Das geiſtige Ieben Neapels in den letzten Jahrhunderken,
vornehmlich im achhzehnten.
Vortrag, gehalten bei der Goethefeier in Neapel
am 25. Februar 1887
von
A. Holm.
Wer ſich kürzere Zeit am lachenden Ufer dieſes Golfes auf—
hält, kommt nur zu leicht dazu, Neapel nur als den Ort der Er—
holung, ja des Vergnügens zu betrachten. Der Fremde kommt
hierher von Rom — geſättigt, ja ermüdet von Sammlungen und
Muſeen, die er pflichtgemäß und mit Nutzen durchgemacht hat;
er hat geſehen, was er ſehen mußte, oder wenigſtens einen großen
Teil desſelben; er hat im wahren Sinne des Wortes gearbeitet.
Hier in Neapel tritt ihm die Natur entgegen in ihrem vollen
Glanze, das italieniſche Volk in ſeinem ganzen lärmenden Ueber—
mute; ſelbſt die Kunſt iſt eine andere als die, welche man in
Rom bewunderte; es iſt die heitere Kunſt von Pompeji und Her—
kulaneum, die nicht erhabenen Ideen zu dienen ſcheint, ſondern dem
anmutigen Genuſſe. Hier will man nicht mehr lernen, arbeiten —
man will genießen. Und man thut es, ſo gut man kann; und
man iſt erzürnt, wenn das Wetter einmal ſchlecht iſt — denn dann
wird der Aufenthalt in Neapel für den Reiſenden ein Zeitver—
luſt. In dieſem Falle ärgert man ſich über alles, über den Schmutz
der Straßen, über die Menſchen, deren Luſtigkeit dann als Frech—
heit erſcheint; ſelbſt die Kunſt verfehlt ihren Eindruck, denn ſie
will durch bie Sonne ergänzt ſein.
Wenn wir das berückſichtigen, iſt es eigen, daß wir Goethe
nur in Neapel, von allen Städten, die er in Italien beſuchte,
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ꝛc., 1887. Heft V. Dl
vornehmlich im achhzehnten.
Vortrag, gehalten bei der Goethefeier in Neapel
am 25. Februar 1887
von
A. Holm.
Wer ſich kürzere Zeit am lachenden Ufer dieſes Golfes auf—
hält, kommt nur zu leicht dazu, Neapel nur als den Ort der Er—
holung, ja des Vergnügens zu betrachten. Der Fremde kommt
hierher von Rom — geſättigt, ja ermüdet von Sammlungen und
Muſeen, die er pflichtgemäß und mit Nutzen durchgemacht hat;
er hat geſehen, was er ſehen mußte, oder wenigſtens einen großen
Teil desſelben; er hat im wahren Sinne des Wortes gearbeitet.
Hier in Neapel tritt ihm die Natur entgegen in ihrem vollen
Glanze, das italieniſche Volk in ſeinem ganzen lärmenden Ueber—
mute; ſelbſt die Kunſt iſt eine andere als die, welche man in
Rom bewunderte; es iſt die heitere Kunſt von Pompeji und Her—
kulaneum, die nicht erhabenen Ideen zu dienen ſcheint, ſondern dem
anmutigen Genuſſe. Hier will man nicht mehr lernen, arbeiten —
man will genießen. Und man thut es, ſo gut man kann; und
man iſt erzürnt, wenn das Wetter einmal ſchlecht iſt — denn dann
wird der Aufenthalt in Neapel für den Reiſenden ein Zeitver—
luſt. In dieſem Falle ärgert man ſich über alles, über den Schmutz
der Straßen, über die Menſchen, deren Luſtigkeit dann als Frech—
heit erſcheint; ſelbſt die Kunſt verfehlt ihren Eindruck, denn ſie
will durch bie Sonne ergänzt ſein.
Wenn wir das berückſichtigen, iſt es eigen, daß wir Goethe
nur in Neapel, von allen Städten, die er in Italien beſuchte,
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ꝛc., 1887. Heft V. Dl