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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 47-48, Juni 1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0283

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Kyronik.

Am 87. Mat hat der dritte Teil der deutschen Offen-
flve gege» Fraukreich begoanen. Die Etellung der Franzose»
am Damenweg zwischea Eoiffons und Neims, die voa den
Deutschm ia freiwilligem Rückzng nach lavgen schweren
NLmpfeu den Franzosen im Herdste vorigen Zahres ttber-
laffen worden war, wurde in überraschendem Avsturm ge--^
nommen. AbgekSmpfte englische Divifionen toaien in dieser
Eiellung, die als Ruhestellung galt, uatergebracht worden-
Bom Feinde wuede kein nennenswerter Widnstand geleistet,
sodatz der dentsche Anflmm sofort weiter über die Talsenke»
der Aisne nnd der Vesle weitergesührt wnden konnte. Echou
am 28. Mat fiel gism«s mit einer ungrheuee» Beutr in
unsere HLnde. Am 28. Mat starden »nseee Truppen bei
Fdre en Tardenois und am 81. Mat war bereitS
durch dea Etoh vo» Norden nach Eüden die Marne er-
reicht die seit dem Eepiember 1914 außerhalb des deutschen
Machtbereiches lag. Der Eifolg der Offenfive machte fich
alsbald auch an den Flügeln der deutschen Stellung geltend.
Am 88. Mat fiel die franzöfische Festung Eoissons»
früker schon waren die Forts, die Reims im Norden und
Rordwesten umgebcn, in deutsche Händc gefallen und damit
die deutsche L'nie hart an Reims herangetragen Die deutfche
Offeafive Lnderte nunmehr ihre nord-südliche Richtung in
eine ost-weftliche Richtung, indem die Linie zwischen Noho»
uvd det Marne vorgetroge» wurde. An der Marne wurde
am 1. Jr»«i ChLteau Thierry erreicht und damit die
deutsche Stellung nach Süden hin durch das Marnetal aus
weite Strecken gefichert. Tas von unseren Truppen besetzte
Nordufer beherrscht vollkommen das Süduser uud damit ist
die wichtigste sranzöfischr Bahnltnie Paris-Nanch durch-
schnitten und sür die tranzöfischen Truppenverfchicbungen
unbrauchbar gemacht. EHLteau Thierry selbst ist von den
Autzevforts don Paris nicht ganz 65 dm entfernt. Zwischen
Nohon uud EHSteau Thierry wurde die Linie bis an den
Wald von Ferts Miloa herangetragen. Sm k. J««i war
diiser Teil der Offenfive im Westen abgeschloffen. Er hat
«ns gegen 6600< G-iangene und einen GelLndegewtnn in
der Grötze der heffischen Brovinz Etarkenburg, daneben
grotze franzöfi'che und englische LagerstSdte mit unüberseh-
barer Beute eingebrucht. Dcr Ge-Sndegewinn ist umso wert-
voller, als es fich dabei um wcite Strecken vom t'rieg ver-
schonter, gut bebauter Gebiete handelt. Am 8. J«ni be-
gaun die Offenfive vou nruem in dem von Noyon nach
Südwesten bis Montdidier anschlietzenden Nbschnitt. Auch
hier wurdeu Erfvlge erzielt und bereits am erfleu Tag«
8660 Gefangene gemacht.

Unserc U-Boote haben inzwifchen ihr« Arbeit a» der
Eüdostküste der Vereinigten Staaten von Umerika ausge-
nommen nnd nach amerikanischen Mitteilungeu schou eine
grotze Anzahl wertvoller amerikanischer Echiffe versenkt.

Nachdem am 28. Mai der ReichstagsprSfident KLmpf
gestorben war, fand am 8. J«ni die Neuwahl des PrL-
fidiumS statt. Zum. PrSfidenien wurde d,r Zentrumsabge-
ordnete Fehrenbach, zum VizcprLfidenten der Sozialdemo-
irat Scheidemanu, der Forischrrttler Dove und der
Nationalliberale Paasche gewLhlt.

Ins verschlolsene Land?)

Von Legationssekrrtür Dr v. Heniig.

Von Afghanistan wußten wir, alS wir eS be-
traten, wenig mehr, alS unS die spärlichen Zeiche»
der Karte erzählrn koanten. Wir waren zwar auf
ein Zusammentreffrn mit der im allgemeinen
fremdenfeindlichen BevSlkerung oorbereitrt, glaubten
aber nicht an die Schauergeschichten, die ringS um
die Grenzen erzählt wurden: Kosaken, denen die
Pferde beim Träaken weggelaufen waren, sollten
von drn blutdürstigen Afghanen ahne Kopf zurück-
geschickt worden sein, und dergleichen mehr. Wir
wutzten, daS waren englische Märchen — denn
England hüt ein Jntereffe daran, alle, die ihm
mitzliebig stnd, vom Eintritt inS oerfchloffene Land
abzuschrecken. - .

