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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 3-4, August 1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0019

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Areisausschreiöen.

Es ist vielfach die Ueberzeugung ausgesprochen
worden, daß das deutsche Volk als ein anderes
aus diesem Kriege hervorgehen werde, als es in
den Krieg eingetrcten ist. Was es in den Jahren
des Kawpfes erlebt hat, werde sein Wesen sür die
Zukunst beeinstussen. Diese Wandlung des Volkes
werde sich auch in jedem Einzelnen wahrnehmbar
machen, in seiner Stellungnahme zu Welt und Leben.

Unser Preisausschreiben soll nun Gelegenheit
geben zur Aeußerung über die Frage: WaS habe
ich durch den Krieg erfahren, erkannt? bin ich durch
den Krieg ein andcrer gewordcn? — oder ist alles
im wesentlichen geblieben wie es war?

Das Thema unsercs Preisausschreibens soll
heißen:

„Krfayrungen des Krieges".

Wie bci unscren frühercn Preisausschreiben
möchten wir vor allem Eczählungen und Schildc-
rungen haben. Drum soll keiner glauben, daß er
nicht gebildet genug wäre, sich an unserem Preis-^
ausschreiben zu beteiligen. Wer starke Eindrücke
gehsbt hat, im Kcieg oder durch den Krieg, als er
hinauszog, draußen, als er hsimkam, in seinem
Verhältnis zur Erde und zum Himmcl, zu den
Menschen, zu Freunden, zu Frau und Kind, zu
seinem Beruf, seinen Zukunftswünschen, möge ver-
suchen, einfach und wahr daraus mitzuteilen. Jede
Beteiligung ist willkommen. Die besten Arbeitcn
wrrdrn in dcr Lazarett-Zeitung veiöffentlicht.

Es ist ausgesetzt: ein Preis im Werte von
40 Mk., zwei im Werte von 25 Mk. und fünf im
Werte von 10 Mk. (nach Wahl in Geld, Büchern
oder Gebrauchsgegenständen). Außerdem dreiß'g
Preise in Büchern, deren Gebiet bestimmt werden
kann.

Letzter Einsendungstermin: 15. September. Die
Sendungen sind zu adressieren: Lazarett-Zeitung,
Frankfurt a. M., Paulsplatz 10. Zioilberuf ist an-
zugeben. Auf dem Briefumschlag das Wort: Preis-
ausschreibcn.

Kleine HeschichLen.

(Aus der Franzosknzeit.)

Von Johann Peter Hebel.

Per Aarbierjunge von Segringen.

Man muß Gott nicht versuchen, aber auch die
Menschcn nicht. Denn im vorigen Spätjahr kam
in Lem Wirtshaus zu Segringen ein Fremder von
der Armee an, der eincn starken Bart hatte, und
fast wunderlich aussah, also daß ihm nicht recht zu
trauen war. Der sagt zum Wirt, ehe er etwas zu
essen oder zu trinken fordert: Habt Jhr keinen Bar-
bier im Ort, der mich rasieren kann? Der Wirt
sagt ja, und holt dcn Barbier. Zu dem sagt der
Fremde: Jhr sollt mir den Bart abnehmen, aber
ich habe eine kitzliche Haut. Wenn Jhr mich nicht
ins Gesicht schneidet, so bezahl' ich Euch vier Kronen-
taler. Wenn Jhr mich aber schneidet, so stech' ich
Euch tot. Jhr wäret nicht der Erste. Wie der er-
schrockene Mann das hörte (denn der fremde Herr
machte ein Gesicht, als wenn es nicht vexiert wäre.
und das spitzige, kalte Eisen lag auf dem Tisch), so
springt er fort und schickt den Gesellen. Zu dem
sagt der Herr das nämliche. Wie der Gesell das
nämliche hört, springt er ebenfalls fort und schickt
den Lehrjungen. Der Lehrjunge läßt sich blenden
von dem vielen Geld und denkt: Jch wag's. Ge-
ratet es und ich schneide ihn nicht, so kann ich mir
für vier Kronentaler einen neuen Rock auf die Kirch-
weihe kausen und einen Schnepper. Geratet's nicht,
so weiß ich» was ich tue, und rasiert dcn Herrn.
Der Herr hält ruhig still,. weiß nicht, in welcher
entsetzlichen Todesgefahr er ist, und der verwegene
Lehrjunge spaziert ihm auch ganz kaltblütig mit dem
Messer im Gesicht und um die Nase herum, als
wenn's nur um einen Sechscr oder im Fall eines
Schnittes um ein Stücklein Zunder oder Fließpapier
darauf zu tun wäre und nicht um vier Kronentaler
und um ein Leben, und bringt ihm glücklich den
Bart aus dem Gestcht, ohne Schnitt und ohne
Blut, und dachte doch, als er fertig war: Gottlob l

