622 Ludwig der Heilige von Frankreich.
Frankreich wie England auf ſeine Seite zu ziehen; ſtets hebt er
die Identität der von ihm vertretenen Sache mit der dieſer beiden
Könige hervor; ſtets ſucht er es zu vermeiden, in den inneren
und gegenſeitigen Verhältniſſen der beiden Länder ein einſeitig—
entſcheidendes Wort mitzuſprechen oder gar ein einſeitiges Bündnis
mit einem derſelben zu ſchließen. Dieſe Politik zeigte ſich ſchon
in dem Wunſche einer gemeinſamen Beratung in Vaucouleurs;
ſie zeigte ſich wieder in ſeiner Zurückhaltung während des Kampfes
zwiſchen England und Frankreich; ſie wird ſich auch ferner zeigen
bei den verſchiedenſten Veranlaſſungen der folgenden Zeit.
Frankreichs Verhalten aber blieb ein gleiches. Wir hätten
ſicherlich eine Aenderung dieſes Verhaltens zu vermerken oder
fänden doch irgendwo auf franzöſiſcher Seite den Argwohn vor
einem engeren Bündniſſe zwiſchen England und dem Kaiſerreiche
ausgeſprochen, wenn es zu dem Argwohn in dieſer Zeit eine
beſondere Veranlaſſung gegeben hätte. Aber nichts davon. Die
Stimmung erſcheint auch jetzt, wie in den vorhergehenden Jahren,
mehr als eine Verſtimmung über Dauer und Art und Weiſe des
Kampfes, verbunden mit einer entſchiedenen Abneigung vor Teil—
nahme auf irgend einer Seite.
7
(1242.)
Das Ableben des Papſtes Gregors IX. machte eine neue
Papſtwahl nötig, und am 25. Oktöber 1241 einigte fich das
Kardinalkollegium für den Mailänder Cöleſtin IX. aus dem Ge—
ſchlechte der Caſtiglione. Derſelbe ſtarb aber noch vor Empfang
der Weihen, und die Kirche blieb ohne Führer. Schon gleich nach
dem Tode Gregors ließ der Kaiſer die beiden gefangen gehaltenen
Kardinäle Jakob Biſchof von Präneſte und den Kardinaldiakon
Otto nach Tivoli führen; doch jedenfalls, um ſie an der Neuwahl
teilnehmen zu laſſen. Anfangs des Jahres 1242 machte dann
Friedrich den Kardinalen den Vorſchlag, dieſe beiden Prälaten
an geeignetem Orte freizulaſſen. Daß er von dieſer Handlung
ſeinen eigenen Vorteil erhoffte, iſt wohl natürlich anzunehmen.
Aber es kam mit den Beratungen der Kardinäle zu keinem
Ende, und ſcheint doch wohl innere Zwietracht, Neid und Eifer⸗
ſucht die Haupturſache hiervon geweſen zu ſein.
Es iſt überhaupt eine merkwürdige Zeit. Einen Augenblick
lang ſcheint alles ſtille zu ſtehen und dem Atemzuge der Welt zu
lauſchen. Eine große Frage durchzittert die Luft: „was jetzt?“,
Frankreich wie England auf ſeine Seite zu ziehen; ſtets hebt er
die Identität der von ihm vertretenen Sache mit der dieſer beiden
Könige hervor; ſtets ſucht er es zu vermeiden, in den inneren
und gegenſeitigen Verhältniſſen der beiden Länder ein einſeitig—
entſcheidendes Wort mitzuſprechen oder gar ein einſeitiges Bündnis
mit einem derſelben zu ſchließen. Dieſe Politik zeigte ſich ſchon
in dem Wunſche einer gemeinſamen Beratung in Vaucouleurs;
ſie zeigte ſich wieder in ſeiner Zurückhaltung während des Kampfes
zwiſchen England und Frankreich; ſie wird ſich auch ferner zeigen
bei den verſchiedenſten Veranlaſſungen der folgenden Zeit.
Frankreichs Verhalten aber blieb ein gleiches. Wir hätten
ſicherlich eine Aenderung dieſes Verhaltens zu vermerken oder
fänden doch irgendwo auf franzöſiſcher Seite den Argwohn vor
einem engeren Bündniſſe zwiſchen England und dem Kaiſerreiche
ausgeſprochen, wenn es zu dem Argwohn in dieſer Zeit eine
beſondere Veranlaſſung gegeben hätte. Aber nichts davon. Die
Stimmung erſcheint auch jetzt, wie in den vorhergehenden Jahren,
mehr als eine Verſtimmung über Dauer und Art und Weiſe des
Kampfes, verbunden mit einer entſchiedenen Abneigung vor Teil—
nahme auf irgend einer Seite.
7
(1242.)
Das Ableben des Papſtes Gregors IX. machte eine neue
Papſtwahl nötig, und am 25. Oktöber 1241 einigte fich das
Kardinalkollegium für den Mailänder Cöleſtin IX. aus dem Ge—
ſchlechte der Caſtiglione. Derſelbe ſtarb aber noch vor Empfang
der Weihen, und die Kirche blieb ohne Führer. Schon gleich nach
dem Tode Gregors ließ der Kaiſer die beiden gefangen gehaltenen
Kardinäle Jakob Biſchof von Präneſte und den Kardinaldiakon
Otto nach Tivoli führen; doch jedenfalls, um ſie an der Neuwahl
teilnehmen zu laſſen. Anfangs des Jahres 1242 machte dann
Friedrich den Kardinalen den Vorſchlag, dieſe beiden Prälaten
an geeignetem Orte freizulaſſen. Daß er von dieſer Handlung
ſeinen eigenen Vorteil erhoffte, iſt wohl natürlich anzunehmen.
Aber es kam mit den Beratungen der Kardinäle zu keinem
Ende, und ſcheint doch wohl innere Zwietracht, Neid und Eifer⸗
ſucht die Haupturſache hiervon geweſen zu ſein.
Es iſt überhaupt eine merkwürdige Zeit. Einen Augenblick
lang ſcheint alles ſtille zu ſtehen und dem Atemzuge der Welt zu
lauſchen. Eine große Frage durchzittert die Luft: „was jetzt?“,