Peter Tafurs Reiſen im Deutſchen Reiche. 503
traf in Ancona mit Franz Sforza zuſammen, machte in Venedig
die berühmte Bucentorofahrt mit und ſegelte endlich mit dem
gewöhnlichen Pilgerſchiff nach dem heiligen Lande. Es würde
zu weit führen, wenn ich auch nur eine Skizze von dem entwerfen
wollte, was er dort geſehen und erlebt, denn er ſah viel mit
ſeinen ſcharfen Augen und ſeinem offenen Verſtande. Auf der
Heimkehr verließ er in Cypern den Pilgerzug, fuhr im Auftrag
des Königs zum Sultan nach Kairo, zu ſeinem Vergnügen nach
dem Berg Sinai und machte ſich dann auf nach Konſtantinopel.
Von da umſchiffte er wieder das Schwarze Meer und kehrte erſt
dann nach Oberitalien zurück. Venedig, Ferrara, Mailand reizten
ſein Intereſſe, und nachdem er ſich hier im Verkehre mit Päpſten,
Kaiſern, Königen und Fürſten Genüge gethan, wandte er ſich den
Alpen zu, um diejenigen kennen zu lernen, die ihm ultramontani
waren. Bei dem hohen Intereſſe, welches ſeine Schilderung für
Geſchichte und Kulturgeſchichte unſeres Vaterlandes beanſpruchen
darf, werde ich unſerm Ritter ſelbſt das Wort geben:
„Ich reiſte von Mailand ab,“ ſo berichtet er, „und nahm den
Weg nach Deutſchland. Zunächſt kam ich an keine Stadt, die des Er—
wähnens wert wäre, dagegen fand ich viel verlaſſene und zerſtörte
Ortſchaften, die ein großer Feldherr der Italiener, den ſie Facino
Cane nannten, zerſtört hatte. Am dritten Tage nach meinem Aufbruch
kam ich in eine deutſche Stadt, die ſie Luzern nennen. Ehe ich aber
einziehen konnte, mußte ich mit meinen Tieren und allem Gepäck
auf Barken über einen großen Binnenſee fahren, der ſein Waſſer
von den Alpen empfängt; der iſt gar tief und gute vier ſpaniſche
Meilen breit, und darin gibt es zahlloſe Fiſche, deren Fleiſch
ſehr wohlſchmeckend ſein ſoll. Die Stadt wird ungefähr 1500
Bürger haben — das ſind nach moderner Zählungsart etwa
7500 Einwohner — ſie iſt mit guten Mauern umgeben und hat
ſehr hübſche Häuſer, mit großen Oefen darin und vortreffliche
Gaſthöfe, in denen man ausgezeichnet verpflegt wird.
„Am nächſten Tage zog ich weiter und erreichte den Fuß des
Gotthardpaſſes, der ſelbſt hoch oben in den Alpenbergen liegt.
Den Abend verbrachten wir mit den Vorbereitungen, am kommen—
den Morgen erfolgte dann der Aufſtieg in folgender Weiſe: Es
war Ende Auguſt — des Jahres 1438 — wo der Schnee infolge
der großen Wärme ſtark ſchmilzt, und dadurch wird der Ueber—
gang beſonders gefährlich. Die Leute dort haben Ochſen, denen
der Weg über den Paß ganz vertraut iſt. Ein ſolcher wird dem
Zuge vorausgeſendet und zieht an einem langen Seile ein Ding
hinter ſich her, das beinahe wie eine kaſtilianiſche Dreſchmaſchine
traf in Ancona mit Franz Sforza zuſammen, machte in Venedig
die berühmte Bucentorofahrt mit und ſegelte endlich mit dem
gewöhnlichen Pilgerſchiff nach dem heiligen Lande. Es würde
zu weit führen, wenn ich auch nur eine Skizze von dem entwerfen
wollte, was er dort geſehen und erlebt, denn er ſah viel mit
ſeinen ſcharfen Augen und ſeinem offenen Verſtande. Auf der
Heimkehr verließ er in Cypern den Pilgerzug, fuhr im Auftrag
des Königs zum Sultan nach Kairo, zu ſeinem Vergnügen nach
dem Berg Sinai und machte ſich dann auf nach Konſtantinopel.
Von da umſchiffte er wieder das Schwarze Meer und kehrte erſt
dann nach Oberitalien zurück. Venedig, Ferrara, Mailand reizten
ſein Intereſſe, und nachdem er ſich hier im Verkehre mit Päpſten,
Kaiſern, Königen und Fürſten Genüge gethan, wandte er ſich den
Alpen zu, um diejenigen kennen zu lernen, die ihm ultramontani
waren. Bei dem hohen Intereſſe, welches ſeine Schilderung für
Geſchichte und Kulturgeſchichte unſeres Vaterlandes beanſpruchen
darf, werde ich unſerm Ritter ſelbſt das Wort geben:
„Ich reiſte von Mailand ab,“ ſo berichtet er, „und nahm den
Weg nach Deutſchland. Zunächſt kam ich an keine Stadt, die des Er—
wähnens wert wäre, dagegen fand ich viel verlaſſene und zerſtörte
Ortſchaften, die ein großer Feldherr der Italiener, den ſie Facino
Cane nannten, zerſtört hatte. Am dritten Tage nach meinem Aufbruch
kam ich in eine deutſche Stadt, die ſie Luzern nennen. Ehe ich aber
einziehen konnte, mußte ich mit meinen Tieren und allem Gepäck
auf Barken über einen großen Binnenſee fahren, der ſein Waſſer
von den Alpen empfängt; der iſt gar tief und gute vier ſpaniſche
Meilen breit, und darin gibt es zahlloſe Fiſche, deren Fleiſch
ſehr wohlſchmeckend ſein ſoll. Die Stadt wird ungefähr 1500
Bürger haben — das ſind nach moderner Zählungsart etwa
7500 Einwohner — ſie iſt mit guten Mauern umgeben und hat
ſehr hübſche Häuſer, mit großen Oefen darin und vortreffliche
Gaſthöfe, in denen man ausgezeichnet verpflegt wird.
„Am nächſten Tage zog ich weiter und erreichte den Fuß des
Gotthardpaſſes, der ſelbſt hoch oben in den Alpenbergen liegt.
Den Abend verbrachten wir mit den Vorbereitungen, am kommen—
den Morgen erfolgte dann der Aufſtieg in folgender Weiſe: Es
war Ende Auguſt — des Jahres 1438 — wo der Schnee infolge
der großen Wärme ſtark ſchmilzt, und dadurch wird der Ueber—
gang beſonders gefährlich. Die Leute dort haben Ochſen, denen
der Weg über den Paß ganz vertraut iſt. Ein ſolcher wird dem
Zuge vorausgeſendet und zieht an einem langen Seile ein Ding
hinter ſich her, das beinahe wie eine kaſtilianiſche Dreſchmaſchine