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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 1-2, Juli 1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0002

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LÄMirrkk-Iottttrrg.

wassers eine vielleicht beruhigende, aber ziemlich
kastspielige Illusion deS Feindes.

Ganz fo einfach, wie ich eS mir nach den Er-
zählungen und Berichten meiner Kameraden vor-
gestellt hatte, war daS Hindurchschlängeln durch die
Minen aber doch nicht. —

,So, meine Herren, jetzt geht'S los l' sagte ich
zu den beiden Offizieren, die gleich mir in ihre
dicken OelmSntel gekrochen waren und die eichenlaub-
gestickte Mütze mit dem praktischen Südwester ver-
tauscht hatten. .Jetzt wollen wir mal sehen, wrr
die erste Mine sieht."

Jn einrm Sprühregen von Wasser und Gischt
standen wir nebeneinander und starrten mehrere
hundert Meter vor dem Boot inS Wasser. Der S?e-
gang hatte im Laufe der lrtzten Stunden noch etwaS
zugenommen und lief auS Südwest, also gerade auf
unS zu, sodaß wir befürchten mutzten. die Minen
erst spät zu entdecken, weil sie in jedem Wellental
unseren Blicken entzogen wurden. <'

Plötzlich blickten wir uns alle drei an und dann
schnell wieder aufs Wasser zurück. Da waren sie,
Himmel, welche Massen I Ueberall, soweit das Auge
reichte, teuflische schwarze Kugeln, vom schneeweißen
Gischt der brechenden Seen umbrandet. Wir waren
so überwältigt von der Menge der Minen, daß wir
zunächst haltlos zu schimpfen anfingen. »Das ist
ja unerhört. so eine Gemeinheit, sowas nennt sich
christliche Seefahrer, — diese Näuberbande, Fallen-
steller!'

Mit »kleiner Fahrt' fuhren wir dann dem
.Kaviarbrötchen', wie Petersen die schwarzbepunktete
Wasserfläche vor unS nannte, entgegen. Es kam
darauf an, das Boot geschickt zwischen den unregel-
mäßig verstreuten Minen hindurchzusteuern und
vorausblickend aufzupassen, daß wir nicht in eine
Sackgasse liefen. Nur nicht anstoßen an die Teufels-
dinger, das könnte höllisch gefährlich werden.

Nun, mit der nötigen Ruhe wollten wir die
Sache schon machen. Wir hatten ja einen »Gefechts-
Rudergänger', der nicht von-Pappe war. Der Boots-
mannsmat Lomann hatte seine ganze militürische
Laufbahn seinem erstklassigen Steuern zu verdanken.

Lomann, der, wenn er wollte, jeden Pfropfen,
der auf dem Wasser schwamm, so haarscharf an-
steuern konnte, daß der Bug des Bootes ihn traf,
stand breitbeinig hinter dem Steuerrad auf dem
Turm und grinste von rinem Ohr zum andern.
Er grinste immer, wenn er am Ruder stand, aber
jetzt, wo er der wichtigste Mann an Bord war,
strahlte er derartig ob dieser Ehre und war so über
die Maßen stolz, daß seine kleine viereckige Figur
eine überlegen lässige Haltung einnahm. Mit der
rechten Hand drehte er dos Ruderrad spielend wie
zur Probe hin'und her, die andere steckte bis zum
Ellenbogen in der riesigen Tasche seiner Lederhose.

Ietzt fuhren wir stampfend in das Minenfeld
hinein. Lomann kniff seine kleinen grauen Augen
zu unwahrscheinlichen Ritzen zusammen, spuckte sich
erst in die rechte Hand und dann oerächtlich in hohem
Bogen nach der ersten Mine aus, die wir eben an
Backbord passierten. Dann zog er sich die rutschende
Lederhose herauf, steckte sich seinen Nasenwärmer,
eine dicht am Kopf abgebrochene Kalkpfeife, wieder
in Brand, spuckte nochmals in die rechte Hand und
begann dann in künstlerischen Volten und Evolu-
tionen durch die gefährlich engen Gaffen durchzu-
steuern. Er war dabei so ruhig und sicher, als ob
er nie im Leben etwas anderes getan hätte. als
ein Unterseeboot zwischen Minen hindurchzusteucrn,
-fodaß ich ihn völlig srlbständig gewähren lassen
konute.

Nach zehn Minuten hatten wir das Minenfeld
hinter uns. Wir schätzten die Zahl der Minen,
rvelche wir paffiert hatten, auf achthundert.

„Ist d« Serrvundelen-NnlerrichL den

KrlegsSeschädigLe» von Autzen?"

