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A«r westMsche Koffchulze.
Boa Äarl Jmmermann.
Jm Hofe zwischen den Scheuern und WirtfchastS-
gebüuden stand mit aufgekrempten Hemdärmeln der
Äte Hofschulze und schaute achtsam in ein Feuer,
daS. zwischen Steinen und Kloben am Bodrn ent»
zündet, lustig slackerte. Er rückte einen kleinen Ambotz.
der daneben stand, zurecht. legte sich Hammer und
Zange zum Griffe bereit, prüfte die Spitzen einiger
großer Radnägel, die er auS dem Bruststücke deS
vorgebundenen SchurzfellS zog. legte die NSgel auf
daS Bodenbrett des Leiterwagens, dessen Rad er
auSbeflern wollte, und drehte die Stelle des RadeS,
von der ein Stück Schiene abgebrochen war, acht-
fam nach obe», worauf er durch untergeschobene
Steine daS Rad in seiner Stellung festigte.
Nachdem er wieder ein paar Augenblicke in das
Feuer gesehen hatte, ohne datz seine hellen und
scharfen Augen daoon zu blinzeln begannen, fuhr
er rasch mit der Zange hinein, hob das rotglühende
Stück Eisen heraus, legte es auf den Ambotz,
schwang den Hammer darüber, datz die Funken
sprühten, schlug das uoch immer glutrötliche Stück
um das Rad, da wo die Schiene fehlte, schlug und
fchweitzte eS mit zwei gewaltigen Schlägen fest und
trieb dann die Nägel, die es in seiner weichen Dehn-
barkeit noch immer leicht hindurchließ, an ihre
Plätze.
Zwei Männer, von denen der eine Pferdehändler'
der andere ein Steuereinnehmer war. hatten, unter
der grotzen Linde am Tifche vor dem Wohnhause
fitzend und ihren Trunk oerzehrend, der Arbeit des
alten, rüstigen Mannes zugesehen. Das mutz wahr
sein, rief jetzt der eine, der Pferdehändler, Jhr
hättet einen tüchtigen Schmied abgegeben, Hofschulze l
Der Hofschulze wusch in einem Stalleimer voll
Wasser, der neben dem kleinen Ambotz stand, sich
Hände und Gesicht, gotz dann das Feuer aus und
fagte: Ein Narr, der dem Schmiede gibt, was er
selbst verdienen kann. Er nahm den Amboß auf,
als sei er eine Feder, und trug ihn nebst Hammer
und Zange unter einen kleinen Schuppen zwischen
WohnhauS und Scheuer, in dem Hobelbank, Säge.
Stemmeisen und was fonst zum Zimmer- und
Schreinergewerbe gehört, bei Holz und Brettern
mancher Art stand. lag oder hing.
AlS der Alte stch unter dem Schuppen noch zu
fchaffen machte, sagte der Pferdehändler zu dem
Steuereinnehmer: Wollen Sie glauben, datz der
auch alle Pfosten, Türen und Schwellen, Kisten
und Kasten mit eigeuer Haud flickt, oter wenn
daS Glück gut ist, auch neu zuschneidet?
Jn dem Augenblicke, alS der Hofschulze wiede^
auS dem Schuppen trat, lietz flch rin lustigeS
Wiehern auS dem Pferdestalle gegrnüber vrrnehmen.
Der Pferdehändlrr räusperte sich, schlug stch Feuer
an, blies dem Steuereinnehmer eine starke Dampf-
wolke inS Gestcht, sah sehnsüchtig nach dem Stalle
und dann gedankenvoll oor sich nieder. Hierauf
nahm er den lackierten Hut oom Kopfe,»strich mit
dem Arme über die Stirne und sagte: Noch iwmer
eine schwüle Witterung. — Dann schnallte er seine
lederne Geldkatze vom Leibe, warf sie mit Getöse
auf den Tisch, datz der Jnhalt klang und klirrte,
löste die Riemen und zählte zwanzig blanke Gold»
stücke hin, bei deren Anblick die Augen des Steuer-
einnehmers zu funkeln anfingen, nach denen aber
der alte Hofschulze gar nicht hinsah. Hier ist daS
Geldl rief der Pferdehändler, die Faust geballt
auf den Tisch stemmend, kriege ich die braune
Stute dafür? Sie ist, weitz Gott, nicht einen
Heller mehr wert l
Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu
Schaden kommt, versrtzte der Hofschulze, der in-
zwischen an den Tisch getreten war, kaltblütig.
