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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 13-14, Januar 1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0079

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Weine Grlebnisse während
des Krieges.

Von Matrose Gottsried Klüber/
z- Zt- Genesungskompaguie WLchtersbach bei Gelnhansen.

(Vom IV. Preisausschreiben.)

Während des Kriegsausbruchs war ich mit Frau
uvd Kindern auf einem Schiff und lagen im Ruhr.
orter Hafen. Am ersten Mobilmachungstag hatte
mein Schiffmann das Schiff verlaffen. um sich zu
stellen, auch die nebenliegenden Schiffe waren am
folgenoen Morgen herrenlos, denn fast alle Schif-
fige mußten sich stellen. sodatz ich fast der einzige
Matros war, der mit Frau und Kindern noch das
Schiff hütete. Aber auch ich hatte nicht Lust, länger
auf dem Schiff zu bleiben. So ging ich am
dritten Mobilmachungstag nach Duisburg und wollte
mich freiwillig melden, ader als ich in die Stratze
anlangte. wo das Bezirkskommando war, da stand
die ganze Stratze voll Männer, so dah ich HStte
lange warten müffen, bis ich an die Reihe ge-
kommen wär. Aber schon nach zwei Stunden kam
ein Schutzmann und sagte laut, alles was frei-
willig wäre, sollte heimgchen, es werden vorläufig
keine Freiwillige angenommen. So ging ich wie-
der an Bord und arbeitete. Am fünften Mobil-
machungstag ging ich wieder nach Duisburg um
mich zu stellen, aber ich wurde wieder abgewiesen,
ich sollte nach Mainz gehen. Jch fuhr noch am
sclbigen Abend nach Köln und dann nach Mainz,
Frau und Kinder zurücklaffend.

Als ich in Mainz ankam. wurde ich von der
Militärbehörde angehalten. Jch zeigte meinen Pah,
aber trotzdem muhte mich ein Soldat nach dem
Bezirkskommando begleiten. Dort angekommen, er-
hielt ich die Weisung zu warten, bis ich Befehl
erhalte. So ging ich zu meinen Eltern und
Schwiegereltern und blieb den.Lag in Mainz.

Am folgenden Morgen fuhr ich nach Duisburg
zurück und auf mein Schiff. Da regte es sich aber
schon wieder auf manchen Schiffen und cinige waren
schon auf Strom geschleppt wmden. Auch wir be-
kamen einen Schiffmann wieder und fuhren dann
nach Mainz. 'Jn Mainz angelangt, tat ich Frau
und Kinder ans Land; sie suchten itzr Heim, welches
von meiner Mutter in Ordnung gehalten wurde.
Jch selbst blieb noch auf dem Schiff. Wir fuhren
noch einige Reise. bergab und -auf. Weihnachten
feierte ich in Oberwinter und Neujahr am Homberger

Ort bei Duisburg-Ruhrort auf dem Schiff. Jch machte
noch eine Reise nach Frankfurt und wieder zurück,
dann kam am 6. Februar eine Depesche, datz ich
mich am 8. Februar stellen mutzte. Jch packte meine
Sachen und fuhr einige Stunden später schon nach
Mainz. . '

Es war Sonntag Morgen als ich iu Mainz
ankam, und ich machte mir mit Frau und Kindern
noch einen fröhlichen Tag. Am Montag Morgen
halb acht Uhr mußte ich mich stellen. Es war zwölf
Uhr alS es hietz, wir dürften heim und mützten
um drei Uhr wirder hier im Kasernenhof erscheinen.
Um ' vier Uhr fuhrcn mit der Bahn nach Gie-
tzen und ich kam zu den llbern zur Jnfanterie.
Jch freute mich, endlich Soldat zu sein, auch war
mir die Ausbildung nicbt allzu schwer gefallen,
denn ich hatte sehr erfreuliche Stunden gehabt.

Da wurden Schiffbauer, Schloffer und Werkzeug-
macher eines Tages gesucht für die Schiffswerft in
Danzig. Es hieh, alle die fachkundig in diesem
Berufe seien, sollten oortretcn. So trat auch ich
mit vor als Schiffbauer, ich kam Ende März
nach Danzig auf die Schichau-Werft. Daselbst
war ich vier Monale als Schiffbauer tätig. Da
kam eines Tages das Gerücht, es gedt jetzt gegen
Serbien, gegen den Balkan. Wir sagten uns alle,
im Balkan hat der Krieg angefangen und der Krieg
tut auch damit enden.

