330 Das geiſtige Leben Neapels in den letzten Jahrhunderten.
großer Jäger, ein Fürſt der ſich um alles perſönlich bekümmerte,
ſehr rechtſchaffen. Von ſeinen Nachkommen iſt ihm keiner gleich⸗
gekommen, die unmittelbar ihm folgenden in Neapel und Spanien
ſind ſogar weit hinter ihm zurückgeblieben. Ferdinand von Neapel
hatte nur das Ausſehen und die Jagdliebe vom Vater. Karl
fand einen ſehr tüchtigen Miniſter in dem Toskaner Tanucci, den
er als Profeſſor der Jurisprudenz in Piſa kennen lernte, und
der auch unter Ferdinand II. Neapel regierte, bis er 1777 ent—
laſſen wurde. Auch er war ein Mann von ſonderbarem Ausſehen,
mit rieſigem Kopf, ſchwarzen buſchigen Augenbrauen, der Beſtechung
abſolut unzugänglich, gerecht, witzig. Das Beſtreben beider Männer
war dahin gerichtet, Mißbräuche aller Art abzuſchaffen, zumal
diejenigen, welche aus der Ueberwucherung der Privilegien der
Kirche über die Staatsgewalt hervorgingen Karl hat ſpäter in
Spanien das Werk der Reformen fortgeſetzt, in Uebereinſtimmung
mit dem Verfahren Pombals in Portugal. Seine wichtigſte
That war der Sturz des Jeſuitenordens, welchen auf Betrieb
Karls, der dabei eine ſeltene Energie entwickelte, die bourboniſchen
Höfe bewerkſtelligten. So ſind die Bourbons damals in den Dienſt
der Aufklärung getreten, welche, aus dem proteſtantiſchen England
hervorgegangen, in dem freigeiſteriſchen Frankreich ihre glänzendſte
Aeußerung gefunden hatte und nun auch von wirklich frommen
Fürſten und Staatsmännern, wie Karl und Tanucci, befördert wurde.
Man kann wohl ſagen, daß von 1734 bis zur franzöſiſchen
Revolution das Königreich Neapel in jeder Hinſicht auflebte. Und
das war keine fremd hineingetragene Blüte; fie ging aus der
eigenſten Natur des neapolitaniſchen Volkes hervor, das ſeine alte
Fruchtbarkeit an philoſophiſchen Köpfen noch in der letzten Zeit
wieder glänzend bewährt hatte. Die bedeuͤtenden Geiſter wan—
delten damals aber nicht auf den Pfaden eines Campanella oder
Bruno; ſie trieben hauptſächlich Jurisprudenz, welche freilich auch
gefährlich werden konnte. Der größte Genius von allen war
Giambattiſta Vico, deſſen Bedeutung von allen Nichtitalienern
zuerſt Goethe, hier in Neapel, erkannt hat. Er war geboren zu
Leapel 1668 als der Sohn eines unbemittelten Buchhändlers.
Er widmete ſich, ohne Prieſter zu werden — es war damals
ſelten, daß ein Gelehrter ſich dem entzog — dem Lehrfache und
ward Profeſſor der Rhetorik an der Univerſität Neapel, als noch
die Spanier und die Jeſuiten dort regierten. Er ſtarb 1748, hat
alſo von der neuen Aera nicht viel geſehen. Als Profeſſor der Rhe⸗
torik hat er viele Prunkreden auf öffentliche Perſönlichkeiten halten,
überhaupt vieles ſagen müſſen, was ihn ſelbſt nicht intereſſierte!
großer Jäger, ein Fürſt der ſich um alles perſönlich bekümmerte,
ſehr rechtſchaffen. Von ſeinen Nachkommen iſt ihm keiner gleich⸗
gekommen, die unmittelbar ihm folgenden in Neapel und Spanien
ſind ſogar weit hinter ihm zurückgeblieben. Ferdinand von Neapel
hatte nur das Ausſehen und die Jagdliebe vom Vater. Karl
fand einen ſehr tüchtigen Miniſter in dem Toskaner Tanucci, den
er als Profeſſor der Jurisprudenz in Piſa kennen lernte, und
der auch unter Ferdinand II. Neapel regierte, bis er 1777 ent—
laſſen wurde. Auch er war ein Mann von ſonderbarem Ausſehen,
mit rieſigem Kopf, ſchwarzen buſchigen Augenbrauen, der Beſtechung
abſolut unzugänglich, gerecht, witzig. Das Beſtreben beider Männer
war dahin gerichtet, Mißbräuche aller Art abzuſchaffen, zumal
diejenigen, welche aus der Ueberwucherung der Privilegien der
Kirche über die Staatsgewalt hervorgingen Karl hat ſpäter in
Spanien das Werk der Reformen fortgeſetzt, in Uebereinſtimmung
mit dem Verfahren Pombals in Portugal. Seine wichtigſte
That war der Sturz des Jeſuitenordens, welchen auf Betrieb
Karls, der dabei eine ſeltene Energie entwickelte, die bourboniſchen
Höfe bewerkſtelligten. So ſind die Bourbons damals in den Dienſt
der Aufklärung getreten, welche, aus dem proteſtantiſchen England
hervorgegangen, in dem freigeiſteriſchen Frankreich ihre glänzendſte
Aeußerung gefunden hatte und nun auch von wirklich frommen
Fürſten und Staatsmännern, wie Karl und Tanucci, befördert wurde.
Man kann wohl ſagen, daß von 1734 bis zur franzöſiſchen
Revolution das Königreich Neapel in jeder Hinſicht auflebte. Und
das war keine fremd hineingetragene Blüte; fie ging aus der
eigenſten Natur des neapolitaniſchen Volkes hervor, das ſeine alte
Fruchtbarkeit an philoſophiſchen Köpfen noch in der letzten Zeit
wieder glänzend bewährt hatte. Die bedeuͤtenden Geiſter wan—
delten damals aber nicht auf den Pfaden eines Campanella oder
Bruno; ſie trieben hauptſächlich Jurisprudenz, welche freilich auch
gefährlich werden konnte. Der größte Genius von allen war
Giambattiſta Vico, deſſen Bedeutung von allen Nichtitalienern
zuerſt Goethe, hier in Neapel, erkannt hat. Er war geboren zu
Leapel 1668 als der Sohn eines unbemittelten Buchhändlers.
Er widmete ſich, ohne Prieſter zu werden — es war damals
ſelten, daß ein Gelehrter ſich dem entzog — dem Lehrfache und
ward Profeſſor der Rhetorik an der Univerſität Neapel, als noch
die Spanier und die Jeſuiten dort regierten. Er ſtarb 1748, hat
alſo von der neuen Aera nicht viel geſehen. Als Profeſſor der Rhe⸗
torik hat er viele Prunkreden auf öffentliche Perſönlichkeiten halten,
überhaupt vieles ſagen müſſen, was ihn ſelbſt nicht intereſſierte!