Wie ik unser W'aneLensyflem
entffanden?
Aon Hermann v. Helmholtz,
I.
Eine Menge von auffallendin Eigeniümlichkeiten
m dem Ban unferes Planetensysiems deuten darauf
hin, daß es einst eine zusammenhangende Masse
mit einer gemeinsamen Umdrehungsbewegung ge-
roesen sei. Ohne eine solche Annahme würde sich
nämlich durchaus nicht erklären lassen, warum alle
Planeten in derselben Richtung um die Sonne
laufen, warum sich alle auch in derselben Richtung
um ihre Achse drehen» warum die Ebenen ihrer
Bahnen und d'e ihrer Trabanten und Ringe alle
nahehin zufammenfallen. warum ihre Bahnen alle
wenig von Kreisen unterfchieden sind, und manches
andere. Aus dieser zurückgebliebenen Andeutung
eines früheren Zustandes habrn sich die Astronomen
eine Hyvothese über die Entstehung unsereS Pla-
netenfystrms gebildet, welche, obgleich sie der Natur
Ler Sache nach immer eine Hypothese bleiben wird,
doch in ihren einzelnen Zügen durch Analogien so
gut begründet ist, daß sie wohl unsere Aufmerk-
famkeit verdient, um so mehr, da diese Ansicht auf
ünserem heimischen Boden, innerhalb der Mauern
Königsbergs i. Pr., zuerst entstand. Kant war es,
der sehr interkss ert sür die physische Beschreibung
der Erde und des Weltgebäudes, sich dem müh-
samen Studium der Werke NewtonS unterzogen
hatte, und als Zeugnis dafür, wie tirf er in dessen
Grundideen eingedrungen war, den genialen Ge-
danken f«ßte, datz dieselbe Anziehungskrast oller
wägbaren Materie, welche jetzt drn Lauf der Pla-
neten unterhält, auch rinst im stande gewefen sein
müffe, das Planetensyltem aus locker im Welt-
raum verstreuter Materie zu bilden. Später fand
unabhänglg von ihm auch Laplace, der große Ver-
saffer der Neeairigüs csiests, denselben Gedanken
und bürgerte ihn bei den Astronomen ein. Den
Anfang unseres Planetensystems mit seiner Sonne
haben wir uns demnach als eine ungrheure nebel-
artige Masse vorzustellen. die den Teil des Welt-
raumes ausfüllte, wo jetzt unser System sich be-
sindet, bis weit über die Grenzen der Bahn des
Sußersten Planeten, des Neptun, hinaus. Noch jetzt
erblicken wir in fernen Gegenden des Firmamenls
Nebelslecken, deren Licht, wie die Sprktralanalyse
lehrt, das Licht glühendrr Gase ist, in deren Spek-
trum sich namentlich diejeuigen hellrn Linien zeigen,
welche glühender Wasserstoff und glühender Stick-
stoff erzeugen. Und auch innerhalb der Räume
unseres eigencn Sonnensyflems zeigen die Kometen.
die Schwürme der Sternschnuppen, das Zodiakal-
licht deutlich Spuren staubsörm'g zrrstreuter Sub-
stanz, die aber noch dem Gesetz der Schwere sich
bewegt und, zum Teil wenigstrns, allmählich von
den größeren Körpcrn zurückgehalten und einver-
leibt wird. Letzteres geschieht in der Tat mit den
Sternschnuppen und Meteormassen, welche in die
Atmosphäre unserer Erde geraten.
Berechnet man die Dichtigkett der Maffe unseres
PlanetensystemS nach der gemachten Annahme für
- die Zeit, wo es em Nebrlball war» der bis an die
Bahnen LeS -'-ßersten Planeten reichte, so findet
sich, daß viele lötillionen Kubikmeilen erst ein Gran
wägbarer Materie enthielten.
