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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Bauer, Adolf: Inschriften, Handschriften und neue Papyrusfunde
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0424

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414 Inſchriften, Handſchriften und neue Papyrusfunde.

ſind. Die Epigraphik hat wie die Paläographie die Entwickelung
der Schrift zum eigentümlichen Gegenſtand der Betrachtung, dafür
aber iſt das Material der Aufzeichnung gleichgültig. Auch die
Frage, ob der neuen Kunde aus den Inſchriften oder den bisher
vornehmlich benutzten litterariſchen Quellen der Vorzug zukomme,
ob die Wiedererkenntnis des Altertums von dieſen oder. jenen
auszugehen habe, iſt verſchieden beantwortet worden, obgleich ſie
im Ernſte nie hätte aufgeworfen werden ſollen.

Die Inſchriften haben uns die Vergangenheit der ägyptiſchen
und der altorientaliſchen Völker überhaupt erſt kennen, die Be—
richte der Griechen und Römer über dieſelben erſt recht verſtehen
gelehrt. Die griechiſchen und römiſchen Inſchriftſteine haben uns
Seiten im Leben dieſer Völker erſchloſſen, über die uns vorher
nichts bekannt war, weil die Litteraten für dieſelben kein Intereſſe
hatten. Sie haben aber auch das ſeit den Humaniſten immer
wieder durchgearbeitete Material zur Geſchichte, Sprache, Schrift
und Kultur von Hellas und Rom überall und für alle Zeiten
vermehrt, für manche Perioden überhaupt erſt ſolches geliefert; von
den Dialekten der griechiſchen Sprache hat man vor der Auf—
findung der Inſchriften ſo gut als nichts gewußt. Die Inſchriften
haben unſer Urteil über die litterariſche Tradition in vielen Fällen
berichtigt, häufig auch deren Angaben in erfreulicher Weife be—
ſtätigt und vervollſtändigt, mit ihrer Hilfe iſt es endlich möglich
geweſen, den Angaben der Schriftſteller neue Aufſchlüſſe abzu—
ringen. Man darf es ausſprechen, daß wir dieſen Steinen eine
Kunde entnehmen, die den meiſten antiken Schriftſtellern gefehlt
hat, daß wir in vielen Fällen durch dieſelben über ein beſſeres
Wiſſen verfügen, als jene beſaßen. Was ich in einem früheren
Aufſatze (vgl. Bd. III. S. 553 ff.), der eine für das Leben und
Treiben an einem antiken Wallfahrtsort überaus charakteriſtiſche
Reihe von Inſchriften behandelte, dem treffenden Ausſpruch
v. Wilamowitz' folgend geſagt habe, bezeichnet das Verhältnis
dieſer Denkmäler zur klaſſiſchen Altertumskunde durchaus und
vollkommen. In der Verwertung der epigraphiſchen Funde iſt
die Aufgabe gelegen, welche der lebenden Generation von klaſ—
ſiſchen Philologen und Forſchern auf dem Gebiete alter Geſchichte
geſtellt iſt. Die Freude an dem neuen, ſo friſch und unverſehrt in
unſere Hände gelangten Material und der Eifer, dasſelbe für die
Auffaſſung der Vergangenheit zu verwerten, hat aber auch zur Folge
gehabt, daß mitunter die bis dahin allein benutzte litterariſche
Ueberlieferung ungebührlich gering geſchätzt wurde, daß Schriftſteller,
deren Angaben ſich eines nahezu kanoniſchen Anſehens erfreut
 
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