Lord Byron.
Oh mon Dieu, qu'il est beau! riefen die Frauen, wenn ſie ihn ſahen,
aber auch die Männer konnten ſich bewundernder Ausrufe: „welche Stirne,
wie groß und doch ſo beweglich!“ nicht enthalten. Und wenn er zu ſprechen
begann, da ging wieder Bewegung durch die Geſellſchaft, denn ſeine Stimme
war von bezauberndem Wohlklang, d'une beaute phenomenale; ſelbſt den
Kindern fiel es auf und ſie nannten ihn „den Herrn mit der ſchönen Stimme“.
Marmorbläſſe bedeckte ſeine ſchmalen Wangen, kurze Locken ringelten ſich um
den Kopf, große Augen wurden von langen Wimpern bedeckt, ſeine Lippen
waren ſchwellend, aber bartlos, und da er überdies etwas unbeholfen ſich be—
wegte, war man verſucht, ihn für ein verkleidetes Frauenzimmer zu halten.
Dieſer Verdacht wurde zudem durch ſein Benehmen erhöht, er kokettierte nach
allen Seiten, es ſchien ihm nicht zu genügen, daß man ihn beachtete, er wollte
auffallen. Wie ſeine Kleidung von modernſtem Schnitte war, wie alles an
ihm den vollendeten Dandy verriet, ſo zeigte doch ein gewiſſer Ueberfluß an
Schmuck, die Art, mit welcher er ſeine kleinen ariſtokratiſchen Hände bewegte,
damit ſie gewiß bemerkt würden, ſein ganzes Behaben, wie ſelbſtbewußt und
eitel er war. Ja wer ihn nicht kannte, war verſucht ihn einen Gecken zu
nennen.
Und doch war Lord Byrons Eitelkeit pſychologiſch leicht zu erklären: er
wollte auffallen, damit hierdurch ein Leiden verdeckt würde, das er ſchwerer
trug als nötig war. Dieſer Apollokopf, dieſe ſchöne Geſtalt ruhte auf lahmen
Beinen, welche beim Gehen ihren Dienſt nur widerwillig und für kurze Zeit
thaten. Freilich empfand er dieſen Mangel viel mehr, als ihn andere be—
merkten, er hielt ſich für the Deformed und trug dies Bewußtſein um ſo
ſchwerer, als er ſeine Vorzüge ſelbſt am genaueſten kannte. Wie ein Fluch
verfolgte ihn ſeine Lahmheit; ſchon in ſeiner Jugend war es ihm entſetzlich
geweſen, wenn ihn ſeine Mutter einen „lahmen Hund“ ſchimpfte. Schon früh
verbitterte ihm dies ſein Daſein; auch war alles danach angethan, ihn von
Kindheit auf in zwieſpältigen Gefühlen zu quälen. Er war aus einer hoch⸗
ariſtokratiſchen Familie, ſeine Mutter war mit den Stuarts verwandt, aber
kümmerlich friſteten ſie ihr Daſein von den kleinen Vermögensreſten, die ſein
Vater nicht durchgebracht hatte. Von ferne winkte die Pärie und trotzdem
war ſeine Erziehung keineswegs ſtandesgemäß. Erzogen wurde freilich nicht
viel an ihm, er wuchs eben auf, einmal prügelte ihn ſeine Mutter, dann wieder
Oh mon Dieu, qu'il est beau! riefen die Frauen, wenn ſie ihn ſahen,
aber auch die Männer konnten ſich bewundernder Ausrufe: „welche Stirne,
wie groß und doch ſo beweglich!“ nicht enthalten. Und wenn er zu ſprechen
begann, da ging wieder Bewegung durch die Geſellſchaft, denn ſeine Stimme
war von bezauberndem Wohlklang, d'une beaute phenomenale; ſelbſt den
Kindern fiel es auf und ſie nannten ihn „den Herrn mit der ſchönen Stimme“.
Marmorbläſſe bedeckte ſeine ſchmalen Wangen, kurze Locken ringelten ſich um
den Kopf, große Augen wurden von langen Wimpern bedeckt, ſeine Lippen
waren ſchwellend, aber bartlos, und da er überdies etwas unbeholfen ſich be—
wegte, war man verſucht, ihn für ein verkleidetes Frauenzimmer zu halten.
Dieſer Verdacht wurde zudem durch ſein Benehmen erhöht, er kokettierte nach
allen Seiten, es ſchien ihm nicht zu genügen, daß man ihn beachtete, er wollte
auffallen. Wie ſeine Kleidung von modernſtem Schnitte war, wie alles an
ihm den vollendeten Dandy verriet, ſo zeigte doch ein gewiſſer Ueberfluß an
Schmuck, die Art, mit welcher er ſeine kleinen ariſtokratiſchen Hände bewegte,
damit ſie gewiß bemerkt würden, ſein ganzes Behaben, wie ſelbſtbewußt und
eitel er war. Ja wer ihn nicht kannte, war verſucht ihn einen Gecken zu
nennen.
Und doch war Lord Byrons Eitelkeit pſychologiſch leicht zu erklären: er
wollte auffallen, damit hierdurch ein Leiden verdeckt würde, das er ſchwerer
trug als nötig war. Dieſer Apollokopf, dieſe ſchöne Geſtalt ruhte auf lahmen
Beinen, welche beim Gehen ihren Dienſt nur widerwillig und für kurze Zeit
thaten. Freilich empfand er dieſen Mangel viel mehr, als ihn andere be—
merkten, er hielt ſich für the Deformed und trug dies Bewußtſein um ſo
ſchwerer, als er ſeine Vorzüge ſelbſt am genaueſten kannte. Wie ein Fluch
verfolgte ihn ſeine Lahmheit; ſchon in ſeiner Jugend war es ihm entſetzlich
geweſen, wenn ihn ſeine Mutter einen „lahmen Hund“ ſchimpfte. Schon früh
verbitterte ihm dies ſein Daſein; auch war alles danach angethan, ihn von
Kindheit auf in zwieſpältigen Gefühlen zu quälen. Er war aus einer hoch⸗
ariſtokratiſchen Familie, ſeine Mutter war mit den Stuarts verwandt, aber
kümmerlich friſteten ſie ihr Daſein von den kleinen Vermögensreſten, die ſein
Vater nicht durchgebracht hatte. Von ferne winkte die Pärie und trotzdem
war ſeine Erziehung keineswegs ſtandesgemäß. Erzogen wurde freilich nicht
viel an ihm, er wuchs eben auf, einmal prügelte ihn ſeine Mutter, dann wieder