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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Kaemmel, Otto: Die Germanisierung des deutschen Nordostens: eine Skizze, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0826

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816 Die Germaniſierung des deutſchen Nordoſtens.

Als der wackere Pfarrer Helmold von Boſau, dem wir die
wunderbar lebendige Schilderung dieſer ganzen Entwickelung ver—
danken, die einzige über Vorgänge dieſer Art, um 1171 auf die
gethane Arbeit zurückſah, konnte er das Ergebnis mit folgenden
Worten zuſammenfaſſen: „Das ganze Slavenland, welches an der
Eider beginnt und zwiſchen Elbe und Oſtſee weitgedehnt ſich bis
nach Schwerin hin erſtreckt, iſt in eine einzige ſächſiſche Kolonie
verwandelt.“

Anders natürlich in den Landſchaften weiter im Oſten, dem
Obotritenland, Rügen, Pommern.. Hier beſtand unter ſlaviſchen
Lehensfürſten auch das ſlaviſche Staatsrecht fort, und die erſten
deutſchen Anſiedelungen waren Kirchen und Klöſter. Im Obotriten—
lande ſtiftete Pribislaw, beſtimmt von Biſchof Berno, einem Ci—
ſtercienſer von Amelungsborn in Weſtfalen, 1170 das Ciſtercienſer—
kloſter Dobberan, doch wurde dies ſchon 1176 von heidniſchen
Slaven zerſtört und erſt 1186 wiederhergeſtellt. Auch das 1172
gegründete Dargun mußte 1179 wieder aufgegeben werden. Im
däniſchen Lehensſtaate Rügen, deſſen feſtländiſche Hälfte allerdings
dem Bistum Schwerin gehorchte, gewann das Deutſchtum ebenſo
zunächſt nur mittelbar durch die Kirche Einfluß. Gleich nach der
Eroberung 1168 wurden 12 Kirchen auf der Inſel errichtet, wie
Altenkirchen auf der Halbinſel Wittow; erſt 1193 ſtiftete der Fürſt
Jaromar am Fuße der weitumſchauenden alten Landesfeſte auf
dem Rugard das Ciſtercienſerkloſter Bergen (Gora) mit einer
ſteinernen Kirche, die in ihrem Kerne noch heute ſteht. In Pom-
mern war ſchon um 1150 das Kloſter Grabe auf Uſedom ent—
ſtanden, und deutſche Kaufleute wohnten bereits unter Bogislaw L.
(geſt. 1187) in Stettin; die deutſche Koloniſation aber begann
damals nur im äußerſten Weſten des Landes auf den Gütern
des Bistums Havelberg um Stargard, wo im Jahre 1180 der
Fürſt Kaſimir das Prämonſtratenſerſtift Broda mit ausgedehnten
unbebauten Ländereien ausſtattete. Oeſtlich der Oder machte den
Anfang die Begründung des Ciſtercienſerkloſters Lauterthal in
Colbaz (ſüdöſtlich von Stettin an der Plöne) durch Herzog Bogis—
law 1. (II75), und von hier aus wieder zogen die Mönche,
welchen Sambor von Danzig um dieſelbe Zeit unweit ſeiner Burg
zwiſchen dem Abfalle des anmutigen Hügellandes und der blauen
See den Grund und Boden für die Anlage von Oliva überwies.
Doch mußte es 1195 aufs neue beſetzt werden, da es wohl von
den nahen heidniſchen Preußen gelegentlich gefährdet wurde. Die
wirkliche Germaniſierung Pommerns und des Obotritenlandes
brachte überhaupt erſt das 13. Jahrhundert.
 
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