Die allgemeine Anziehungskraft aller Materie
zueinander müßte aber diese Maffen anrreiben, sich
einander zu nähern und sich zu oerdichten. so daß
sich der Nebelball immer mehr und mehr ver-
kleinerte, wobei nach mechanischen Gesetzen eine ur-
sprünglich langsame RotationSbewegung, deren Da-
sein wan voraussetzen muß, allwählich immer
schneller und schneller rvürde. Durch die Schwung-
krast, die in der Nähe des Aequators des Nebel-
balles am stärksten wirken mußte, konnten von Zeit
zu Zeit Massen loSgrrissen werden, welche dann
getrennt von dem Ganzen ihre Bahn fortsetzten
und sich zu einzrlnen Planeten oder ähnlich bem
grotzen Balle zu Planeten mit Trabantensystemen
und Ringen umformten. bis endlich die Haupt-
masse zum Sonnenkörper sich verdichtete. llebrr den
Ursprung von Wärme und Licht gab uns jene An-
sicht noch keinen Aufschluß.
Als sich jeyrS Nebelchaos zuerst von onderen
Fixsternmassen getrennt hatte, mußte es nicht nur
fchon sämtliche Materie enthalten, avs der das
künstige Planetensystrm zusammenzusetzen war. son-
dern unserem neuen Gesetze gemäß - auch den ganzen
Vorrat an Arbeitskraft, ber einst darin srinen
Reichtum an Wirkungen entfalten sollte. Jn drr
Tot war ihm eine ungeheuer grotze Mitgist m
dieser Beziehung schon allein in Form der allge-
meinen Änziehungskraft aller ieiner Teile zuein-
ander mitgegeben. Diese Krast, welche auf der
Erde sich äls Schwerkraft äutzert. wird in Bezug
auf ihre Wirksamkeit in den Weltemäumen die
himmlische Schwere oder Grovitation genannt. Wie
die irdifche Schwere. wenn sie ein Gewicht zur Erde
niederzieht, eine Arbeit verrichtet und lebendige
Kraft rrzeugt, so tut es auch jenr himmlische, wenn
sie zwei Massenteilchen aus entftruten Gegenden
des Weltraumes zueinandrr sührt.
Auch die chemischen Krüste mußten schoa vor-
handm sein, bereit zu mirken. Aber da die Krüfte
erst bei der innigen Berührung der veischiedenen,
Massen in Wirksamkrit treten können. mußte erst
Verdichtung eingetreten sein, ehe ihr Spiel be-
ginnen konnte.
Ob noch em writerer Krastvorrat in Gestalt
von Wärme im Uranfange vorhanden war. wiffen
wir nicht. Jedknfalls finden wir mit Hilse des
Gefetzes der Aeguivalenz von Wärme und Arbeit
in den mechanifchen Kräften jenes Urzustandes eine
so reiche Quelle von WSrme und Licht, datz wir
gar keine Beranloffung haben, zu einer anderen
ursprünglich bestehenden unftre Zuflucht zu nehmen.
Wenn nämlich bri der Vrrdichtung drr Maffen ihre
Teilchen auftinanderstirtzen und nrbeinanderhafteten.
so wurde dir lebendige Kraft ihrer Bewcgung da-
durch vernichtet und mutzte zu Wärme werden.
Schon in älteren Throrien hat man dem Rechnung
getragen. daß daS Zufammenstoßeu kosmischcr
Massen Wärme erzeugen mutzte, abrr man war
weit entfernt davon, auch nur uugesähr beurteilen
zu können, wie hoch dieft Wärrne zu veranschlagen
sein müchte.
Hrute können wir mit Sicherheit bestimmte
Zahlenwerte angeben.
Schließen wir uns aber der Voraussetzung av,
daß am Ansang die Dichtigkeit der nebrlartig ver-
terlten Materie verfchwindend klein gewesen sei
gegen die jetzPe Dichtigkeit der Sonne und der
Planeten, so könnrn wir berechnen. wreoiel Arbeit
Lei der Verdichtung grlerstet worden ist, wrr können
ftrnrr berechnen. wievrel von Lieser Arbeit noch
jetzt in Form mechauischer Krastgrößrn besteht, ols
Anziehung der Planeten zur Sonne und als leben-
dige Krast ihrer Bewegung, und fiaden daraus,
wreviel in WSrwe verwcmdelt worden ist.
Dcrs Ergebnis dieser Rechnung ist, daß nur
noch etwa der 443. Tei! der ursprünglichen
mechanischen Krast als solche besteht, datz daS Lbrige,
in Wärme verwcmdelt. hinreicht, umeine der Maffe
der Sonne und der Planeten zusammrngeuommen
entffanden?