Als aber der Herr aufgestanden war und sich
im Spiegel beschaut und abgetrocknet hatte und gibt
dem Jungen die vier Kronenialer, sagt er zu ihm:
Aber junger Mcnsch, wer hat dir den Mut gegeben,
mich zu rasieren, so doch dein Herr und der Gesell
sind fortgesprungen? Denn wenn du mich geschnitten
hättest, so hätt'-ich dich erstochen. Der Lehrjunge
aber bedankte sich lächelnd für das schöne Stück
Geld und sagte: Gnädiger Herr, Jhr HSttet mich
nicht erstochen, fondern wenn Jhr gezuckt hättet und
ich hätt' Euch ins Gesicht geschnitten, fo wär' ich

Euch zuvorgekommen, hätt' Euch augenblicklich die
Gurgel abgehauen und wär' auf und davon ge-
sprungen. Als der fremde Herr das hörte und an
die Gefahr dachte, in der er gesessen war, ward er
erst blaß vor Schrecken und Todesangst, schenkte
dem Burschen noch einen Kronentaler extra und
hat seildem zu keinem Barbier mehr gesagt: Jch
steche dich tot, wcnn du mich schneidest.

Z>er schkaue Knsar.

Ein Husar im letzten Kriege wußte wohl, daß
der Bauec, dem er jetzt auf der Straße entgegen-
ging, 100 fl. für geliesertes Heu eingenommen hatte
und heimtragen wollte. Deswegen bat er ihn um
ein kleines Geschcnk zu Tabak und Branntwein.
Wcr weiß, ob er mit ein paar Batzen nicht zufrieden
gewesen wäre. Aber der Landmann versicherte und
-beteuerte bei Himmel und Hölle, daß er den eigenen
lctzten Kreuzer im nächsten Dorf ausgegeben und
nichts mehr übrig habe. Wenn's nur nicht so weit
von meinem Quartier wäre, sagte hierauf der Husar,
so wäre uns beiden zu helfen; aber wenn du hast
nichts, ich hab' nichts, so müssen wir den Gang zum
heiligen Alphonsus doch machen. Was er uns heute
bescheit, wollen- wir brüderlich teilen. Dieser
Alphonsus stand in Stein ausgehauen in einer
alten, wenig besuchten Kapelle am Feldwcg. Der
Landmann hatte anfangs keine große Lust zu diefer
Wallfahrt. Aber der Husar nahm keine Vorstellung
an und versichcrte unterwegs seinem Begleiter so
nachdrücklich, der heilige Alphonsus habe ihn noch
in keiner Not stecken lassen, daß dieser selbst anfing,
Hoffnung zu gewinnen. Vermutlich war in dcr
abgelegenen Kapelle ein Kamerad und Helf-rshelfer
des Husaren verborgen? Nichts wenigerl Es war
wirklich das steinerne Bild des Alphonsus, vor
welchem sie jetzt niederknieten, während der Husar
gar andächtig zu beten schien. Jetzt, sagte er seinem
Begleiter ins Ohr, jetzt hat mir der Heilige ge-
winkt. Er stand auf, ging zu ihm hin, hielt die
Ohren an die steinernen Lippen, und kam gar
freudig wieder zu seinem Begleiter zurück. Einen
Gulden hat er mir geschenkt, in meiner Tasche müsse
er schon stecken. Er zog auch wirklich zum Erstaunen
des anderen einen Gulden heraus, den er abxr schon
vorher bei sich hatte. und teilte mit ihm versprochener-
maßen brüderlich zur Hälfte. Das leuchtete dem
Landmann ein, und es war ihm gar recht, datz der
Husar die Probe noch einmal machte. AlleS ging
das zweite Mal wie zuerst. Nun kam der Kriegs-
mann diesmal viel freudiger von dem Heiligen zurück.-
Hundert Gulden hat uns jetzt der gute Alphonsus
auf einmal geschcnkt. Jn deiner Tasche müfsen fie
 
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