DOI article:
Prutz, Hans: Sociale Bewegungen im Mittelalter
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0251
Sociale Bewegungen im Mittelalter.
Von
Hans Vrutz.
Unſere Zeit ſteht in dem Zeichen der ſocialen Frage. Die
Fülle ſchwieriger Probleme und weitausſehender Reformpläne, die
wir unter dieſem Schlagworte zu begreifen gewohnt ſind, bildet
den vornehmſten Inhalt der großen Kulturarbeit, welche das
gegenwärtige Geſchlecht in der Geſtaltung ſeines wirtſchaftlichen
Lebens und der Vervollkommnung ſeiner geſellſchaftlichen Verhältniſſe
zu leiſten hat, von der es aber nach menſchlicher Vorausſicht wohl
noch das beſte Stück unerledigt den künftigen Generationen wird
überlaſſen müſſen. Und dennoch thäte man unrecht, wollte man
annehmen, daß unſere Zeit in dieſer Hinſicht ihrem ganzen Weſen
nach von allen anderen verſchieden ſei und in der Entwickelung
der Menſchheit, ſoweit wir ſie rückwärts zu überſchauen vermögen,
völlig vereinzelt und ohne ihresgleichen daſtehe. Vielmehr kann
man getroſt behaupten, daß die ſociale Frage ziemlich ſo alt iſt,
wie das Menſchengeſchlecht, wenn ſie auch, dem allmählichen Wandel
desſelben folgend, zu verſchiedenen Zeiten verſchiedene Geſtalten
angenommen hat, indem von den eng verſchlungenen Problemen,
die ſie ausmachen, je nach den beſonderen Zeitverhältniſſen bald
dieſes, bald jenes ſtärker betont und in den Vordergrund des
Intereſſes gerückt wurde. Je mehr ſich nämlich ein Volk im
Fortgang ſeiner Entwickelung von den einfachen, in ihrer Natur—
bedingtheit wurzelnden Zuſtänden ſeiner Anfänge entfernt, je mehr
ſich die wirtſchaftlichen Verhältniſſe, die auf ſeine ſtaatlichen und
geſellſchaftlichen Ordnungen einwirken, vermannigfachen und kom—
plizieren, um ſo größere Ungleichheiten treten zwiſchen den in ihm
vereinigten wirtſchaftlichen und geſellſchaftlichen Intereſſenkreifen
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 26 1887 Heft IV. 16
Von
Hans Vrutz.
Unſere Zeit ſteht in dem Zeichen der ſocialen Frage. Die
Fülle ſchwieriger Probleme und weitausſehender Reformpläne, die
wir unter dieſem Schlagworte zu begreifen gewohnt ſind, bildet
den vornehmſten Inhalt der großen Kulturarbeit, welche das
gegenwärtige Geſchlecht in der Geſtaltung ſeines wirtſchaftlichen
Lebens und der Vervollkommnung ſeiner geſellſchaftlichen Verhältniſſe
zu leiſten hat, von der es aber nach menſchlicher Vorausſicht wohl
noch das beſte Stück unerledigt den künftigen Generationen wird
überlaſſen müſſen. Und dennoch thäte man unrecht, wollte man
annehmen, daß unſere Zeit in dieſer Hinſicht ihrem ganzen Weſen
nach von allen anderen verſchieden ſei und in der Entwickelung
der Menſchheit, ſoweit wir ſie rückwärts zu überſchauen vermögen,
völlig vereinzelt und ohne ihresgleichen daſtehe. Vielmehr kann
man getroſt behaupten, daß die ſociale Frage ziemlich ſo alt iſt,
wie das Menſchengeſchlecht, wenn ſie auch, dem allmählichen Wandel
desſelben folgend, zu verſchiedenen Zeiten verſchiedene Geſtalten
angenommen hat, indem von den eng verſchlungenen Problemen,
die ſie ausmachen, je nach den beſonderen Zeitverhältniſſen bald
dieſes, bald jenes ſtärker betont und in den Vordergrund des
Intereſſes gerückt wurde. Je mehr ſich nämlich ein Volk im
Fortgang ſeiner Entwickelung von den einfachen, in ihrer Natur—
bedingtheit wurzelnden Zuſtänden ſeiner Anfänge entfernt, je mehr
ſich die wirtſchaftlichen Verhältniſſe, die auf ſeine ſtaatlichen und
geſellſchaftlichen Ordnungen einwirken, vermannigfachen und kom—
plizieren, um ſo größere Ungleichheiten treten zwiſchen den in ihm
vereinigten wirtſchaftlichen und geſellſchaftlichen Intereſſenkreifen
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 26 1887 Heft IV. 16