Georg Stobäus, Biſchof von Lavant. 135
ſeiner Jugend habe er den Cicero nach kurzer Beſchäftigung
beiſeite geworfen, weil er ſeine eigene Beredtſamkeit höher
ſchätzte als jene des Römers und ſich ſchlauer dünkte als ein
Fuchs. Den Wiſſenſchaften ſei er aus dem Wege gegangen wie
Schlangen. Sein ganzes Studium habe ſich auf einige Para—
graphen des Jus canonicum über die Aufgaben, Rechte und Wür—
den eines Biſchofs erſtreckt. Von Rhetorik und Dialektik ver—
ſtehe er gar nichts, und wenn nicht gerade ſtaatliche Be—
ratungen ſeine Laune oder Neugier feſſelten, ſo verlege er ſich
auf den Fiſchfang, gehe zur Jagd oder mache weite Ritte, bei
trübem Wetter übe er ſich zu Hauſe als Maler, Goldſchläger und
Truhenmacher. Einem ſolch unreifen, zu ernſter Arbeit unluſtigen
Jüngling wünſchte Ferdinand einen tüchtigen Berater und er—
fahrenen Praktiker in der Perſon ſeines ehemaligen Statthalters
an die Seite zu ſtellen. Nach längerem Zögern entſchloß ſich
Stobäus trotz ſeines Alters das mühevolle Amt vorläufig auf ein
Jahr zu übernehmen.
Am Weihnachtsabend des Jahres 1609 traf er in Neiſſe,
dem Sitz des jungen Biſchofs, ein. Nun war dem Lavanter
Biſchof zum drittenmal in ſeinem Leben Gelegenheit geboten,
ſeine Ideale zu verwirklichen. Es fehlte dem rüſtigen Greiſe,
der ſich wieder erholt hatte, weder an Mut noch an That—
kraft. Aber die Verhältniſſe erwieſen ſich ſtärker, als ſein Wille.
Die Reſtauration ging nur ſchrittweiſe und äußerſt langſam vor.
Denn in Schleſien waren die Umſtände doch weit anders geartet
als in Inneröſterreich. In Graz brauchte er in der Wahl der
Mittel nicht eben beſondere Bedenken zu haben: half Milde und
Ueberredung nichts, ſo griff er zur Liſt, und führte auch dieſe
nicht zum Ziel, ſo durfte er ungeſcheut die Gewalt in Anſpruch
nehmen. Aber in Schleſien hatte er eine Menge ſtolzer, prote—
ſtantiſcher Magnaten vor ſich, deren Macht jener des Biſchofs
zum mindeſten gleichkam. Stobäus hätte alles aufs Spiel geſetzt,
wollte er hier von der weltlichen Gewalt allzu ſtarken Gebrauch
machen. Er mußte daher ſeinen Grimm verbergen und ſeinen
geſchworenen Feinden ununterbrochen mit diplomatiſcher Höflichkeit
begegnen. Das war auf die Dauer nicht die Sache des Lavanter
Biſchofs. Als daher ein Jahr verfloſſen war, bat er um ſeine
Entlaſſung. Wie der Hirſch nach dem Schatten, ſchrieb er an
Erzherzog Ferdinand, und der Taglöhner nach dem Ende ſeiner
Arbeit, ſo ſehne er ſich nach der Ruhe des Körpers und Geiſtes.
Im Ueberdruß an der Lage der ſchleſiſchen Dinge und von dem
Wunſche beſeelt, Neiſſe möglichſt bald den Rücken kehren zu dürfen,
ſeiner Jugend habe er den Cicero nach kurzer Beſchäftigung
beiſeite geworfen, weil er ſeine eigene Beredtſamkeit höher
ſchätzte als jene des Römers und ſich ſchlauer dünkte als ein
Fuchs. Den Wiſſenſchaften ſei er aus dem Wege gegangen wie
Schlangen. Sein ganzes Studium habe ſich auf einige Para—
graphen des Jus canonicum über die Aufgaben, Rechte und Wür—
den eines Biſchofs erſtreckt. Von Rhetorik und Dialektik ver—
ſtehe er gar nichts, und wenn nicht gerade ſtaatliche Be—
ratungen ſeine Laune oder Neugier feſſelten, ſo verlege er ſich
auf den Fiſchfang, gehe zur Jagd oder mache weite Ritte, bei
trübem Wetter übe er ſich zu Hauſe als Maler, Goldſchläger und
Truhenmacher. Einem ſolch unreifen, zu ernſter Arbeit unluſtigen
Jüngling wünſchte Ferdinand einen tüchtigen Berater und er—
fahrenen Praktiker in der Perſon ſeines ehemaligen Statthalters
an die Seite zu ſtellen. Nach längerem Zögern entſchloß ſich
Stobäus trotz ſeines Alters das mühevolle Amt vorläufig auf ein
Jahr zu übernehmen.
Am Weihnachtsabend des Jahres 1609 traf er in Neiſſe,
dem Sitz des jungen Biſchofs, ein. Nun war dem Lavanter
Biſchof zum drittenmal in ſeinem Leben Gelegenheit geboten,
ſeine Ideale zu verwirklichen. Es fehlte dem rüſtigen Greiſe,
der ſich wieder erholt hatte, weder an Mut noch an That—
kraft. Aber die Verhältniſſe erwieſen ſich ſtärker, als ſein Wille.
Die Reſtauration ging nur ſchrittweiſe und äußerſt langſam vor.
Denn in Schleſien waren die Umſtände doch weit anders geartet
als in Inneröſterreich. In Graz brauchte er in der Wahl der
Mittel nicht eben beſondere Bedenken zu haben: half Milde und
Ueberredung nichts, ſo griff er zur Liſt, und führte auch dieſe
nicht zum Ziel, ſo durfte er ungeſcheut die Gewalt in Anſpruch
nehmen. Aber in Schleſien hatte er eine Menge ſtolzer, prote—
ſtantiſcher Magnaten vor ſich, deren Macht jener des Biſchofs
zum mindeſten gleichkam. Stobäus hätte alles aufs Spiel geſetzt,
wollte er hier von der weltlichen Gewalt allzu ſtarken Gebrauch
machen. Er mußte daher ſeinen Grimm verbergen und ſeinen
geſchworenen Feinden ununterbrochen mit diplomatiſcher Höflichkeit
begegnen. Das war auf die Dauer nicht die Sache des Lavanter
Biſchofs. Als daher ein Jahr verfloſſen war, bat er um ſeine
Entlaſſung. Wie der Hirſch nach dem Schatten, ſchrieb er an
Erzherzog Ferdinand, und der Taglöhner nach dem Ende ſeiner
Arbeit, ſo ſehne er ſich nach der Ruhe des Körpers und Geiſtes.
Im Ueberdruß an der Lage der ſchleſiſchen Dinge und von dem
Wunſche beſeelt, Neiſſe möglichſt bald den Rücken kehren zu dürfen,