Dagegen erwarteten unS andere, ganz unvorr"
hergesehene Schwierigkeitea. Auf der Karte waren
rinige Dörfer vrrmerkt. Sie hatten wir alS Ziel-
punkte unserer letzten Märsche gedacht. Schon die
erste Waflerstelle indeS, dir wir nach AuSfage deS
FührerS unterwegs antreffcn sollten, war vertrocknet.
Unser aller bemüchtigte fich eine starke Gereiztheit.
Scit vier Tagen hatten wir rmn schon wieder kein
fützeS Waffer gehabt.' das Salzwafler von Aedzun
aber hatte weder Tiere noch Menschen zu e> quicken-
vrrmocht. Noch tief im Nachtdunkel gelangten wir
dann an den Punkt, den auch unser Führer mit
dem Namen der Karte bezeichnete. Ls war aber
weder ein Dorf noch eine Quelle, sondern nur eine
Felsausfprengung, in der fich. mit auSgelauchtem
Mist und einer üblen Kameljauche oermischt, vom
Frühjahr her noch etwas salzigeS Wafler befand.
Es war so schlecht, dah weder die Pferde noch dir
wenig verwöhnten Maultiere bei allem Durst rS
anzurühren wagten. Sie beschnupperten eS nur
mitztrauisch. Unsere Futtervorräte hatten wir schon

*) Wir eutnehmen die folgende Darstellung mit Erlaub-,
niS des Verlags einem der spannendsteu unb inhaitsreichsten
llllsteinschen Kriegsbücher .Meiue Diplomaten-
fahrt ins verfchlossene Land.' Der Versaffer wurde
vom AuswSrtigen Amt zum Emir von Afghanistan entsaadt,
um WLHrend des Weltkriegs mit diesem unabhLngigen mo-
hammedanifchea Herrscher in Mitielafien Beziehungm anzu-
kaüpstn- Die Diplomatenfahrt war vo» Eriolg gekrönt.
Eie hat aus mühfawen Wegen durch die ruffischen unk
englischen Sperrkordons in der perstschen Wüstc und durch
das unzugLngliche Hochgebirasland Pamir in Montblanc-
Höhe »ach dea Eandwüsten Chinas, dan» in kühner Aben-
teurerfahrt üier Aapan uach Amerika geführt. '

tags zuvor gänzlich verauSgabt. Die Anstrengungrn
der letzten Zeit, verbunden mit Dysrnterie und
anderen KrankheitSfolgen, hatten auch die meistrn
von unS so geschwächt, datz wkr kaum glaubten.
weiterzukommen. Dazu herrschte eine Hitze, wte
wir fir nur an einigrn Tagen in der S«oir er- - '

lebt hatten. DaS Thrrmometer stieg im Schatten
auf 62 Grad CelsiuS, ein» bei den chemifchen Wir-
kungen der HochlandSsonne gefährliche Temperatur.

Das Hrrz pumpte mühsam. Röhr und ich oersuchten
unS dadurch lebendig zu halten, datz wir unS die
oben beschrirbeue Lake über die Kleider goflen; die
schnelle Verdunftung hrachte unS ein wenig Kühlung.

Grotze und kleine Sorgen beMrmtm mich. Wi'e
würden nach diefeS TageS Sonnenbrand die Tiere.
die wir ftei in die Wüste hatten treiben müfle»,
einen weiteren Marsch ertragen? Sinen meiner
Lrute, der ungehorsam geweftn war und nicht daS
ihm zugewiesene Tier genommen hatte, hatte ich,
um ihn zu strafen, zu Futz laufen laffen. Eiger.finmg
war er in der Nacht zurückgeblieben und immrr
noch nicht eingetroffen. Schlietzlich lief ich in meiner
Uugeduld ihm entgegen. Lief. ohne auf die spitze»

Steine zu achten, biS er alS ganz kleinrr Puntt
am Horizont erschien. Meinen übrigen AfridiS fiel
daS Lagern in drr Gluttonne so schwer, datz fie
um Erlaubnis baten, biS zum nächsten Rastpuntt
vorwärts marschieren zu dürfen. Jch gab ihnen
die'e ErlaubniS, traf ste aber am Abend fehr bald,
denn sie hatten doch ihre Kräfte überschätzt. Vor
Schwäche waren sie emfach am Wege liegengebtieben.

Der nächste, noch schwerere Nachtmarsch sollte
zunächst einen kleinen Alarm sür unsere in Vei»
zweiflung absterbenden Nerven bringen. Dicht neben '
uns ertönte rin scharfer Schutz, dann noch einer
und ein drNttr. Aha ! das sind die bewaffneiin
Hirten, die, wie man uns erzählt hat, den Grenz-
fchutz auSüben und keincn Fremden hereinlaflen
dürfenl Die Karawane stockie, Röhr ritt in der
Richtung deS Schalls. Doch schon nach wenigen
Minutrn löste sich die unbrhagliche Spannung.

Einige unferer Oesterrrichrr hatren den Weg ver-
loren, waren umhergeirrt und hatten fich nur durch
Signalschüfle zu helsen gewutzt.

Jn Mogul-Badfchah, auf daS wir so große
Hoffnungen gesetzt hatte», waren wir zuerst trostloS.

Statt deS bermuteten DorfrS fanöen wir nur
Ruinen, statt deS Waffer» nur einen fchwestigen
Pfuhl. Die Tiere konnten die Flüsfigkeit nicht ein-
 
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