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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 49-50, Juli 1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0295

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ßhronik.

Auch in deu ersteu ieiden Juliwochen hielt die Ruhe
aus dem westlichen Kriegsschauplatze a».

Abgeseheu von stets fieqreich abgeschlagenen feiudlichen
TeilvoistSßen und reger ErkundungstSttgkeit aus beiden
Eeiteu find kein« Ereignisse von der Front zu welden-

Anders im Osten I Jn ganz Rußland hat ein« rege Wühl-
und PropagandatStigkeit der Entente eingesetzt. Tschechisch-
slowakische Truppcn dringen von Osten her gegen die rote
Garde vor. Es ift ihuen gelungen, einige StLtte in Etbi-
rien,wie Irkutsk. Tomsk «nd Omsk, zu besetzeu. Auch Wla-
diwokock ist unter tschechischer Herrschast. Dagegen ift der
Eowjet fiegreich in Moskau, wo die Hetzarbrit der Enteute
ein besonders trauriges Opser forderte. Am 6. Jult
wurde der deutsche Gesandtc in Moskau,Graf von Mirbach.
durch Reoolverschuß gelötet. Eeine Mörder gehörten der
sozial-revolutionLrcn Partei an, d,e fich gegen die Sowjet
konstituiert hat. Ler Mord des Grafen Mirbach sollte das
Zeichen zu einem allgemeinen Aufstand geben, boch gelang
es dcn Sowj-ttruppen, den Putsch vor seinem Ausbruch zu
'ersticke». Der tragische Vorfall hat nicht nur in Drntjchland
sondern bei den Russen der Sowjetpartei ticfstrs Bedauern
hervorgerufen.

Es liegen außerdem Melduugey^ vor, doß englische
Truppen an der Murmanküste marschieren. Der Sowjet
trägt Eorge, daß diesem Vorgehen kein ermuter Krieg auf
dem Boden des schwer geprLften Rußlauds solgt.

Aus dem Lager unserer Verbündeten ist zu berichteu,
daß die Oesterreicher dauernd in schweren Kämpfea mit den
Italienern in der Piave- und Brentagegcnd einersriis und
in Albanien andererseits strhen.

Mit der Türkei beklagen wir das Hinscheiden des Sul»
tans Mechmed V.

ZnNerpölitisch befindet fich Deulschlaud durch die Ab-
berufung des StaatssekretSrs von Kühlmann z. Zt in eincr
Krise. Zu seinem Nachfolger ist der bisherige Kesandte in
Rristiania, Admiral von H.ntze, ersehen.

Der Iahnarzt.

Von Aoh. Peter Hebel.

Zwei Tagediebe, die schon lange in der Welt
mitetnander herumzogen, weil sie zum Arbeiten zu
träg oder zu ungeschickt waren, kamen doch zuletzt
in große Not, weil sie wenig Geld mrhr übrig
hatten und nicht geschwind wußten, wo nehmen.
Da gerieten sie aus folgenden Einfall: Sie bettelten
vor einigen Haustüren Brot zusammen, das fie
nicht zur Stillung des Hungers genießen, sondern
zum Betrug mitzbrauchen wollten. Sie kneteten
nämlich und drehten aus demselben lauter klrine
Aügelein oder Pillen, und bekreuten fi« mit Wurm-
mehl auS altem zerftessenen Holz, damit sie völlig