Aon Hermann v. Helmholtz,
I.
Eine Menge von auffallendin Eigeniümlichkeiten
m dem Ban unferes Planetensysiems deuten darauf
hin, daß es einst eine zusammenhangende Masse
mit einer gemeinsamen Umdrehungsbewegung ge-
roesen sei. Ohne eine solche Annahme würde sich
nämlich durchaus nicht erklären lassen, warum alle
Planeten in derselben Richtung um die Sonne
laufen, warum sich alle auch in derselben Richtung
um ihre Achse drehen» warum die Ebenen ihrer
Bahnen und d'e ihrer Trabanten und Ringe alle
nahehin zufammenfallen. warum ihre Bahnen alle
wenig von Kreisen unterfchieden sind, und manches
andere. Aus dieser zurückgebliebenen Andeutung
eines früheren Zustandes habrn sich die Astronomen
eine Hyvothese über die Entstehung unsereS Pla-
netenfystrms gebildet, welche, obgleich sie der Natur
Ler Sache nach immer eine Hypothese bleiben wird,
doch in ihren einzelnen Zügen durch Analogien so
gut begründet ist, daß sie wohl unsere Aufmerk-
famkeit verdient, um so mehr, da diese Ansicht auf
ünserem heimischen Boden, innerhalb der Mauern
Königsbergs i. Pr., zuerst entstand. Kant war es,
der sehr interkss ert sür die physische Beschreibung
der Erde und des Weltgebäudes, sich dem müh-
samen Studium der Werke NewtonS unterzogen
hatte, und als Zeugnis dafür, wie tirf er in dessen
Grundideen eingedrungen war, den genialen Ge-
danken f«ßte, datz dieselbe Anziehungskrast oller
wägbaren Materie, welche jetzt drn Lauf der Pla-
neten unterhält, auch rinst im stande gewefen sein
müffe, das Planetensyltem aus locker im Welt-
raum verstreuter Materie zu bilden. Später fand
unabhänglg von ihm auch Laplace, der große Ver-
saffer der Neeairigüs csiests, denselben Gedanken
und bürgerte ihn bei den Astronomen ein. Den
Anfang unseres Planetensystems mit seiner Sonne
haben wir uns demnach als eine ungrheure nebel-
artige Masse vorzustellen. die den Teil des Welt-
raumes ausfüllte, wo jetzt unser System sich be-
sindet, bis weit über die Grenzen der Bahn des
Sußersten Planeten, des Neptun, hinaus. Noch jetzt
erblicken wir in fernen Gegenden des Firmamenls
Nebelslecken, deren Licht, wie die Sprktralanalyse
lehrt, das Licht glühendrr Gase ist, in deren Spek-
trum sich namentlich diejeuigen hellrn Linien zeigen,
welche glühender Wasserstoff und glühender Stick-
stoff erzeugen. Und auch innerhalb der Räume
unseres eigencn Sonnensyflems zeigen die Kometen.
die Schwürme der Sternschnuppen, das Zodiakal-
licht deutlich Spuren staubsörm'g zrrstreuter Sub-
stanz, die aber noch dem Gesetz der Schwere sich
bewegt und, zum Teil wenigstrns, allmählich von
den größeren Körpcrn zurückgehalten und einver-
leibt wird. Letzteres geschieht in der Tat mit den
Sternschnuppen und Meteormassen, welche in die
Atmosphäre unserer Erde geraten.
Berechnet man die Dichtigkett der Maffe unseres
PlanetensystemS nach der gemachten Annahme für
- die Zeit, wo es em Nebrlball war» der bis an die
Bahnen LeS -'-ßersten Planeten reichte, so findet
sich, daß viele lötillionen Kubikmeilen erst ein Gran
wägbarer Materie enthielten.
