Die Germaniſierung des deutſchen Nordoſtens. 897
Biſchof Meinhard 1196, als ſoeben eine päpſtliche Bulle die Sachſen
und Weſtfalen zur Kreuzfahrt wider die Heiden in Livland auf—
forderte. In der That führte Meinhards Nachfolger Berthold 1198
die erſten deutſchen Kreuzfahrer nach der Düna und ſiegte über
die Liven, aber bei der Verfolgung kam er ſelber um, und bald
ſchüttelten die kaum Bekehrten das Chriſtentum ab und verwüſteten
die Güter der Kirche, ſo daß die Geiſtlichen Uexküll verließen.
In ſo bedrängter Lage begann der Bremer Domherr Adalbert von
Apeldorn, 1198 zum Biſchof von Uexküll erhoben, das Werk
ſeines Lebens, einer der größten Koloniſatoren germaniſchen
Stammes. Mit der erſten Kreuzflotte, die er 1200 von Lübeck
nach der Düna führte, rettete er die bedrohte Niederlaſſung; 1201
begründete er die Stadt Riga als eine Kolonie von Lübeck und
den neuen Sitz ſeines Bistums, unterhalb derſelben das Ciſter—
cienſerkloſter Dünamünde. Da er indes einſah, daß die Hilfe von
Kreuzfahrerſcharen allzu wenig ſichere Berechnung geſtatte, ſo rief
er im Jahre 1202 einen beſonderen „Orden der Ritterſchaft
Chriſti“, die „Schwertbrüder“, unter ſeiner Hoheit als ſein Werk—
zeug ins Leben, nach der Regel der Templer und mit ihren Zeichen,
dem roten Kreuz auf dem weißen Mantel, dem noch das rote
Schwert beigefügt wurde. So gelang es bis 1206 das Land
zwiſchen Düna und Aa zu unterwerfen; Lettland ſchloß ſich frei—
willig an, um ſich vor den Plünderungen der Ruſſen zu ſchützen,
und wurde 1208 durch die Erbauung der Burg Kokenhuſen an
der Düna geſchützt. Nachdem dann ſchon 1207 das eroberte Land
als Lehen des Reiches anerkannt und das Bistum Riga unmittelbar
unter Rom geſtellt worden war, gelang 1218 — 18 die Unterwerfung
Semgallens am linken Ufer der Düna, und gleichzeitig begann
im Norden der Kampf mit den Eſten.
Nicht die Deutſchen, ſondern die Dänen hatten ihn eröffnet,
hier wie weiter im Süden die Nebenbuhler und Bundesgenoſſen
der Deutſchen zugleich. Gereizt wie dort durch ſlaviſche, ſo hier
durch eſtniſche Piratenfahrten kamen ſie zum Entſchluß, ſolchem
Unweſen durch Unterwerfung und Bekehrung des ganzen Stammes
ein Ende zu machen, und wirklich gab 1206 Innocenz III. dem
Erzbiſchof Andreas von Lund das Recht, in dem zu erobernden
Lande einen Biſchof einzuſetzen. Kaum hatte jedoch im Herbſt des—
ſelben Jahres der erſte däniſche Flottenzug die Inſel Oeſel getroffen,
als von Süden her der Schwertorden die Unterwerfung des eſt—
niſchen Feſtlandes begann, ſo daß Adalbert ſchon 1211 einen
deutſchen Biſchof für Eſtland weihte. Als jedoch 1215 ein furcht—
barer Aufſtand die Deutſchen wieder aus dem Lande drängte,
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 20., 1887. Heft XII. 57
Biſchof Meinhard 1196, als ſoeben eine päpſtliche Bulle die Sachſen
und Weſtfalen zur Kreuzfahrt wider die Heiden in Livland auf—
forderte. In der That führte Meinhards Nachfolger Berthold 1198
die erſten deutſchen Kreuzfahrer nach der Düna und ſiegte über
die Liven, aber bei der Verfolgung kam er ſelber um, und bald
ſchüttelten die kaum Bekehrten das Chriſtentum ab und verwüſteten
die Güter der Kirche, ſo daß die Geiſtlichen Uexküll verließen.
In ſo bedrängter Lage begann der Bremer Domherr Adalbert von
Apeldorn, 1198 zum Biſchof von Uexküll erhoben, das Werk
ſeines Lebens, einer der größten Koloniſatoren germaniſchen
Stammes. Mit der erſten Kreuzflotte, die er 1200 von Lübeck
nach der Düna führte, rettete er die bedrohte Niederlaſſung; 1201
begründete er die Stadt Riga als eine Kolonie von Lübeck und
den neuen Sitz ſeines Bistums, unterhalb derſelben das Ciſter—
cienſerkloſter Dünamünde. Da er indes einſah, daß die Hilfe von
Kreuzfahrerſcharen allzu wenig ſichere Berechnung geſtatte, ſo rief
er im Jahre 1202 einen beſonderen „Orden der Ritterſchaft
Chriſti“, die „Schwertbrüder“, unter ſeiner Hoheit als ſein Werk—
zeug ins Leben, nach der Regel der Templer und mit ihren Zeichen,
dem roten Kreuz auf dem weißen Mantel, dem noch das rote
Schwert beigefügt wurde. So gelang es bis 1206 das Land
zwiſchen Düna und Aa zu unterwerfen; Lettland ſchloß ſich frei—
willig an, um ſich vor den Plünderungen der Ruſſen zu ſchützen,
und wurde 1208 durch die Erbauung der Burg Kokenhuſen an
der Düna geſchützt. Nachdem dann ſchon 1207 das eroberte Land
als Lehen des Reiches anerkannt und das Bistum Riga unmittelbar
unter Rom geſtellt worden war, gelang 1218 — 18 die Unterwerfung
Semgallens am linken Ufer der Düna, und gleichzeitig begann
im Norden der Kampf mit den Eſten.
Nicht die Deutſchen, ſondern die Dänen hatten ihn eröffnet,
hier wie weiter im Süden die Nebenbuhler und Bundesgenoſſen
der Deutſchen zugleich. Gereizt wie dort durch ſlaviſche, ſo hier
durch eſtniſche Piratenfahrten kamen ſie zum Entſchluß, ſolchem
Unweſen durch Unterwerfung und Bekehrung des ganzen Stammes
ein Ende zu machen, und wirklich gab 1206 Innocenz III. dem
Erzbiſchof Andreas von Lund das Recht, in dem zu erobernden
Lande einen Biſchof einzuſetzen. Kaum hatte jedoch im Herbſt des—
ſelben Jahres der erſte däniſche Flottenzug die Inſel Oeſel getroffen,
als von Süden her der Schwertorden die Unterwerfung des eſt—
niſchen Feſtlandes begann, ſo daß Adalbert ſchon 1211 einen
deutſchen Biſchof für Eſtland weihte. Als jedoch 1215 ein furcht—
barer Aufſtand die Deutſchen wieder aus dem Lande drängte,
Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte 20., 1887. Heft XII. 57