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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 47-48, Juni 1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0282

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rsrsrett-Leirung.

— und man siehl ein Bataillon von Malern den
ganzen gewaltigen Körper und alles darauf befind-
liche aufrechtskhende Gut mit grauen. weißen und
schwarzen Farbquadraten bemalen. Es sieht aus,
als hätte die extremste Kubistenschule sich über das
Schiff geworsen. Das Schiff wird maskiert! Es
wird für U-Boote „unsichtbar" gemacht. Da diese
hauptsächlich bei Tagesgrauen oder Sonnenunter-
gang arbeiten, auftauchen, wenn das Meer in
ewig wechselndem Farbenspiel leuchtet — vermö-
gen die unregelmäßigen bewegten Felder den mas-
stven Klumpen aus Stahl und Holz gleichsam
aufzulösen, und ihn verschwinden zu laflen im
unruhig fliehenden Lichte der Atmosphäre. Und
wenn das Schiff nicht buchstäblich unsichtbar wird.
so erschweren jedenfalls die bunten Quadrate, die
alle Flächen und Linien knicken, außerordentlich
die Abstandsmeffung und die Beurteilung der
Größenverhältniffe, für das verfolgende U-Boot.

Jm Dezember glitt „Daterland" — nun „Le-
viathan" getaust, in seinem K'iegskleid den Hudson
hinab. Die Techniker haben endlich die Maschinen
flott bekommen. Das soll zwei und eme halbe
Million Dollar gekostet haben. Jn Neuyork sagte
man, daß „Vaterland" nach Halifax ging, und
Kanadier erzählten, daß ein skandinavisches Ba-
taillon — u. a aus jungen Dänen bestehend —
»Mkmxs scrv85 tde wie sie sich' nennen, —
die Reise durch die Gefahrzone an die Front
machen, an Bord des größien Schiffes der Welt.

Jn Neuyork sind 800 000 Einwohner deutscher
Abstammung. Vor ihnen zu verdecken, wann
Truppentransporte oder Handelsschiffe abgehend,
ift unmöglich. „Kein Deutscher, der reinen Mund
HSlt, braucht einen Eingriff in seine Freiheit von
seiten der Behörden zu befürchten!" konnte man
überall angeschlagen lesen. Aber diese „Großmut",
die in höherem Grade von der praktischen Not-
wendigkeit diktiert war, ward von strengen Be-
stimmungen abgelöst. Deutsche Geschäftsleute
mußten lhre Kontore in den Wolkenkratzern räu-
men. Man fürchtete, daß in den obersten Etagen
Spionagezentralen eingerichtet würden, um zu be-
richten, welche Schiffe die Docks verlaffen. Später
wurde eine 100-Meter-Linie um die „Wasserfront"
gezogen, und rote Plakate besagen bei jedem
Schritt: Kein feindlicher Ausländer darf die
Linie überschreiten. Selbst waschechte Neger
müffen für die Badeanstalt Paß mit Photogra-
phie vorzeigen. — Jn einem bekannten Restau-
rant darf der deutsche Oberkoch nur in der einen
Hälfre der Küche arbeiten, weil die 100-Meter-
Linie diese Küche durchschneidet.

Die Nacht durch, erzählt Hellessen, ist die
Wafferfront von elektrischen Projektoren blendend
hell erleuchtet. Tagesklare Strahlenbündel werfen
ihr Licht über die Werften. Aber die Zeitunqen
sehen die Gespenster in den Wersten. Ein
deutsch-amerikanischer Jngenieur, der seine Söhne
Teodor Roosevelt und Woodrow Wilson getauft
hat, Herr Hennig, soll Torpedogeschosse fabriziert
haben, die, — wie ein Boomerang — bevor sie
explodieren, zu dem Schiff zurückschnellten, von
dem ste abgeschossen waren! „Ein Außenstehender
ist skeptisch," schreibt Helleffen, alle Brände und
Vernichtungen sollen deutschen Ursprunges sein.
Wenn ein Amerikaner erzählt, daß z. B. jemand
Zucker gehamstert hat — fügt er hinzu: „Er
soll übrigens deutschen Ursprunges sein."

