Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

DOI Kapitel:
Hefte 47-48, Juni 1918
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0277

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ßyr-ni».




»/

'M

-U'-,

V

Z

M


»

WW


lV"77


»«»

»r g-1

L.V-L«

>1»»»




"II"»'.

LMML






i. Iuni 1918?^

s Ss^n
socosc<

Hr. 4/

Kaäen-Kaäen

Dt« -lie-rpaufe im Westen hielt an, bil a«SV. M«t
bie deutfch« Offe »side wiedrr loSbrach Der Borstoß
richtet stch dieSmal gegen die franzdstschen Etrlluogen utrd-
lich der Aisn« in der Linie SoiffoaS - ReimS; der Höhen-
zug des Chemin des Dames (Damenweg) wurde beretts er-
stttrmt, uud dle Truppen drs deutschen Kronprinzrn stehen
iu schweren KLmpfen um die llebergLage der Aisue. Die
Fernbeschietzung der Festung Paris, die in der letzte» Zeit
»iederholt durch Flieger augegriffen wurdr, hat wieder
«ngesetzt.

Rachdem Kaifrr K»rl. von Oesterreich dm
drutschea Kaiser im Haupiquartier dcsucht hatte, «m daS
Büudnis zwischeu Oesterreich uud Deutschlaad eager zu
kustpfea uud iusb-soudere »eue militLrische Eicherungea für
die Waffeageweinschast zu besprecheu, hat der Kaiser dou
Oesterreich nunmehr auch deu Künig von Bulgarim in Eofia
uud Heu Eultaa in Konstantinopel besacht.

Die Bcfreiuag Finnlauds ist zum Abschluß gr-
komw'N uad die Frage der küastigen Regieruugssorm sttht
vor ihrer Entsch-iduug. General' Manuerheim, der
Kommanbiereade der Fiiinischen Wettzen Gard«, der die
Einsührung der Mouarchie befürwortrt, ist am 24. Mai
zurückgetreten.

Die ll-Boot-Beute deS April betrug 652000
Louum, sodaß auamehr seit Beginu des uneiugeschrLnkten
Ü-Bootkrieges 1l 611 000 Lonuen. im ganzen 17116.000
Toaum feindlichen Echlffsraums versenkt wardea stnd.

.Jch gebe mir wirklich alle Mühe, aber ich bin
zu steif,' daS oersicherte unS Vater immer nnd
immrr wiedek.

»»

Fatrr."

Bon Eoldat Kurt Bürger, z. Zt. Reserve-Lazarett V,
Frankfurt ä. M.

(Aus drm VII. PreiSausschreibeu.)

Becker hirß er.

Wir nannten ihn alle .Vater^

Er hatte nichtS BesondrreS an stch, war Knt-
fchrr von Beruf, mager, von großer Gestalt mit
langrn, dünnen Beinen, über die er nur allzuost
stolperte; sein ergraute» Haar verriet den 47jührigea.

Erst mit dem letzten Transport kam er zur
Front. freiwillig, wie Kameraden, die ihn vom Er-
fatzbataillon her kannten, erzählten. Freiwilligl Jm
dritten KriegSjahr steiwillig! In dem Alter und
wrg von Frau und Kindern . . .! UnS blieb daS
dauernd ein Rütfel.

Zum Soldaten war Bater nicht geboren: er
erfaßte die KommandoS schwrr, hing bei jedem Ge-
wehrgriff, fiel beim »Sturm' über jede kleine Erd-
«hebung; kurzum: im Dienst hatten die Dorge-
s^tztrn ihre liebe Not mit ihm.

Wer wie ich mit ihm in der Sruppe war,
zweifelte auch gar nicht daran. Wenn fich die Kom-
pagnie auSruhte. fich in Sropprn unterhielt, laS,
schrieb. dann arbestete Becker: bürstete frine Uni-
form, flimmerte an seinem Lederzeuge, reinigte fein
Sewehr zum soundsooielten Mal« . . . und fiel
bei der Klrider- und Waffendurchfiht doch wirder
auf. GSnute er fich einmal rinen Augenblick Ruhe,
so sah er mtt angezogenen Kniren iumitten seinrr
Siebeusachen, stützte seinen Kopf mü den Hünden
und saun und sann. Woran rr dachte, daS weiß
Gott; mit unS sprach er nie dmübrr.

Die Kameraden lachten über ihn; mst gefiel
sein Fleiß. sein aukichtigeS Bemühen, die Vorge-
setzten zu beststdigen, seia stilleS. uachdenklicheS
Wesen; er dauerst mich, well er solcheS Pech hatte.