Sechsundzwanzig wie ich gesagt habe, und keinen
Heller darunter. Jhr kennt mich nun die Jahre
her, Herr Marx, und folltet daher wissen, datz das
Dingen und Feilschen bei mir nicht verschlägt, weil
ich nie von meiner Sprache abgehe. Jch begehre,
waS mir eine Sache wert ist, und schlage niemals
vor, und so könnte ein Posaunenengel vom Him-
mel dahergefahren kommen, cr kriegte die Braune
nicht unter sechsundzwanzig.
Aber Hofschulze l schrie der Pferdehändler er-
bost, aus Fordern und Bieten besteht doch der
Handel, und meinen eigenen Bruder überfrage ich,
und wenn kein Vorschlagen mehr in der Welt ist,
so hört alles Grschäft aufl
Jm Gegenteile, erwiderte der Hofschulze, daS
Geschäft kostet dann weit weniger Zeit und ist
jchon um deshalb oorteilhafter; aber auch außer-
dem haben beide Teile von einem Handel ohne
Vorschlagen vielen Nutzen. Jch habe es immer
erlebt, datz, wenn vorgeschlagen wird, stch die
Natur erhitzt und zuletzt niemand mehr rrcht weitz,
wa» er redet oder tut. Jst aber keine Rede von
ablaffen. danu bleiben beide schön ruhig und
wahren fich öor Schaden.
Da Jhr fo veruünstig redet, so werdet Ihr
weinen Antrag jetzt beffer erwogen habrn, hob der
Einnehmer an. Wie gesagt, die Regierung -will
alle Korngefälle der Höfe in hiefiger Gegend in
Teld umwandelu. Gie hat allein de» Schaden
davon; denn Korn bkeibt Korn; aber Seld ist heute
so oiel und morgen so oiel wert; indeffen ist eS
nun einmal der Wille, um dle Last drS Auf-
fpeichernS loS zu werden. Jhr tut mir also den
Gefallen und unterschreibt diese neue, auf Seld
lautende Urkunde, die ich mitgebracht habe.
Durchaus nicht, antwortete der Hoffchulze
eiftig. Es ist ein alter Glaube hier zu Lande. datz.
wer ftinem Hofe eine Last auflegt. dafür zur Straft
nach ftinem Tode auf dem Hofe umgehen mutz.
Jch weitz nicht, wie eS damit beschaffen ist; aber
das weiß ich: Vom Oberhofe sind seit vielen hundert
Jahren nur Körner an die GotteSzelle gegeben
worden. und damit wolle sich also das Rentamt
begnügen, wie daS Stift sich damit begnügt hat.
Wächst Geld auf meinem Acker? Nein, Korn
wächst darauf; deshalb mutz alleS beim alten
bleiben l Mit dieftn Worten ging er in sein
Haus.
DaS ist ein alter Racker l rief der Pftrde-
händler» alS er feinen Handelsfteund nicht mehr
sah, indem er den lackierten Hut verdrietzlich wieder
auf den Kopf stülpte. Wenn der nicht will. fo
bringt ihn kein Teuftl herum. DaS Schlimmste ist,
daß der Kerl die besten Pferde in der Segend zieht
und sie im Grunde, fozusagen, billig genug
losschlägt.
Ein starres, widerhaarigrs Volk hier zu Laude l
sagte der Einnehmer. Jch bin erst vor kurzem auS
Sachsen her verfetzt und merke den Abstand. Dort
wohnen die Leute beisammen und deShalb müsftn
sie schon höflich und nachgiebig miteinander sein.
Aber hier sitzt ein jeder auf seinem Kampe, hat
fein Holz, ftin Feld, feinen Wiesenwachs um stch,
als gebe eS sonst nichts in der Welt. Darum
halten fie auch auf ihre alten Schnurren und
Faxen so steif, die anderwärtS überall abgekommen
stnd. WaS für Mühe habe ich schon mit den
andern Bauern der dummen Umschreibereien wegea
gehabt; aber dieser hier ist doch der schlimmstr.
DaS kommt daher, Herr Einnehmer, weil er so
reich ist, bemerkte der Pftrdehändler. Mich wmchert.