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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Jentsch, Karl: Ein Beitrag zur Geschichte der Hörigkeit in Mittelitalien
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0403

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Gin Heitrag zur Geſchichte der Hürigkeit in Mittelitalien.

Welche Verdienſte ſich die italieniſchen Städte um die Ueberwindung des
Feudalismus erworben haben, iſt bekannt. Drei treibende Kräfte wirkten zu—
ſammen: 1. Religiöſe Erwägungen jener Art, wie ſie, in pauliniſchen
Worten (I. Kor. 7, 21. 22; Gal. 3, 28; Epheſ. 6, 5—9; Brief an Philemon)
wurzelnd, von einzelnen Kirchenvätern! eifrig gepflegt und erſt dann in der
Kirche vergeſſen wurden, als die hohe Geiſtlichkeit, ganz in feudale und fürſt—
liche Intereſſen verwickelt, ihren Beruf aus den Augen verlor. Sowohl in den
Freilaſſungsurkunden ſklavenbeſitzender Privatleute wie in den Geſetzen der
Republiken tritt der religiöſe Geſichtspunkt in den Vordergrund. 2. Das
Streben der Stadtgemeinden, die Landſchaft zu unterwerfen. Hierzu
genügte es nicht, daß man einen Baron beſiegte und zum Eintritt in das Ge—
meinweſen zwang; ſolange ſeine Bauern im Hörigkeitsverhältniſſe blieben, mußte
man gewärtigen, daß er ſich in einer Fehde zu den Feinden der Stadt ſchlage
und ſeine Mannen gegen dieſe aufbiete. Wollte man der Landſchaft, des con—
tado, ſicher ſein, ſo mußten die contadini durch ihr eigenes Intereſſe an die
Stadt gefeſſelt und halbe cittadini werden. 3. Die Induſtrie. Je mehr
dieſelbe aufblühte, deſto dringender bedurfte man des ſtetigen Zufluſſes von
Arbeitern. Denn die Stadtbevölkerungen jener Zeit vermehrten ſich nur wenig
aus eigener Kraft; die ewigen inneren Unruhen und äußeren Kriege forderten
unaufhörlich Menſchenopfer; von dem, was wir heute Hygiene nennen, blühte
überall das Gegenteil, peſtartige Krankheiten dezimierten die Bevölkerung in
periodiſcher Wiederkehr; ein Teil der Bürgerſchaft war beſtändig in Geſchäften,
auf diplomatiſchen Sendungen oder kriegeriſchen Expeditionen unterwegs, und
das Reiſen war damals aufreibend; dazu das Cölibat ſo zahlreicher Geiſtlichen
und Mönche, eine Lockerheit der Sitten, welche die Ehe und die eheliche Frucht—
barkeit nicht begünſtigte. Darum mußte die bäuerliche Bevölkerung von der
Scholle gelöſt werden. Das Studium dieſes Befreiungsprozeſſes und der Rück—
ſchläge, die er erfahren hat, iſt für unſere Zeit um ſo wichtiger, als ſich heut—
zutage die Schwierigkeiten, in welche die damaligen Bürgerſchaften ſich durch
den Fortſchritt der Induſtrie verwickelten, im koloſſalen Maßſtabe wiederholen;

Namentlich Johannes Chryſoſtomus; einige ſchöne Stellen aus ſeinen Predigten, welche
dieſen Punkt betreffen, ſtellt Möhler in ſeinen „Bruchſtücken aus der Geſchichte der Aufhebung der
Sklaverei“ zuſammen: „Geſammelte Schriften und Aufſätze“ II, 89 ff.
 
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