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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Mayr-Deisinger, Karl: Georg Stobäus, Bischof von Lavant: 1585-1618. Ein Charakterbild aus der Restaurationszeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0136

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126 Georg Stobäus, Biſchof von Lavant.

„Ihr guten Götter,“ rief er ſpäter einmal aus, „in welchem Zu—
ſtande erhielt ich meine Diözeſe; wie elend und mißgeſtaltet war
ſie! Heiliges und Profanes lag darnieder, das Volk war wie zu
Gomorrha, die Geiſtlichkeit ketzeriſch, nirgends ein Katholik, ſo
daß meine Provinz mehr einem Ungeheuer als einem Bistum
gleichſah.“ In der That ſtand es in Inneröſterreich ſchlimm. Der
Adel war beinahe ausnahmslos proteſtantiſch und hielt auf ſeinen
Schlöſſern lutheriſchen Gottesdienſt; die Bauern aber liefen haufen—
weiſe zu den Predigten der Prädikanten, während die Pfarrer,
verſunken in üppige Trägheit und Gleichgültigkeit, vom Katholi—
zismus kaum mehr als den Namen übrig hatten. Wollte man
wirklich einmal von Salzburg aus dem Proteſtantismus entgegen—
wirken, ſo leiſteten ſogar die Prälaten, denen natürlicherweiſe der
Hauptanteil an der Reformation zugefallen wäre, hartnäckigen Wider—
ſtand und zwar, wie Johann Baptiſt Fickler, ein eifrig kirchlicher
Mann jener Tage, ſagt, aus Furcht, man werde nach Ausrottung
der Ketzerei auch ihrem laſterhaften Leben ein Ende zu machen
verſuchen. Mitten in dieſe Verhältniſſe warf nun den heißblütigen
Mann der Wille ſeiner Obern und der eigene Wunſch.

Nach der Auffaſſung ſeiner Zeit und Partei entſprach auch
des neuen Biſchofs Naturanlage und das Maß ſeines Wiſſens
allen Anforderungen, die man für ein ſolches Amt in den leiten—
den Kreiſen der Reſtaurationsbewegung ſtellte.

Im Collegium Germanicum hatte er ſich mancherlei Kenntniſſe
erworben. Vor allem war er ein trefflich geübter theologiſcher
Dialektiker. Mit Sicherheit beherrſchte er die alten und die neuen
kirchlichen Schriftſteller, den Auguſtinus und die Kirchenväter ſo
gut wie den Jeſuiten Franziskus Ribera. Ueber Detailfragen
wußte er zu ſprechen wie der gelehrteſte Fachmann. Mit ſeinem
bilderreichen Latein voll wirkſamer Antitheſen, zahlreicher Kontraſte
und dialektiſcher Fechterſtücklein mochte er ſeinen untergebenen
Geiſtlichen und vielen, die mit ihm verkehrten, imponiert haben.
Wie ein Nachhall aus der blühenden Zeit der Renaiſſance berührt
uns in ſeinem Stil die auffallende Miſchung heidniſcher und
chriſtlicher Wendungen, wenn er beiſpielsweiſe einen Kavalier am
Hofe Ferdinand II. von Tirol, einen Herrn von Schrattenbach,
nicht etwa in ſpaßhafter Uebertreibung, ſondern im vollen Ernſt
einen „Sohn der Glücksgöttin“ und den „Augapfel Jupiters“
nennt, oder wenn er ein andermal ſagt: „Die Parteien in Polen
ſind wie die Köpfe der lernäiſchen Hydra, aber Gott wird eine
ſolche verderbliche Peſt nicht länger dulden, ſondern ſie bald kopf—
über in den Styr werfen.“ Pathos war ſeine Natur; ihr gab
 
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