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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 41-42, März 1918
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0241

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ßyroniS.

Der Fiiede, deu die Mittelmächte am 8. Aedrrurr mit
der Ukraine geschloffen habea, hatte die großrusfischen
Machthaber vkranlaßt, ohne ausdrticklichen FriedeuSschluh
din Kriegszustand mit Deutfchland formell sür beenbigt zu
erklären. Tatsächlich sollte ihne» die Beendiguug des Kriegs-
zustandes die Möglichkeit geben, ihre Herrschast über alle
Bebiete Rußlands auszudehneu und überall mit brntaler
Gewalt den sozialistischen Staat, wie fie ihu denken, zur
Durchsührung zu bringen. Es find denn auch immer größere
dolschewistische Truppenmaffen iu der Ukraine eingefallen und
haben fich sogar bes ukrainischen Regierungifitzes Kiew be-
mächligt, während gleichzeitig bolschewistische Truppen, die
fogenannte Rote Garde, iu Esthlaud und Livland, sowie in
Finnland sengend und brennend, uvd die fich ihnen nicht
fügenden Einwohuer ermordend, vordrangen. In dieser
Sachlage konnten die Mittrlmächte nicht nutätige Zuschauer
bleiben- Der Friede mit der Ukraine sollte im Ausgleich
mit der Freigabe des ukrainischen Gebietes uns den Getreide-
überschutz drs Landcs zugänglich machcn- Wir konnten
dirses Ergebnis des Friedensschluffrs nicht dadurch vernichten
laffe», datz wir die «krainische Republik selber don den Roten
Garden der Bolschewisten zerstören und die Getreidevorräte
des Landei unbrauchbar machen ließen. Jnfolgedtffen find
die deutscheu Truppen der Heeresgruppe Linsingen in
dir Ukraine eiumarschiert, um fie i» Zusammenarbeit mit
ukrainischeu Truppen von den Zerstörerbanden dcr Bolsche-
wisten zu besreien. Am 20. Febrrrar wurdc die große
weißruffische Etadt Minsk besetzt. Am 22. Kebrwar haben
die deutschen Truppe» Echitomir «nd Bcrditscheff besetzt. Zu-
gleich find die deutschen Truppen der Heercsgruppe Eiidhora
über dieDünavorgedrungen uud habea biszum LS. Kebruar
Livland bis zum Peipussee mit den Etädten Wendeu»
Walk und Dorpat besetzt, audere Truppen rückten über
das Eis des Rigaischen Meerbusens in Esthland eiv, deffen
großer Kriegshaten Reval am28.Kebruarcingenommeu
wurde. Ueberall wurde» die dcutschen Truppen vou der
eingeboreuen Bevölkerung als Befreicr begrützt. Die demo-
ralifierte ruffische Armee hat nur an weniacn Siellen Waffen-
widerstand geleistet. Die Folge des deutschen Vorgehens im
Osteu war di« bedingungslose llnterwerfung der bolschewistischeu
Regierung. Durch Funkspruch vom Ll. Kebrrrar erklärteu
fich die Bolschewtstea bereit, die deutschen Friedmsbeding-
unge» anzunehmeu. Diese Bedingungen, die nuumehr vou
der deutschen Regierung formuliert wurden, fordern die voll-
kommene Freigabe der von de» Westmächten besetzten Rand-
gebiete, fernerLivlands.Esthlondsund Finnlands seitens der
ruffischen Regierung, außerdem die Erklärung ihrer Nicht-
einmischuug in der Ukraine. Sm 24. Kebrrrar hat die
bolschewistische Regierung fich diesen Bedingungen unterwor-
fen. ES stnb nunmehr Bertreter zum Abschluß des Friedens
uach Brefi Litowsk abgesandt worden.

Auch die rumänische Regierung hat fich genütigt gesehe»,
in Friedensverhaudlungen eiuzutreten, die in Bukarest
gesührt werden. Der deutsche Etaatssekretär des Auswärtigen.
Herr v. »ühlmann, und der österreichische Ministerpräfideat
des Auswärtigen, Srof Czernin, find nach Bukarest ge-
rrist, »m «it dem rumänischen Ministerprästdenten Averescu
die Bedingunge» drs Friedens zu vereinbaren. Kommt nu»
auch noch drr Friedensschlutz «it Rumänie» zu staud«, was
allerdings uoch »icht völlig fichrr ist, fo ist au unserer Ostfrout
»,» drr Ostsee bi» zum Kaukaslls der Frirbe hergestellt.

Di« Türkei ist bereits i« Begriff, di« von deu Ruffen ge-
räumte» Gebiet« wieder zu »ehmeu.

Auf der Eeite der Entente zeigt fich »ach wie vor der
entschiedene Wille, den Krie, fortzusetzea. Am 28. Keb«
<mar hat Eonnino in eiuer Rede der italienischen Kam-
mer von neuem die annexionistischen Kriegsziele der italie-
nischen Kriegshetzer proklamirrt.

An der denkwürdigea Reichstagssttzung vom 28. K«b<

' »tschr»

ruar hat Graf Hertling noch «inmal den deuts.
Willen ,u eiaem Berstäudigungssrieden rrklärt, iudem er
in eiugehender Besprechung aus die von Wilson aufgestell-
te» Friedensgrundlagen einfting. Bor allem hat er «rkiLrt,
datz Dentschlaad nicht di« Abficht habe, in irgend einer Form
Belgien zu behalten. Eollte dtrfe ueue Erklärung der
Friedensbereitschast wiederum ohne «ntscheidende Antwort
von der Eeite der Entente bleiben, so müßte allerdings auch
im Wcsten die Gewalt der Waffen entscheiden, wie fie im
Ostcu entschieden hat. Was immer im Westen gescheheu
wird, das diutsche Gewiffen ist frei von jeder Blutschuld.