Am Abend traf ich meine Freunde und wir
stimmten alle überein, uns freiwillig zu melden,
aber zu unserm Truppenteil nach Gietzen. Und es
wurde uns genehmigt. Wir bekamen einen Fahr-
schein und fuhren am folgenden Abend nach Gietzen,
und ein paar Wochen später ging es zur Donau,
durch Oesterreich-Ungarn an die serbische Grenze.
Das erste Städtchen hietz Semendria, eine kleine
Festung. Dieselbe wurde fast dem Erdboden glcich-
gemacht. Dann ging es drauf und drauf. Die
Serben lietzen es seltcn oder garnicht zu einem
Handgemenge kommen, was mir sicherlrch Spatz
gemacht HStte. Aber es ging auch so. denn es
ging durch Weinberge, in welchen grotze süße Trauben
hingen. Wir nahmen Stellung in Wingerten, und
ich dachte garnicht an den Tod oder die gefährliche
Lage, mir kam auch nicht der Gedanke an heim,
an Frau und Kinder; nur mein Gewehr. der Spaten
oder die Trauben waren meine Gedanken. So ging
es bis noch einen Tagesmarsch vor Kragujewatz,
als wir wieder nach endlosem Marsche unser Nacht-
quartier in einer tiefgelegenen Wiese aufschlugen.

Es war sehr schlechtes Wetter, und es regnete
noch immer. Zelte konnten keine aufgeschlagen
werden. Wir holten Holz und machten uns Feuer,
denn wir waren ja sicher, nicht beobachtet zu werden,
da wir in einer Mulde und noch sehr weit vom
Feinde entfernt waren. Jch bekam einen <schüttel->
frost nach dem andern, denn ich war durch und
durch nah. da ich weder Mantel noch Zeltbahn
hatte. Nämlich auf einem vorhergehcnden Halt-
machen, so um die Mittagsstunde, wurde mir Tor-
nister samt Jnhalt und Umgcbung genommen, wäh-
rend ich auStreten ging. Jch stand nun am Lager-
feuer und wärmte mlch, da kam mein Gruppen-
führer zu mir und sagte, eine gute halbe Stunde
von hier geht links ein Weg ab, da liegt in der
NShe des Sanitätshäuschens ein toter 168 er. mit
einem Mantel zugedeckt. . Den soll ich mir holen.
und ich ging, so müde ich auch war, zurück. E8
war stockdunkel, und ich muhtr sehr acht geben, da-
mit ich am Wege blieb, dena den Weg selbst konnte
ich nicht g-hen, da er ganz aufgeweicht und sehr
versahren war. Jch ging über die Felder. wo ich
als bis zu den Knien im Schlamm watete
und in der Dunkelheit in Löcher fiel, die mit Schlamm
und Wasser angesüllt waren. Aber ich fand den
Toten und war froh, einen Mantel zu haben. Nach
einer halben Stunde war ich wieder am Lager und
wärmte mich, aber ich war sehr müde, auch tat
mir alles weh. Mein Sluhlgang w^ir nur noch
Schleim und Blut und so oft, daß ich bald nicht
mehr mitkam, ich mcrkte, wie ich zusehends abnahm.
Das Essen schmeckte nicht mehr, ich hatte nur noch
Durst. Aber da pab es nur noch Bachwasfer,
welches durch den Regen sehr mottelich, schr schmutzig
war. Jch trank es, ohne abzukochen, Lenn am
Feuer konnte einer schlecht dran kommen, und dann
hatle ich so Durst, datz ich es auch garnicht ab-
wartcn konnte, bis das Wasser kochte. Jch meldete
mich dem Arzt und bekam Tropfen. Als ich einige-
mal beim Arzt war, halfen auch die Tropfen nicht
mehr. Jch bekam Magenkrämpfe, und wenn ich
mal satz oder lag, 'so konnte ich kaum noch auf.
Aber trotzdem ging ich immer noch in Reih und
Glied.

Beim Gefecht vergatz ich alles, denn ich war.
noch kampfeslustig und wollte doch auch etwas er-
werben, ich wurde zuletzt ganz lrichtsinnig, mir lag
nichts an meinem Leben, ich stellte mich in den
stärksten Kugelregen und wünschte nur den Tod,
meldele mich freiwillig zur Erkundung und allen
 
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