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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Egelhaaf, Gottlob: Karl V. und Luthers Aufenthalt auf der Wartburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0083

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Karl V. und Tuthers Aufenthalt auf der Wartburg, *

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Friedrich der Weiſe anfänglich
ſich von der Berufung Luthers nach Worms einen guten Erfolg verſprochen
hat: ſonſt würde der Nachdruck, mit dem er von Anfang an dafür eingetreten
iſt, nicht verſtändlich ſein. Er kannte die erbitterte Stimmung, welche unter
den Ständen des Reichs gegen Rom herrſchte; auch mochte er mit Grund an—
nehmen, daß Kaiſer Karl nicht ſonderlich geneigt ſein würde, dieſer Stimmung
einen Dämpfer aufzuſetzen und ſich der Kurie anzunehmen. Indem eine per—
ſönliche Berührung zwiſchen Luther, den Ständen und dem Kaiſer ſtattfand,
konnten ſich die gemeinſamen Geſichtspunkte in den Vordergrund ſchieben; ein
Teil konnte etwas von dem anderen annehmen, ein Teil mäßigenden Einfluß
auf den anderen gewinnen und ſo ſich am Ende ein Zuſammengehen aller in
Betracht kommenden Faktoren bilden.

Die Rechnung hatte ſich als falſch erwieſen; zwei Faktoren, der Kaiſer und
Luther, hatten ſich, jeder freilich aus anderen Beweggründen, dem Zuſammen—
gehen verſagt. Die Stände des Reichs waren allein auf dem Plan geblieben,
und in die Wahl geſtellt zwiſchen Luther und dem Kaiſer, hatten ſie vorläufig
nicht im Zweifel ſein können, wohin ſie ſich zu ſchlagen hätten. „Nicht nur
Hannas und Kaiphas,“ ſagte Friedrich der Weiſe — d.h. nicht nur die Prieſter —
„ſondern auch Herodes und Pilatus“ — d. h. Kaiſer und Stände — „ſind
gegen Luther; davor will nichts helfen; es ſteht bei Gott, er wird es ohne
Zweifel wohl ſchicken.“

Es war dies der Standpunkt, den auch Luther in Worms dem Kurfürſten
von Trier gegenüber entwickelt hatte, als derſelbe in ihn drang, er ſolle nach—
geben. „Iſt mein Rat oder Werk aus Menſchen, ſo wird's untergehen; iſt's
aber aus Gott, ſo könnt ihr's nicht dämpfen.“ Sei ſein Beginnen nicht aus
Gott, hatte er geſagt, ſo wiſſe er gewiß, daß es binnen drei, vielleicht ſchon
binnen zwei Jahren gewiß untergehen werde.

Es handelte ſich alſo lediglich darum, ob man der Bewegung, welche jetzt
ganz Deutſchland erfüllte, Zeit ließ, ſich in ihrem waͤhren Weſen zu enthüllen,
oder ob man ihr ſofort mit Gewalt ein Ende bereitete, worauf möglicherweiſe nur
neue, noch konvulſiviſchere Zuckungen erfolgten. Wir wiſſen, daß der Kurfürſt von
Natur aller Vergewaltigung in religiöſen Dingen abgeneigt war; die Anſicht
Luthers, daß hier der Erfolg ſelbſt Richter ſein müſſe, daß ein in ſich ungerecht⸗

Bruchſtück aus des Verfaſſers „Deutſche Geſchichte im ſechzehnten Jahrhundert“, deren erſter
Band im laufenden Jahr als Titel der „Bibliothek deutſcher Geſchichte? bei J. G. Cotta er—
ſcheinen wird.
 
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