Am Broadwaq haben die großen deutschen
Reedereien ihre Kontore. Agent für den Nord-
deutschen Lloyd ist die Millionenfirma Ölrich.
Hinter den Fenstern sah man immer die Konto-
risten an den Rechenmaschinen. Die einzige
Deränderung, die der Krieg mitführte, war, daß
das große Kaiserbild in deutscher Admiralsuniform,
das von der Wand herabzusehen pflegte — in
eine Kammer mit dem Gesicht zur Wand gekehrt,
gestellt ward. L»tzthin bestimmten die Behörden,
daß das Haus ohne Umschweise in Beschlag ge-
nommen werden sollte. Alle Ausgänge sind von
Detekiivs besetzt. Man brach in die Kontore ein
und unternahm eine Hausuntersuchung. Mit
größtemKrach ward diePolterkammectür gesprengt,
ein vorwätsstürmender Detektiv stieß in das Bild

— puff — es fiel. Der Kaiser hielt seinen Ad-
miralstab gegen den anstürmenden Feind, und
vom Goldrahmen sahen die Worte: „Deutschland,
Deutschland über alles . . . ."

Eme Stunde später gaben alle Zeitungen
Extrablätter aus: „Die Geheimtür und das heim-
liche Kaiserbild." Und man hatte aus den Ar-
tikeln den Eindruck, daß die Kontoristen in der
Polterkammer — diesem versteckten Tempel für
Wilhelmskult — schwarze Meffe zelebriert und
kleine Kinder dem Krieasgotte geopfert hälten.

— Am Abend war das Haus geräumt und am
nächsten Tag rückte ein amerikanisches Departe-
ment ein und nahm — nachdem es mit Abscheu
das Kaiserbild entfernt hatte — die Rechenma-
schinen in Besitz.



Vergünstigungrn,

welche die in den Lazaretten in der Stadt
Baden-Baden untergebrachten kranken und
verwundeten Soldaten genieszen:
j. Aurhaus. Freier Eintritt in den Kurgarten
uno unentgeltlicher Besuch der gewöhnlichen
Konzerte daselbst und im Kursaal. Besuchs-
erlaubnis nach besonderen Bestimmungen des
Reserve-Lazaretts.

2. Städtische Lichtspielbühne. Täglich 30 freie

Sitzplätze, deren Verteilung das Lazarett
bestimmt. Besuchsanträge an den behandeln-
den Arzt. Bei sonstigen Besuchen Preiser-
mäßigung in den vordersten Sitzreihen aus
25 Pfg. pro Person.

3. Straßenbahn. Benützung der Straßenbahn

für eine beliebig lange Strecke zum Preise
von 15 Pfg.

4. Soldatenheim des Roten Rreuzes. Täglich

geöffnet von 2 — 5 Uhr nachmittags; Ver.
abreichung von Kaffee, Tee, Bier und alkohol-
freien Getränken zu ganz mäßigem Preis-
Spiel- und Lesegelegenheit, Klavierbenützung;
besondere Abteilung: Werkstätte für Schuh-
macherei. Besuchsei laubnis erteilt der leitende
Arzt nach den besonderen Bestimmungen des
Reserve-Lazaretts.

5. Unentgeltliche Rechtsauskunft. Werktags

von 3 bis 6 Uhr nachmittags bei den Herren
Rechtsanwälten Or. Ernft Herrmann,
Langestr. 60, vr. Julius H ö w i g, Augusta-
platz 2, und August Schäfer, Sophienstr.29.

6. Rriegsinvaliden - Fürsorge. Beratung der

Kriegsinvaliden (auch der aus dem Lazarett
noch nicht entlaffenen, kranken und verwundeten
Soldaten) in allen sie betreffenden Angelegen-
heiten, insbesondere Berufsberatung. (Siehe
„ Berufsberatungsstelle ".)

?. Unterricht im Rechnen, Geschäftsführung usw.,
Montags und Donnerstags nachmittags von
5 bis 6'/, Uhr, im Vincentischulhaus nach
den besonderen Bestimmungen des Reserve-
Lazaretts.

Jeder Kriegsinvalide, der des Rates und der
Hilfe bedarf, wende sich vertrauensvoll an den

„Badijchen Heimatdank"

Bezirksausschuß Baden
(Bezirksamt)

an die örtlichen Fürsorgestellen in den Land-
gemeinden des Amtsbezirks Baden und in der
Stadt Baden (Rathaus)
an die Berufsberatungsstelle des „Badischen
Heimatdanks" hier

oder an den militärischen Lazarett-Arbeitsnachweis,
(Gr. Amtsgericht, Vincentistr. 5, Telefon Nr. 151.)

