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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Pechtl, Heinrich: Der Beamtenstand in Deutschland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: ein Beitrag zur Kulturgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0870

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860 Der Beamtenſtand in Deutſchland.

waren die Beſoldungen der Beamten, der niederen namentlich,
ſehr gering, „daß nur ein Schelm oder Harpax was übrig behalten
kann“ — „die Beſoldungen ſeynd allzuſehr vertheilt, bei den
wichtigſten Aemtern nicht genug proportionirt.““ Dieſes Wenige
wollte erſt noch erreicht werden, oft nach jahrelanger Exſpektanz
ohne Gehaltsbezug in Kummer und Elend, daher die mehrſeitigen
Dienſtverbindlichkeiten, das Jagen nach Prozeßführungen, der Be—
trieb unehrenhafter Händel und Geſchäfte, das Verdingen zu
ſchmählicher Arbeit um Taglohn. Wie der Lohn ſo der Dienſt.
Im Jahre 1727 gab der alte Moſer zu Protokoll, er wollte lieber
wieder von Tübingen nach Wien gehen „Und weil auch die Be—
ſoldung ſehr ſchlecht bezahlt wurde,“ ſpäter (1733) beklagte er ſich
bitter: „Und dennoch mußte ich, weil die Beſoldung beſchnitten und
unrichtig gereicht wurde, noch dermalen, um des lieben Brodes willen,
Bücher ſchreiben, da mir lauter Geſchäfte zugetheilt wurden, welche
vil Mühe machten, dabey aber nicht der geringſte Nebenverdienſt
ware.“? — Wie unzweifelhaft zutreffend iſt da die Behauptung:
„will aber ein Herr die unzählbar kleinen Betrügereyen und Unter—
ſchleiffe beſtraffen, wann ihm ſelbſt bewußt iſt, daß ſolche einen
Theil des Unterhalts ſeiner Diener ausmachen? wie will er der
Beugung der Juſtitz, dem Geſchenknehmen, den Verräthereyen
begegnen, wenn ſich der Diener damit ſchützen kan: Er habe in
ſieben Jahren keine Beſoldung bekommen.“?

In den kleineren Territorien unterblieb die Auszahlung der
Beſoldung häufig, ja e& gab nicht ſelten Familienväter, die ihrer
Familie nichts anderes als die eigenen mehrjährigen Gehaltsrückſtände
vererben konnten. Auch beim Kammergericht unterblieb wegen
Mangel nötiger Fonds die Auszahlung. Die höheren Aemter
der Reichsritterſchaft waren Ehrenämter, doch erhielt der Ritter—
ſchaftshauptmann bei der Aufnahme neuer Glieder 200 bis 400 fl.,
die Räte weniger, die Subalternen noch weniger, der alte land—
ſäſſige Adel zahlte die ſogenannte Diskretion für den Ritterſchafts—
hauptmann ein.

Auf der verhältnismäßig geringen Beſoldung lagen aber nicht
eben geringe Laſten, vor allen der Erkaufpreis oft von verſchiedener
Höhe, und die Kautionen, die bar erſtattet werden mußten, und
die bei ungetreuer Gebarung oft — unſichtbar wurden, ohne daß
die Kammer ſich eben verpflichtet erachtet hätte zu irgend einer Rück—

Moſer, Der Herr und Diener. S. 387, 397.
Noſer (J. J.), Lebensgeſchichte. S. 37, 57.
»Moſer, Herr und Diener. S. 392.
 
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