440 Neue Denkwürdigkeiten vom pfalzbayriſchen Hofe unter Karl Theodor.
Sache ſeye, um welche zu bitten ſich nicht gezieme, ſondern die nur
erwartet werden müßte. Da aber auch ſeyn könnte, daß Se. Chur-
fürſtliche Durchlaucht nicht abgeneigt wären, und nur eine Ver—
anlaßung erwarteten, würde der Herr Miniſter Freyherr von
Oberndorf ihn ſehr verbinden, wenn er die höchſte Willensmeinung
zu erholen übernehmen wollte.
„Den 13. November Nachmittags kam Freyherr von Obern—
dorf, um meinem Vater und mir die Nachricht zu bringen, daß
am nehmlichen Morgen der Churfürſt meine Beyordnung verwilligt
habe, und uns perſönlich Glück zu wünſchen.“
Erſt dreiundzwanzig Jahre alt, hatte alſo Stengel „eine der
erſten, aber auch eine der heikelſten Stellen im Staate“ erlangt.
Kein anderer Beamter oder Hofdiener war ſo ununterbrochen in
der nächſten Umgebung des Fürſten, keinem war es ſo leicht ge—
macht, deſſen Gunſt und Vertrauen zu gewinnen: freilich war das
jugendliche Alter des Sekretärs ein Hindernis, daß er ſo maß—
gebenden Einfluß erlangt hätte wie ſein Vater. Karl Theodor
war bereits fünfzig Jahre und ſeit mehr denn dreißig Jahren
Kurfürſt. Ueber die Anfänge der Regierung erzählt Stengel:
„Bekanntlich war er in den erſten Jahren, beſonders nachdem ſich
ſein erſter Miniſter Marquis d'Dtres zurückgezogen hatte, ganz
unter der Leitung der Churfürſtin und des Pater Seedorfs, ſeines
Beichtvaters, geſtanden. Kein Miniſter wagte es, etwas von der
entfernteſten, auch nur perſönlichen Wichtigkeit in Vortrag zu
bringen, ohne die Meinung und den Willen dieſer Regentſchaft
zuvor erholt zu haben. Gegenſtände von größerem Umfange
wurden außer den Konferenzen dem Churfürſten in das Kabinet
geſchickt, der ſie dann in einen Schrank im Schlafzimmer legte,
und den Schlüßel ſtecken lies. In der früh kamen dann die
Churfürſtin und Pater Seedorf zu ihm zum Frühſtück, dann
holte der Pater die Papiere aus dem Schranke, es wurde darüber
unter ihnen debattirt, und die Entſcheidungen dieſer vertraulichen
Konferenzen den Miniſtern zur Richtſchnur bey ihrem Vortrage
in die Staatskonferenzen gegeben. Dieſes dauerte ein par Jahre,
als auf einmal Pater Seedorf an den Schrank kam und den
Schlüßel abgezogen fand: weder die Churfürſtin noch Pater See—
dorf wagten es, nach dem Schlüßel zu fragen, und von nun an
wußten ſie, daß der Churfürſt ihres Rathens genug hatte. Man
gab dem Miniſter Freyherrn v. Wreden die Schuld, daß er den
Churfürſten dazu gebracht habe, ſich von dieſer Regentſchaft los
zu machen: wenigſtens nahm die Partey bald die Wiedervergeltung
ziemlich deutlich an ihm, denn als im Jahre 1775 der Churfürſt.
Sache ſeye, um welche zu bitten ſich nicht gezieme, ſondern die nur
erwartet werden müßte. Da aber auch ſeyn könnte, daß Se. Chur-
fürſtliche Durchlaucht nicht abgeneigt wären, und nur eine Ver—
anlaßung erwarteten, würde der Herr Miniſter Freyherr von
Oberndorf ihn ſehr verbinden, wenn er die höchſte Willensmeinung
zu erholen übernehmen wollte.
„Den 13. November Nachmittags kam Freyherr von Obern—
dorf, um meinem Vater und mir die Nachricht zu bringen, daß
am nehmlichen Morgen der Churfürſt meine Beyordnung verwilligt
habe, und uns perſönlich Glück zu wünſchen.“
Erſt dreiundzwanzig Jahre alt, hatte alſo Stengel „eine der
erſten, aber auch eine der heikelſten Stellen im Staate“ erlangt.
Kein anderer Beamter oder Hofdiener war ſo ununterbrochen in
der nächſten Umgebung des Fürſten, keinem war es ſo leicht ge—
macht, deſſen Gunſt und Vertrauen zu gewinnen: freilich war das
jugendliche Alter des Sekretärs ein Hindernis, daß er ſo maß—
gebenden Einfluß erlangt hätte wie ſein Vater. Karl Theodor
war bereits fünfzig Jahre und ſeit mehr denn dreißig Jahren
Kurfürſt. Ueber die Anfänge der Regierung erzählt Stengel:
„Bekanntlich war er in den erſten Jahren, beſonders nachdem ſich
ſein erſter Miniſter Marquis d'Dtres zurückgezogen hatte, ganz
unter der Leitung der Churfürſtin und des Pater Seedorfs, ſeines
Beichtvaters, geſtanden. Kein Miniſter wagte es, etwas von der
entfernteſten, auch nur perſönlichen Wichtigkeit in Vortrag zu
bringen, ohne die Meinung und den Willen dieſer Regentſchaft
zuvor erholt zu haben. Gegenſtände von größerem Umfange
wurden außer den Konferenzen dem Churfürſten in das Kabinet
geſchickt, der ſie dann in einen Schrank im Schlafzimmer legte,
und den Schlüßel ſtecken lies. In der früh kamen dann die
Churfürſtin und Pater Seedorf zu ihm zum Frühſtück, dann
holte der Pater die Papiere aus dem Schranke, es wurde darüber
unter ihnen debattirt, und die Entſcheidungen dieſer vertraulichen
Konferenzen den Miniſtern zur Richtſchnur bey ihrem Vortrage
in die Staatskonferenzen gegeben. Dieſes dauerte ein par Jahre,
als auf einmal Pater Seedorf an den Schrank kam und den
Schlüßel abgezogen fand: weder die Churfürſtin noch Pater See—
dorf wagten es, nach dem Schlüßel zu fragen, und von nun an
wußten ſie, daß der Churfürſt ihres Rathens genug hatte. Man
gab dem Miniſter Freyherrn v. Wreden die Schuld, daß er den
Churfürſten dazu gebracht habe, ſich von dieſer Regentſchaft los
zu machen: wenigſtens nahm die Partey bald die Wiedervergeltung
ziemlich deutlich an ihm, denn als im Jahre 1775 der Churfürſt.