auSsahen, wie die gelben Arzneipille». Hierauf
kauften fie für «in paar Batzen einige Bogea rot-
gefärbies Papier bei dem Buchbinder sdenn eine
schöne Farbe mutz gewöhnlich bei jedem Betrug
mithelfen): das Papier zerschnitten sie alSdann und
wickelten die Pillen darei», je srchS biS acht Siücke
in ein Päcklein. Nun ging der eine vorauS in
einen Flrcken, wo eben Jahrmarkt war, und in den
roteu Löwen, wo er viele Gäste anzutrefsen hoffte.
Er forderte ein Glas Wein, trank aber nicht,
sondern saß ganz wehmütig in einem Winkel, hielt
die Hand an den Backen und winselte halblaut
für sich und kehrte fich unruhig bald so her, bald
so hin. Die ehrlichrn Leute und Bürger, die im
Wirtshaus warrn, bildeten sich wohl ein, datz der
arme Mensch ganz entsetzlich Zahnwrh haben müfse
Aber was war zu tun? Man bedauerte ihn
man tröstete ihn, datz eS schon wieder vergehen
werde, trank fein Gläschen fort und mpichte feine
Marktaffären aus. Jndessen kam der andere Tagr-
dieb auch nach. Da stellten stch dir beiden Schelme,
als ob noch keirter den anderen in seinem Lebea
gesehen tzätte. Keiner sah den andern an, bis der
zweite durch das Winseln des ersteren, der im
Winkel satz, aufmerksam zu werdrn fchien. Guter
Freund, sprach er, Jhr scheint wohl Zahnschmerzen
zu haben? und ging mit grotzen und langsamen
Schritten auf ihn zu. Jch bin der Doktor Schnau
zius Rapunzius von Trafalgar, fuhr er fort. Denn
solche ftemde volltönige Namen müffen auch zum
Betrug behilflich sein wie die Farben. Und wenn
Jhr meine Zahnpillen gebrauchen wollt, fuhr er
fort, so soll eS mir eine schlechte Kunst fein, Euch
mit einer, höchstenS zweien, von Eurem Leiden zu
befreien. — Das wolle Gott, erwiderte der andere
Halunke. Hierauf zog der saubere Doktor Rapun-
zius einrs »on seinen roten Päcklein aus der Tasche
und verordnete dem Patienten ein Kügelein daraus
auf den bösen Zahn zu legen und hrrzhaft darauf
zu beitzen. Jetzl streckten die Gäste an den andern
Tffchen die Köpfe herüber und einer um den andern
kam herbei, um die Wunderkur mit anzusehen.
Nun könnt ihr euch vorstellen, was geschah. Auf
diese erste Probe wollte zwar der Patient wenig
rühmea, vielmehr tat er einen entsetzliche» Schrei.
DaS -efiel dem Doktor. Der Schwerz, sagte er,
sei jetzt gebrochen,- und gab ihm geschwind die
zweite Pille zu gleichem Gebrauch. Da war nun
plötzlich aller Schmerz verfchwunden. Ler Patient
sprang vor Freuden auf, 'wffchte den Angstschweiß
von der Stirne weg» obgleich keiner daxan war.

und tat, als ob er seinem Retter zum Danke etwäs
Namhaste» in die Hand drückte. — Der Streich
war schlau angelrgt gnd tat seine Wtrkung. Denn
jeder Anwesende wollte nua auch von diesrn vor-
trefflichen Pillm haben. Drr Doktor bot daS
Päcklein für 24 Kreuzer, und in wenig Miuuten
waren alle verkaust. Natürlich ginge» jetzt die
zwri Schelme wieder einer uach dem andern weiter.
lachten, alS-- fie wieder zusammenkamen, über die
Einfalt dieser Leute, und lietzen fich'S wohl ftin
von ihrem Geld.

DaS war teures Brot. So wenig für 24
Kreuzer brkam man noch in keiner HungerSnot.
Aber der Geldoerlust war niiht einmal daS
Schlimmst«. Denn die WeichSrotkügleia wurden
natürlicherweise mtt der Zett fleinhart. Wenn »un
so ein armer Betrogener nach Jahr und Tag
Zahnweh bekam und in gutem Vertrauen mtt dem
kranke» Zahn einmal mrd zweimal darauf bitz, da
denke man an den entsetzlichen Schmerz. den er,
statt geheilt zu werden, fich selbst für 24 Kreuzer
aus der eigenen Tasche machte. DarauS ist alfo
zu lernen, wie leicht man kann betrogen werdea,
wenn man den Borspiegelungen jrde» heruwlausm-
den LandstreicherS traut. dm man zum ersten Mal
in seinem Leben sieht, und »orher nie und nachher
nimmer; und mancher. der dieseS liest, wkd viel-
leicht denken: So einfSltig bin ich. zu meinem
eigenm Schaden auch ffchon gewesm. — Merke.-
Wer so etwas kanN? weitz an andern Orte» Geld
zu verdiene», läust nicht auf dm Dörsern und Jahr-
märktm herum mit Löchern im Strumpf oder mtt
einer weitzen Schnalle am rechteü Schuh und am
linken mtt einer gelbm.

Aus dem Mümlei« des heikige»
Aranz.

Wie Ludwig der tzeilige, KSnig von
Frankreich, in eigner Person alS Pilger
uach Perugia kam, um den heiligen
Bruder SgidiuS zu besuchen.

Ludwig der Heilige, König von Fraakreich, be-
gab sich auf eine Pilgerfahrt, um die heiligen Stätftn
der Welt zu besuchen. Und da der gewaltige Ruf
von der Heiligkeit des Bruder EgiNu^ der einer
der rrstm Jünger des hettigen FranziSkuS gewesm
war, auch zu ihm drang, fttzte er eS stch in drn
 
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