Am 2». Kebruar kehrte E. M. E. .Wolf' nach
ISmonatlicher Fahrt zurück. Der Ersolg diese» Echiffes ik
eine hervorragende Leistung. E. M. S. .W o l f'hat 210000
Brutto-Registertonnen versenkt und kehrte mit einer Beute
vou Rohstoffen uud Nahrungsmittel» im Werte von dielea
Millionen Mark zurück- Die Zanuar-Tauchbootbeute beträgt
632000Tonnen versenkten Schiffsrauws. Als erstes JahreS-
ergebnis des uaeingeschränkten Tauchbootkrieges wurden
9590000 Tonnin verseukt.

Der atte Htöckner.

Bon W. Korolenko.*)

Es dunkelte.

DaS kleiae Dorf lag still oersteckt im Schatten
deS TannenwaldeS am Ufer deS still hinflietzenden
Fllltzchens in der sternklaren FrühlingSnacht. Hin
und wieder treten Gestalten einsamer Wanderer
auS dem Dunkel dks WaldeS hervor, rS zeigt fich
ein Reiter, «in Bauernwagen fährt mit knarrenden
Rädern vorbei: daS stnd alleS Bewohner des DorseS,
die zurKirche eilen, um dortdrn anbrechenden Feiertag
würdig zu beginnen.

Mitten im Dorfe erhebt stch auf einsamem Hügel
daS Kirchlein, hell blinken die Fenster und hoch
oben im Nebel verstnkt daS alterSgraue Türmlein.

ES kvirfcht die morsche Treppe. Der alte Glöckner
besteigt ste mit unfichrren Schritte», uud nach kurzer
Zeit oersendet ein neuer Stern in der Höh« fei«
Licht — die Laterne in der Hand deS Glöckners.

Schwer wird eS dem Greise, die steile Treppe
hinaufzuklimmen. Die alten Fütze wollen nicht
mehr gehorchen, stark hat ih« daS Leben mitge-
nommen, die Augen blickm auch nur noch schwach ...
Zeit ist eS für den Alten zur ewigen Ruhe zu gehen
— doch der Tod kommt nichtl Die Söhue, die
Tnkel sah er dahinstnken, Alte und Junge hat er
zu Grabe geläutet, ihn schien der Tod oergessen zu
haben; doch wird ihm daS Leben nicht leicht.

Oft hat rr schon Ostern eingrläutet, er weitz
auch nichk mehr, wie ost er die bestimmte Stunbe
hier oben auf dem Slockenturme erwartet hat. Und
nun, heute soll eS wieder geschehen, fo Gott wA.

Mit schweren Schritten nähert fich der Alte
dem gebrechlichen GelSnder deS Turme» und lehnt
fich an.

*) Der Friede» mit der Ukraiu« hat a«S dem Feiud
eiue» Berbündete» »gemacht. Es wird dahe« intereffieren,
etwa» von Leie» uud Deuken des ukrainischen Volke» z»
hören. Wir bringe» eine Ekizze des ukräinische» Dichter»
Korolenko znm Abdruck, die i» ihrer Imitgkeit und
Gcmütstiese an «auche deutsche Schövfung «riuarrt — ma»-
dcntt an Rethel» Holzschuitt „Der Tod al» Freund" mit
dem attm Slöckaer, der im Turme mtschlasm ist, während
der Lod dm Glockmstrang zieht- ,

Ringsum im Schatten erblickt er nur mühsam
die GrSber dtt» Friedhof». Die fchwarzrn Kreuze
mit ihren auSgebreiteteu Ärmen scheinen wie WSch»
ter ihre Toten zu wahren. Hie und da bewegen
sich auch noch unbelaubte Birken mit ihren glSnzend
weitzen StSmmen.

Bou unten steigt wie warmeS FrühlingSweheN
der erfrifchende Seruch junger Sprofsen der BLume
und drr. stille FriedenShauch deS KirchhofS herauf
zum alten Makar . . . WaS wird ihm wohl dieS
neue Jahr bringen? Wird er wohl heute überS
Jahr wie sonst Ostern mit feierlichem Glockenschlage
begrützen, oder aber wird er da unten . . . dort
ferninjenerEckedeS FriedhofS fchlafen, uvd wirdauch

seinen Hügel ein Kreuz schmücken? Wie Sott will_

Lr ist bereit; doch jetzt mutz er wirder den hehren
Feiertag oerkünden. ,Gott sei Ehre und Dankl"
flüstern seine Lippen: er blickt nach oben zum Himmel,
wo Millionen oon Sternen blinkeu; er brkreuzt fich...

Himmel und Srde, und die weitze Wolle, die
dort i« Raume langsam dahinschwebt, «nd der
dnukle Tannenwald, der unten rauschend fich be-
wegt. und daS Plütschern.deS unfichtbareu Flützchens.
— alleS daS ist ihm alt und lieb und bekannt.
Ein gaazeS Lrbm HSngt daran. LSngst Vergan-
geneS steigt oor chm auf: wie er mit seinem Bater
 
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