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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Krones, Franz Xaver von: Land und Leute Westeuropas am Schlusse des Mittelalters nach gleichzeitigen Reiseberichten: Studie, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0764

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754 Land und Leute Weſteuropas.

widmet eine längere Aufzeichnung dem Palaſte Theodorichs und dem
Bade desſelben. Von dem letzteren erzählt er die Lokalſage, Dietrich
habe vom Bade aus wilde Tiere erblickt, ſofort ſein Pferd beſtiegen,
ſie verfolgt und ſei dann auf Nimmerwiederſehen verſchwunden.

So verſchleiert auch hier die Sage den Tod des großen
Fürſten; er iſt verſchwunden, verſchollen unter außerordentlichen
Umſtänden, denn das Ungewöhnliche menſchlicher Erſcheinung ſoll
nicht das Endgeſchick des Gewöhnlichen teilen, nicht dem gemeinen
Todesloſe verfallen.

Und ſo ſtehen wir vor Venedig, der Lagunenſtadt, der Königin
der Adria, der wunderbarſten Schöpfung mittelalterlichen Gemein—
geiſtes, denn das, was Schaſchek und Tetzel, ſelbſt Faber in ſeinen
längeren Aufzeichnungen von Padua, der uralten galliſch-römiſchen
Stadt, dem Hauptorte unter den Kommunen am Po und Sitze eines
von Venedig vernichteten Dynaſtengeſchlechtes bedeutenden Namens,
zu berichten wiſſen, darf uns nicht aufhalten.

In der Schilderung Venedigs und ſeines geſamten damaligen
Weſens gebührt dem Predigermönche die Palme.

Wohl ſind auch Schaſchek und Tetzel voll der Bewunderung
für den Reichtum und die Herrlichkeiten des Dogenſitzes am „Rivo—
alto“ (Rialto); es imponiert ihnen die ariſtokratiſche Republik,
allwo ſich dem Dogenpalaſte gegenüber ein ſteinernes Galgengerüſte
befände zur ernſten Mahnung jedes Machthabers, der es ver—
gäße, daß er nur der erſte unter ſeinesgleichen ſei, unterthänig
den Geſetzen des Freiſtaates; aber es ſind nur gelegentliche Rand⸗
gloſſen gemiſchten Wertes, denen Tetzel in gemütlicher Offenheit
noch eine Bemerkung beifügt, welche die ſchon an anderer Stelle
beſprochene finanzielle Klemme der böhmiſchen Reiſegeſellſchaft be—
reits in Italien als brennende Frage erſcheinen läßt. Man ge—
leitet Herrn Leo Rozmital in den Senat, man läßt ihn neben
den Dogen ſitzen, hält in ſeiner und der Genoſſen Gegenwart
eine Sißung ab, zeigt ihm den Schatz der Republik, läßt alle
Gäſte in das Arſenal („Galeernhaus“) und zu „ſchönen Frauen“
führen, zeigt ihnen ganz Venedig, unterläßt es nie, ihnen an
jedem der acht Tage die „Centaloni“ — offenbar ſind damit die
Ciceroni gemeint — in die Herberge zu ſchicken und ſie von dieſen
in die Kirchen und wo immerhin ſonſt geleiten zu laſſen, aber
nunmehr kommt der bedenkliche Punkt: „Mein Herr thet desmals
ein Mutung an ſie umb Gelt; aber es wolt nit ſein, und ich was
desmals voͤr dem Herzogen meins Herrn Dulmaetſch.“ Das be⸗
weiſt, daß unſer Gabriel Tetzel, der Nürnberger Patrizier, ſich
aufs „welſchen“ verſtand. Aber ſeine — vielleicht ciceronianiſche —
 
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