Merkbatt für Rrregsinvaliden.

1. Der durch Kriegsverwundung Verstümmelte
oder am freien Gebrauch seiner Gliedmaßen
Behindrrte kann wieder arbeiten lernen, wenn
er selbst den festen Willen zur Arbeit hat.

2. Es soll daher keiner den Mut sinken laffen
und an seiner Zukunst verzweifeln ; er muß
sich nur ernstlich bemühen, den ärztlichen Vor-
schriften voll nachzukommen und die not-
wendigen Uebungen mit Eifer und Ausdauer
betreiben.

3. Selbst derjenige, dem ein oder mehrere Glie-d
maßen fehlen, kann mit geeigneten künstlichen
Gliedern, die ihm die Heeresverwaltung liefert,
häufig, ja meistens in seinem alten Beruf
mieder tätig sein, wenn er stch genügende
Mühe gibt, das ihm Verbliebene in richtiger
Weise auszunützen und den Gebrauch der
künstlichen Glieder zu lernen. Die Heeres-
verwaltung wird ihm mit allen Mitteln die
Wege dazu ebnen.

4. Und wer in seinem stüheren Beruf nicht wieder
tätig sein kann, kann sicher in einem anderen
Beruf noch etwas leisten, nur muß er es sich
nicht oerdrießen laffen, mit Tatkraft und
Fleiß sich in die neue Beschäftigung einzuleben.

5. Jeder, der es bedarf, wird sachverständigen
Rat für die Wahl eines Berufes schon im
Lazarett finden und nach seiner Entlaffung
Gelegenheit haben, sich in geeigneten Fachschulen
usw. für einen neuen Beruf vorzubereiten odcr
in seinem alten Beruf wieder einzuarbeiten.

6. Jeder hüte sich darum, stch als ein unnützrs
Glied der Gesellschaft zu betrachten, er setze
von Anbeginn seinen Stolz darein, trotz der
für das Vaterland erlittenen Verluste sobald
wie möglich wieder ein schaffendes und er-
werbendes Glied seiner Familie zu werden.

7. Es vermeide jeder, sei er verwandt oder be-
freundet, einen Verstümmelten in falschbetätig-
tem Miileid nur immer zu bedauern und
eine Hilflosigkeit zu beklagen. Bei aller herz-
lichen Teilnahme richte er ihn vielmehr aus,
stärke er ihm das Vertrauen auf eine beffere
Zukunft, die Hoffnung auf ein selbständiges
Erwerbsleben, wie es dank der heutigen ärzt-
lichen Kunst, dank der heutigen Technik und
dank des sozialen vaterländischen Sinnes
unseres Volkes, der Arbeitgeber wie der
Arbeitnehmer, für fast alle, auch die Schwerst-
betroffenen erreichbar ist.

Helfe jeder an seinem Teile daiu!
Starker Wille führt ;um Ziet!

Sehenswürdigkeiten Baden-Badens.

Oeutsche Runstausstellung, Lichtentaler
Allee 8 a. 10—7 Uhr.

Runstverein Baden. Gemälde-Ausstellung
neben dem Thealer. Geöffnet Dienstags, Donners-
tags und Sonntags von 11—3 Uhr.

Städtische historische Sannnlungen, Park-
gebäude (Nebenhaus), Jnselstraße l, Eingang in
der Durchfahrt. Geöffnet: Sonntags und F°ier-
tags von 11— ^/sl Uhr und nachmittags von
2 — 4 Uhr. Dienstags von */» 11 —^/ s 1 Uhr,
Donnerstags von r/s ll — ^/s 1 Uhr. — Oie
Nineral- und Schmetterlings-Säle im ersten
Stock sind Sonn- und Feiertags zu besichtigen.
Eintritt frei.

Römische Bader-Änlagen unter dem Römer-
platz. Geöffnet an Werktagen von 9—10 Uhr
vormittags und an Sonn- und Feiertagen von
11-12 Uhr vormittags gegen eine Gebühr von
10 Pfg.

Ratholische Stiftskirche, mit Glas-
Gemälden, fürstlichen Grab-Denkmälern, gotischem
Tabernakel.

Rlosterkirche.

St. Bernharduskirche.

Für die Schriftleitung der Beilage verantwortlich:
Stadtrat H. Koelblin, Stefanienstr. 3, Baden-Badrn
Druck: E. KSlblin, Hofbuchdruckerei, Baden-Baden.
 
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