(Aus uaserem PreiSausschreibm.)

Die 42 Arbeitrn, die als Beantwortung unserer
Frqge eingingen. enthalten diel Schönes und Wert-
volles. Sie alle abzudrucken fehlt unsderRaum,
wie unleren Lesern die Zeit sehlen würde, fie
alle zu lesen. Auch würde bie Wiederholung
selbfiverstLndliL darin mehrfach wiederkehrender
Anfichten ermüden. Um nun auch die Anregungen
der übrigen Einsender den Kameraden zugute
, kommen zu lasien, geien wir weiter die in veren

Arbeiten enthaltenrn wichtigsten Gesichtspunkte
auszugsweise wieder-

„Auf jeden Fall aber ist der Unterricht für die
Zeit des Aufenthaltes im Lazarett nicht nur eine
angenehme Abwechslung in dem eintönigen Tag für
Tag Dahinträumen oder Nichtstun, sondern es regt
auch wieder an zur Arbeit und gibt uns wieder
frischen Mut und neue Freude am Leben".

Ers.-Res. Büche, Zahntechniker,
Lazarett vr. Triesch, Frankfurt a. M.

.Nicht nur körperliche Wunden bringen unsere
Feldgrauen mit heim. — So mancher hat von
den Grausigkeitcn des Krieges seine Lebensfreude
und seinen TStigkeitstrieb verloren. Diesen nervös-
zerfahrenen Geistern bringt der Unterricht durch die
Gelegenheit zur Konzentrationsübung Ablenkung der
Gedanken und Wiedererwachen des Lebenswillens.
Wcr einmal Gelegenheit gehabt hat, selbst solche
Verwundetenschule zu besuchen, wird bedaucrt haben,
daß von den Kriegsbeschädigten noch verhältnismäßig
so wenig diese Gelegenheit ausgenützt wird. Die
aber, die an dem Ünterricht teilnehmen, sind mit
Lust und Liebe dabei, und vielen von ihnen, die
vielleicht frührr nur körperlich gearbeitet haben,
wird der Wert der geistigen Arbeit und damit die
Achtung vor ihr nahegebracht.'

Sektionsführer Curt Ferber, Landwirt,
Mathildenhospital, Büdingen.

»Als ich zum ersten Male während meines Auf-
enthaltes im Lazarett einem Unterricht für Kriegs-
beschädigte beiwohnte, war ich überrascht, wie v'el
ich von dem früher Gelernten vcrgessen hatte. Noch
mehr aber war ich darüber erstaunt, wie rasch nach
kurzer Beschäftigung alles wieder in mein Gedächt-
nis zurückkam, sodaß bereits nach kurzer Uebung
Neues hinzugelernt werden konnte. Angeregt durch
diesen Unterricht crkannte ich, wie nutzbringend man
seine fceie Zeit verwenden kann, und ich konnte
seitdem die Zeit, welche ich im Lazarett zubringen
mußte, nicht mehr ungenützt vorübergehen lassen.
Wenn ich mich früher gelangweilt habe, so verging
mir jetzt die Zeit oiel zu rasch. Und so viel Freude
hat nnr die Beschäftigung gebracht. Niemals hat
mir früher sooiel freie Zeit zur Verfügung gestanden,
ganz eingehend konnte ich mich mit dem, was ich
lernen wollte, befassen. Zu kleinen Handfertigkeits-
arbeiten ha'tte ich früher nie Gcduld, jetzt, da man
viel Zeit hat, ist man für jede Ablenkung von un-
ruhigen Gedanken dankbar. Viel wohler fühlte ich
mich, seit ich meine freie Zeit durch Beschäftigung
ausfüllte.'

Ers.-Res. I. Kuhn, Handl.-Geh.

Städt. Krankenhaus Frankfurt.

Langeweile kenne ich keine mehr.

Es ist schon ziemlich lange her,

Daß ich auch ihr den Krieg erklärt
Und siegreich davon heimgekehrt.

Nun bin ich frei von diesem Feind,

Der es auch schlimm mit mir gemeint.

Erst war's ein zaghastes Probieren:

„Lern ich denn je stenographieren?"

Mit bangem Zweifel fing ich's an,

Heut bin ich stolz, daß ich's schon kann.

Das war mein erster schöner Sieg,

Jn dem schon heiß entbrannten Krieg.

Die Rundschrift kam als nächstes Ziel,

Sie kostete der Müh' nicht oiel,

Buchsührung und Maschinenschreiben
Halfen mir auch den Feind vertreiben.

