlich ausgeſtellt, und jeder bringt dem Seinigen
dar, was er etwa noch darzubringen hat. Wenn dann das Leichen—
begängnis ſtattfinden ſoll, ſo führen Wagen, und zwar für jeden
Stamm einer (alſo im ganzen zehn), Gefäße von Cypreſſenholz,
in denen ſich die Gebeine der Angehörigen der einzelnen Stämme
befinden. Jeder Bürger oder Fremde, welcher mitgehen will, be—
gleitet den Zug, und auch die angehörigen Frauen ſind bei der
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 20., 1887. Heft VIII. 37
Von
Friedrich Hchmidt.
Doch ſtehſt du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,
In deiner Vorzeit heil'gem Siegerglanz:
Vergiß die treuen Toten nicht und ſchmücke
Auch unſre Urne mit dem Eichenkranz.
Kein Volk verſtand es beſſer, den Rat, den Theodor Körner
in oben ſtehenden Worten dem deutſchen Volk ans Herz legt, zu
befolgen als das atheniſche. Iſt es ſchon eine heilige Pflicht, alle
Geſtorbenen zu ehren, ſo tritt das Bewußtſein dieſer Verpflichtung
gewiß denen gegenüber am lebhafteſten hervor, die im Kampfe
für des Vaterlandes Ehre und Freiheit anderen zum Vorteil ihr
Leben geopfert haben. Gilt ja doch die Ehre, die man ihnen zollt,
nicht nur als eine Art von Erſatz für das entriſſene Leben und
als ein Troſt für die Hinterbliebenen, ſondern auch als ein Mittel,
die Opferwilligkeit aller in den Krieg Ziehenden zu ſteigern, indem
man ihnen Ehren in Ausſicht ſtellt, wie ſie ihnen unter anderen
Umſtänden nicht wohl zu teil würden.
In welcher Weiſe das Volk der alten Athener ſeine im Kriege
gefallenen Kämpfer ehrte, beſchreibt uns der atheniſche Geſchicht—
ſchreiber Thukydides in folgender Weiſe:
„Die Gebeine der Verſtorbenen werden drei Tage lang in
einem Zelte öffentlich ausgeſtellt, und jeder bringt dem Seinigen
dar, was er etwa noch darzubringen hat. Wenn dann das Leichen—
begängnis ſtattfinden ſoll, ſo führen Wagen, und zwar für jeden
Stamm einer (alſo im ganzen zehn), Gefäße von Cypreſſenholz,
in denen ſich die Gebeine der Angehörigen der einzelnen Stämme
befinden. Jeder Bürger oder Fremde, welcher mitgehen will, be—
gleitet den Zug, und auch die angehörigen Frauen ſind bei der
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 20., 1887. Heft VIII. 37