Die allgemeine Anziehungskraft aller Materie
zueinander müßte aber diese Maffen anrreiben, sich
einander zu nähern und sich zu oerdichten. so daß
sich der Nebelball immer mehr und mehr ver-
kleinerte, wobei nach mechanischen Gesetzen eine ur-
sprünglich langsame RotationSbewegung, deren Da-
sein wan voraussetzen muß, allwählich immer
schneller und schneller rvürde. Durch die Schwung-
krast, die in der Nähe des Aequators des Nebel-
balles am stärksten wirken mußte, konnten von Zeit
zu Zeit Massen loSgrrissen werden, welche dann
getrennt von dem Ganzen ihre Bahn fortsetzten
und sich zu einzrlnen Planeten oder ähnlich bem
grotzen Balle zu Planeten mit Trabantensystemen
und Ringen umformten. bis endlich die Haupt-
masse zum Sonnenkörper sich verdichtete. llebrr den
Ursprung von Wärme und Licht gab uns jene An-
sicht noch keinen Aufschluß.
Als sich jeyrS Nebelchaos zuerst von onderen
Fixsternmassen getrennt hatte, mußte es nicht nur
fchon sämtliche Materie enthalten, avs der das
künstige Planetensystrm zusammenzusetzen war. son-
dern unserem neuen Gesetze gemäß - auch den ganzen
Vorrat an Arbeitskraft, ber einst darin srinen
Reichtum an Wirkungen entfalten sollte. Jn drr
Tot war ihm eine ungeheuer grotze Mitgist m
dieser Beziehung schon allein in Form der allge-
meinen Änziehungskraft aller ieiner Teile zuein-
ander mitgegeben. Diese Krast, welche auf der
Erde sich äls Schwerkraft äutzert. wird in Bezug
auf ihre Wirksamkeit in den Weltemäumen die
himmlische Schwere oder Grovitation genannt. Wie
die irdifche Schwere. wenn sie ein Gewicht zur Erde
niederzieht, eine Arbeit verrichtet und lebendige
Kraft rrzeugt, so tut es auch jenr himmlische, wenn
sie zwei Massenteilchen aus entftruten Gegenden
des Weltraumes zueinandrr sührt.
Auch die chemischen Krüste mußten schoa vor-
handm sein, bereit zu mirken. Aber da die Krüfte
erst bei der innigen Berührung der veischiedenen,
Massen in Wirksamkrit treten können. mußte erst
Verdichtung eingetreten sein, ehe ihr Spiel be-
ginnen konnte.
Ob noch em writerer Krastvorrat in Gestalt
von Wärme im Uranfange vorhanden war. wiffen
wir nicht. Jedknfalls finden wir mit Hilse des
Gefetzes der Aeguivalenz von Wärme und Arbeit
in den mechanifchen Kräften jenes Urzustandes eine
so reiche Quelle von WSrme und Licht, datz wir
gar keine Beranloffung haben, zu einer anderen
ursprünglich bestehenden unftre Zuflucht zu nehmen.
Wenn nämlich bri der Vrrdichtung drr Maffen ihre
Teilchen auftinanderstirtzen und nrbeinanderhafteten.
so wurde dir lebendige Kraft ihrer Bewcgung da-
durch vernichtet und mutzte zu Wärme werden.
Schon in älteren Throrien hat man dem Rechnung
getragen. daß daS Zufammenstoßeu kosmischcr
Massen Wärme erzeugen mutzte, abrr man war
weit entfernt davon, auch nur uugesähr beurteilen
zu können, wie hoch dieft Wärrne zu veranschlagen
sein müchte.
Hrute können wir mit Sicherheit bestimmte
Zahlenwerte angeben.
Schließen wir uns aber der Voraussetzung av,
daß am Ansang die Dichtigkeit der nebrlartig ver-
terlten Materie verfchwindend klein gewesen sei
gegen die jetzPe Dichtigkeit der Sonne und der
Planeten, so könnrn wir berechnen. wreoiel Arbeit
Lei der Verdichtung grlerstet worden ist, wrr können
ftrnrr berechnen. wievrel von Lieser Arbeit noch
jetzt in Form mechauischer Krastgrößrn besteht, ols
Anziehung der Planeten zur Sonne und als leben-
dige Krast ihrer Bewegung, und fiaden daraus,
wreviel in WSrwe verwcmdelt worden ist.
Dcrs Ergebnis dieser Rechnung ist, daß nur
noch etwa der 443. Tei! der ursprünglichen
mechanischen Krast als solche besteht, datz daS Lbrige,
in Wärme verwcmdelt. hinreicht, umeine der Maffe
der Sonne und der Planeten zusammrngeuommen