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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Lautenbacher, Joseph: Ludwig Uhland
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0299

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Ludwig Uhland. 289

regſamen Knaben ſei geweſen, Philologie zu ſtudieren. Da aber
dieſes Studium damals noch ausſchließlich von Theologen betrieben
zu werden pflegte, ſo mochte es den Eltern als wenig erfolgreich
erſcheinen. Nahe lag es, das Studium der Arzneiwiſſenſchaft zu
ergreifen; ſein Oheim war ein geſuchter Arzt, deſſen Praxis ihm
allmählich hätte zufallen mögen. Endlich aber wurde für das
Studium der Rechte entſchieden. Ein beträchtliches Stipendium
war eben für einen Studenten der Theologie oder der Rechte er—
ledigt; Uhland hatte das nächſte Anrecht, wenn er ſich am Anfang
des kommenden Semeſters an der Hochſchule einſchrieb. Das ge—
ſchah am 3. Oktober 1801. Uhland ſtand damals zwiſchen dem
14. und 15. Lebensjahre. Das eigentliche Fachſtudium— jedoch
nahm er erſt 1805 auf. Die Zwiſchenzeit füllte er durch regen
Betrieb ſeiner Lieblingsſtudien aus. Die klaſſiſchen Autoren las
er auch außerhalb der Unterrichtszeit. Beſonders ſcheint ihn Seneca
beſchäftigt zu haben. Fördernde Anregung erhielt er von dem auch
als Dichter bekannten Philologen Conz, den er noch im Jahre 1830
vor ſeinen Hörern dankbar nennt. Mit Andacht folgte er Seybolds
Vergleichungen mittelalterlicher und homeriſcher Epik. Altdeutſche
und altnordiſche Poeſie wurden ihm bekannt. Die Lieder aus dem
alten Heldenbuche, beſonders das vom alten Hildebrand, machten
tiefen Eindruck auf ihn, die nordiſche Sagenwelt im Saxo Gram—
maticus trafen eine empfängliche Seele, der Waltharius und das
Nibelungenlied wirkten mächtig. Nun hatte er an dichteriſchen
Werken gefunden, was ihm gemäß war. Die friſchen Bilder und
Geſtalten mit dem tiefen Hintergrunde, der die Phantaſie beſchäf—
tigt und anſpricht, haben es ihm angethan ſein Leben lang. Nun
ſtanden ihm die Werke und Charaktere der Klaſſiker zu klar, zu
fertig da, nun war ihm alle neuere Poeſie zu rhetoriſch und ſchmuck—
reich. In der That hatte er wenig Einwirkung und Anregung
aus der Lektüre Schillers und Goethes empfangen. Sie wulden
beide in den ihn zunächſt umgebenden Kreiſen wenig geleſen. Erſt.
etwa um 1809 gab er ſich mehr als bisher der Lektüre der gleich—
zeitigen Schriftſteller hin, las die neuen Erſcheinungen des Goethe—
ſchen Genius, Jean Paul und auch Shakeſpeare, deſſen König
Lear namentlich großen Eindruck auf ihn machte. Goethes Taſſo
hat er erſt nach vollendetem dreißigſten Lebensjahre geleſen, und
Notter erinnert ſich keines einzigen bedeutenden Wortes, das er zu
ihm oder anderen über einen dieſer Modernen geſprochen hätte.
Dagegen vertiefte er ſich damals in „des Knaben Wunderhorn“,
in Herders Volkslieder, und erhielt dabei den Antrieb, ſich die
Kenntnis des Franzöſiſchen, Engliſchen, Spaniſchen und Nordiſchen

Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 20., 1887. Heft IV. 19
 
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