Verse machen wollt' ich auch,

(Was ja eben ist der Brauch),

Dabei ging's mir wie so vielen,

Daß cs mir trotz gutem Willen
Einfach nicht gelungen ist,

Da half keine Kriegeslist.

Doch der Feind war schon geschlagen,

Und ich möchte nur noch fragen:

.Ob mein Sieg, der ja nicht schwer,

Nicht auch andern Ansporn wär'?'

Nes. Jos. Riedmüller, Posthilfsarbeiter»
Lazarett vr. Triefch, Frankfurt a. M.

Anstedtung von Kriegsinvatiden
und Kriegerwitwen.

Bon Londeswohnungsinsprktor Gretzschel, Darmstadt.

I.

Jn umfangreichem Maße haben bercits die Be-
strebungen eingesetzt, die Schäden des Kriegs —
soweit dies überhaupt möglich ist — zu mildern.
Die Fürsorge gilt insbesondere auch den Kriegsin-
validen und den Hmterbliebenen gefallener Krieger.

Es zeugt von richtiger Erkenntnis der mensch-
lichen Psyche, daß man sich bemüht. die Kriegsin-
validen nach Möglichkeit wieder einem Berufe zuzu-
führen, und wcnn sie für die bisherige Berufsarbeit
nicht mehr tauglich erscheinen, sie für einen anderen
ihrem Körperzustand und ihren Fähigkeiten ange-
paßten Erwerbszweig tauglich zu machen. Das
muß durchaus erstes Ziel aller Jnvalidenfürsorge
sein; denn ist auch durch die gewährte Rente die
Fristung des Lebens gesichert, eine wirkliche Lebens-
freude ist nur denkbar, wenn das Leben ausgefüllt
werden kann mit zusagender Arbeit. Hierin liegt
das Geheimnis aller Lebensbejahung.

Wenn es unser Hauptziel sein muß, die Kriegs-
invaliden wieder einzureihen als mitschaffende
Glieder unseres wirtschaftlichen Organismus, so
wollen wir aber auch nicht vergessen, daß außer-
dem alles geschehen muß, um in sozialer Beziehung
ihr Leben fo auszugestalten, daß sie neben dem
Bewußtsein, wieder Mitarbeiter zu srin am Ge-
deihen und am Aufstieg der Gesamtheit, auch Be-
friedigung und Freude in ihren Familien finden
und verbreitcn können. Hierfür wiederum ist die
erste Voraussetzung der Besitz eines schönen und
behaglichen Heims.

Der Deutsche mit seinem tiesen Gemüt und mit
I demHange am Romantischen war und ist noch immer
I der glühendste Verehrer des Eigenheims, des Vater-
hauses, das ihm Heimat und Vaterland gibt. Und
das ist gut so und soll auch so bleiben. Jn der
Heimat sind die Wurzeln unseres Daseins, unserer
Kraft, und die trauten Erinnerungen an das Vater-
haus begleiten uns noch in späten Jahren, sie
geben uns Halt und Mut, in den Stürmen des
Lebens auszuharren, spornen an zu erhöhter Ent-
faltung der uns verliehenen Kräfte.

Was liegt also näher, als der Wunsch, dem
Kriegsinvaliden auch den Besitz eines solchen Eigen-
heims möglich zu machen?

Und was hier für den Kriegsinvaliden gilt,
das gilt selbstverständlich auch für die Witwen der
gefallenen Krieger. Auch für sie und ihre Familien
wird der Besitz eines Eigenheims von großem
Segen sein.

Die in dieser Richtung laufenden Wünsche hat
in Hessen der Zentraloerein für Errichtung billiger
Wohnungen in Darmstadt, der den Mittelpunkt
bildet für alle im Großherzogtum auf dem Gebiete
des Wohnungs- und Ansiedlungswesens bestehenden
Bestrebungen, ebenfalls zum Gegenstande seiner
Fürsorge gemacht. Er hat zur Bearbeitung aller
damit zusammenhängenden Fragen einen besonderen
Ausschuß eingesetzt, der sich bereits mitten in der
praktischen Arbeit befindet.

Das Ziel geht dahin, daß allen Kriegsinvaliden
(und zwar sowohl Teil- als Ganzinvaliden, wozu
auch Erkrankte zu rechnen sind) und allen Krieger-
witwen, die hierfür nach ihrer Veranlagung, ihrer
körperlichen Verfaffung, ihrer persönlichen Neigungen
und nach ihren sonsttgen Verhältniffen greignet er-
scheinen, ein eigenes Hcim beschafft werden soll.
 
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