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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 4.1887

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Kaemmel, Otto: Die Germanisierung des deutschen Nordostens: eine Skizze, 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.52692#0910

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900 : Die Germaniſierung des deutſchen Nordoſtens.

in die Stellung ſeines Vorgängers ein, übertrug einem Landmeiſter
die Verwaltung, doch das Deutſchtum in Livland gewann damit
den nötigen Rückhalt: ſchon 1238 warf der preußiſche Landmeiſter
Hermann Balko bei Isborg die Ruſſen zurück.

Den Dänen gegenüber wich der Deutſche Orden einen Schritt
zurück, indem er im Vertrage von Stenby auf Seeland am 7. Juni
1238 ihnen Harrien und Wirland überließ, nur Jerven für ſich
behielt. Doch der deutſche Charakter Eſtlands war durch die kurze
deutſche Beſitzergreifung ſeit 1225 ſo feſt begründet, daß auch die
mehr als hundertjährige däniſche Herrſchaft daran nichts geändert
hat. Das däniſche Suffraganbistum Reval wurde wiederhergeſtellt,
das Bistum Wirland aber von ihm aus mitverwaltet. Ein däniſcher
Statthalter gebot vom hohen Schloſſe Reval aus über das Land,
unter ihm mehrere Vögte, aber niemals wurde Eſtland dem
däniſchen Reiche wirklich einverleibt, gelegentlich vielmehr 1266
als Witwengut an Königin Margareta, Mutter Erichs VI., ge—
geben und ſeit 1271 als „Herzogtum Eſtland“ bezeichnet. Die
Grundherren waren, wenige Dänen ausgenommen, durchweg
Deutſche, die als Vaſallen der Krone Lehengüter mit den nach
Haken (Pflügen) bemeſſenen Leiſtungen und Dienſten der leib—
eigenen Eſten erhielten, * ſich bald dort ihre Edelhöfe bauten und
ſich ſeit 1259 zu einer Körperſchaft zuſammenſchloſſen; die zunächſt
einzige Stadt Reval, unter dem Schloß- und Domberg entſtanden,
erhielt 1248 von König Waldemar deutſches, nämlich lübiſches
Recht und hat ſich von Anfang an wie jede andere deutſche Oſtſee—
ſtadt entwickelt.

So war auch das däniſche Eſtland thatſächlich eine deutſche
Kolonie, vollſtändig vorbereitet, ſeiner Zeit dem ſtolzen Bau des
deutſchen Ordensſtaates ſich einzufügen, der eben damals auf blut—
gedüngtem Grunde an der unteren Weichſel emporwuchs, als die
größte Schöpfung des deutſchen Rittertums.

Im Beſttze einer trefflichen Organiſation und reifer Erfah—
rungen unternahm der Deutſche Orden das große Werk. Die
Mehrzahl ſeiner Mitglieder, nach den Statuten Freie, keineswegs
Adelige, waren Laienbrüder, nur eine kleine Minderzahl Geiſtliche,
alle gebunden durch das dreifache Mönchsgelübde, die Ritterbrüder
außerdem, die Ariſtokratie des Ordens, durch das Gelübde des
Kampfes gegen die Ungläubigen, von den übrigen Laienbrüdern

In Harrien und Wirland zählte man überhaupt kurz nach 1238 530
Güter mit 5495 Haken (unci), von denen 111 mit 1061 Haken königlich, 26
mit 215 ſtiftiſch, 393 mit 4219 Privatbeſitz waren.
 
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