Weil rr in der Gruppe nebrn mir stand, machte
ich ihn ab und zu auf kleine Müngel aufmerksam,
und er war wst dankbar. Er sprach mtt mst ein
Wort mehr alS mit den anderev; wir wurden
Freunde, gute Freunde, trotzdem ich rrst 19Jahre
zühlte.

Ja d« Freizeit sttzte sich Vater zu mst, oer-
tra«e mst stiae kleinen G-Heimniffe an, sprach von
seinen lkindern, stinem 1916 gefallrnen Sohn. Von
ihm erzühlte er am lstbsten. In seiner Briestasche
trug er die Mttteilung der Kompagnie, in der sein
Sohn alS tapferer, deutscher Soldat gelobt wird.
Dstfe Uikunde zog Bater oft hervor, soh fie lange
an, schüttelte den Kopf, strcktt ste wieder in die
Tasche und wischte fich die Nafe, um so unbe-
mertt ein paar Tränen abzustocknen.

Aber mit keinem Worte erwühnte er feine Frau.
Darüber wunderte ich mich, fragte aber nie nach
dem Grunde.

Vom Schreiben verstavd Bater nicht viel. Mit
Mühe und Not kritzrlte ec mir seine Adreffeoor, da-
mit ich seine Post erledigen konnst. Dabei fiel rS
mir auf, daß er nur mit seinen Kindern ia Brief-
verkehr stand. Bon feiner Frau erhielt er keine
Zeile, stotzdem er seine Löhnungen regelmüßig heim-
fchickte. Wie grrn hätte ich über diefeS eigenartige
BerhültniS Aufklüruag gehabt, allein ich wollte
keinen wunden Punkt berühreu; denn daß hier
etwaS nicht ia Ordnung war, ahnte ich.

D« Juli kam, jrdoch VatnS eigevmtigeS
Wesen blieb mst ein Rätsel. Bis zu jenem Tage l

Unsere Divifiou wurde am . . berge eiugefetzt.

Dort ging eS damalS heitz her. Sngriff und
Segenangriff wechsrttrn in rascher Reihenfolge.

Minstrhölzrr, Drahthinderuiffe, spanische Reit«,,
Wrllblrche usw. wurden in deu vordrrsten Linstn
gebraucht, und wir hatten die Sufgabe, unstre be-
drüngtrn Kam«aden dauernd mit diesen notwen-
digen Gegenstündrn zu versorgen. Jrden Abend
giug e» vor, oft urt« dem stürkstea seindlichrn
ArtMerstfeu«.

Der schwerste Tag ab« war d« 26. Juli.

Wst Deutsche« hatstn riuen erfolgreichen Gegen-
stoß gemacht. Der Fraazmaan. sowieso imm« eia
bitzchen neroöS, schoß mit den schwersten.Marttn^
in unser Hintergelünde. Doch unser Tmnsport
war dringend uotwradig. Die neue Stellung mußte
wieder durch ein Drahtverhau geschützt w«drn.

Je zwei Mann hatttn ein Schurlldrahthinder-
niS vorzubrstgrn.

AlS Nr. 1 trug ich daS HinderniS, wührend
Bater alS Nr. 2 mein Sewehr an fich nahm.

Wir stapsten 4oS. eine lange Reihe im.Sänse-
marsch'. DaS Glück schiea uaS hold zu sein; drn«
daS Feuer ließ etwaS nach. Rasch ging e» vor-
würtS, stumm. nur ab und zu eiu WarnungSruf:
.Achtung Drahtl' .LstkS ein Sranatlochl' .v«°
eilen. Schrapnellrcke!' Ju 45 Mstustn hatten
wir bereüS dst St«cke bewüttigt, -u d« wst soust
mindestenS este Stunde gebraucht hatten. Wst-
ftruten uaS und brflügetten uastre Schrttte trotz
der Last. »

Ob unS dke Franzmänner im Schest der Lencht-
kugeln geschen od« unS durch die WarnungSrufe
gehört hatten, ich weiß eS nicht. IedenfallS setzst
ganz plötzlich ein mörderischeS Sprrrfeu« est.

Granaten Heulten, Schrapuelle platzstn. Doch
wst ranuten weiter, schvell«, imm« schnell«.
Granatlöcher, Baumstümpfe, nichtS kounte unseren
Gang breinfluffen.

Wir fielen; ttuchend standen wst auf uud sausten
wetter, denn die Hsttermünuer schoben nach vorn.

Die Hünde bluteten, der Schlvriß raa« überS
Gestcht, die Kleider zerriffen.

Niemand kagte, ob ein« oerwuudet od« gar
gefallea sri, aiemaud fragte, ob alle nachkümrn,
für unS gab e» nur este Lofuag: dst vorderste Lstst.
 
Annotationen