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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 1-2, Juli 1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0007

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Mchttiche Wache.

Ein kleines Stimmungsbild
von Armittungssoldat H. Burck.-'

Nächtliches Dorf! — Sonst herrscht hier grauer,
Sder Alltag. Nächtlich. vom friedlichen Schlummer
Lbcrgossen, ist's ein Jdyll, eine bessere Welt. —

Silberschäschen l Gar liebliche Gebildel Jhr Vor-
übergleiten ist beredteste Sprache. Müssen Engeleiu
unter ihnen wohnen —. Engelein, die gerne Frie-
den auf Erden brächten —. Mir ist, als säh' und
hört' ich sie —. Hör' sie singen ous der Ferne
— aus weiter Ferne — ganz leise, fein und sachtl
Singen von Frieden und Liebe-1

weite Land. Und manchen tragen sie sieggekrönt
nach Hause zu seinen Lieben. dort jubelnd die Erde,
die Heimat, die Freiheit geniehend — jenen tragen
sie, waffenstarrend, hinaus in Feindesland — ins
Grab. Vielleicht.

Auch in meine Heimat fuhr brausender, rollen-
der Zug —.

Jch trag ihm Grüße für die Lieben auf. —

Jch habe Wache.

Wandle ein paar Schritte 'zurück.

Und weitcr lausch ich auf die Nacht.

Einsame Ortschast!

Meine Grenze geht biS zum Bahnübergang. —

Ueber allem ein Zauberglanz I Momentan wüßt
ich nichts Schöneres, als das sriedlich schlafende
Dörfchen. Friede schwebt mit leichten Flügelschlägcn
über ihm, — beseligender Friede! Der Himmel
hat Stcrne. Wo ist der Orion? Dortl Den lieb
ich vor allen. Sein Gestirn gefällt mir! Wie er
throntI

Gleich am Bahndamm, vielleicht zu hart, steht,
scharf abgezeichnet gegen den nächtlichen Himmel,
das Kirchlein Es ladet mich ein; — — zum
Beten! Dürft ich, könnt ich, wäre geöffnet, ich träte
ein und betete cin Vaterunser!

Ragend in den nächtlichen Himmcl, stöht des
Kirchturms Spitze fast ins Sternenzelt I S>lhouetten-
artig die Umrisse l

Ruh' und Frieden hier in der Natur. Meine
Brust voller Ruh und Frieden.

Und über alles gießt der Mond sein mildcs,
freundlich Licht. Hab' ihn gerne I Ja, mild ist
er; möchte sagen: fromm! Zuweilen lieb ich ihn
mehr wie die grelle Sonne. Er tilgt die Qualen.
Spendet Ruh' und Frieden. Guter Gesell I Er kommt
dann, wenn Wut und Qual vom Tag geendet
und spendet allen freundlich mildes Licht I Den
Bösen wie den Guten. — Nun blick ich abermals
zu ihm empor und siehe da: er ist von wunder-
barem Kranz umkrcist. Regenbogenfarben, nur
matter. Jetzt geht noch ein letztes Licht im Dörf-
lein aus — und nun herrscht er allein. Er herrscht!
Mild und weise, gleich einem guten König. Zu
denken, daß er auch die Liebste kost —I Sie schläft.
Auch in ihr Kämmerlein kommt er, der gute Ge-
sell, und streift ihr schlafend-lächelnd Gesicht! Muß
ein silber-huschender Schimmer sein, der sie schlafend
träfe! — Ab und zu, wie ich beobachte, wechselt
sein Dunsikreis. Jst jetzt ein gelblicher, fast schwe-
seliger Dunstkreis um ihn. Und immer inmitten
der strahlende Kern! — Ringsum: Silberwölklein.

Jetzt: ein Born, — ein Brünnlein. Vor einem
Hause.

Da tröpfelt's gar leise und sacht —. Fein, wie
ferne Geigenklänge — weich — hauchend — moll.

— Man hört es kaum. Aber des Brünnleins
Tröpfeln ist köstlichste Musik in nächtlicher Stille.
Ermahnend: was war, ist, und sein wird —I
Kommt aus urgeheimen Tiefen, dieses Wässerlein —.
Erschrickt fast, da es zur Welt, ans Licht kommt!
Wohnt es wcit und tief unter der Erde! Nun es
aber ans Licht, zur Welt geboren ist, hat es ein
Freuen. Und zag und schüchtern, ganz leise, sacht
und fein singt es ein Liedlein — das fcrne ver-
hallt. Ein Liedlein vom Leben! W e mag sich
das erst freuen, wenn's am hellen Tag die Sonne
sieht! Und nun der Mond, wie gut er ikm doch
ist. Er übergießt's mit mildem, frommen Licht. —

* *

Aus der Ferne Eisenbahnsignale in die klare
Nacht. Tönend — langgezogen — weitverhallend.
Die Strecke atmet Verkehr. Braust ein Zug heran.
Scharf, hart! DasVorbeibrausen des Zuges ver-
letzt — tut weh. Stört des Brünnleins Musik
und der Engelein Lieder! Verletzt, weil es Wirk-
lichkeit ist — und ich träume! Doch in der Ferne,
je weiter fort, wird Fauchen, Sausen, Knattern,
Brausen und Rollen des Zuges fast Wohltat. Je
ferner, verhallender, desto befreiender. Gewinnt
doch des Brünnleins Melodie wieder die Oberhand.

— Und fernes, verklingendes Sausen, Knattern,
Brausen und Rollen des Zugcs klingt wie ge-
dämpfte Bässe, zu denen Brünnlein seine seinen,
zarten, hauchenden Geigentöne erklingen läßt —
bis cs wieder Solo spielt!

Nun: nicht mehr zu hören und zu sehen drr
Zug. Vorbei!

Vorbei! —

Welch eine Last von Glück und Elend er wohl
in- sich barg! Feldgraue Krieger barg sein
Jnneres —. Sie fahren hinaus inS Land, ins

Höre Lieder der Engelein und geigendeS Brünn-
lein.-

* * *

Eine andere Welt l Mittelalterliche Romantik l
An die Zeit düsterer Klöster erinncrnd. Steht ein
Schwesternhaus da. Wohnen einsiedlerische Nonnen
noch heute in ihm. Führen ein entsagendes Lebenl
Zu denken, daß die das Leben nicht kennenl! —

Etwas Fahles, Gespenstiges weht um dieses
Haus, in dem Menschen wohnen, d-e nur Gebet
und einsames Leben krnnen, — fern der Freude.
Brütende Finsternis und ödes Schweigen. selbst im
Strahl des guten Mondes. wohnen hier.

Mich ängstigt fast dieses Haus! Man meinte,
man lebe ein Stück Jenseits. Jch wende mich
ab — ! Die Furcht — das Grauen —! Doch
die Bahn bringt mit ihrem Getosr die Gewißheit,
daß — ich lebe! Jch höre und sehe ihr Brausen
und ihre Lichter — ich atme Wirklichkeit!

Und abermals ein Zug. Lazarettzug!! I Wie
bitter der Gedanke. daß er beladen mit Oual und
Pein und Wut und Schmerzen dahinführt —!
Doch Menschen lindern diese Qual und heilen diese
Schmerzen, geben Kraft und Leben, fo gut eS ebrn
geht, wieder zurück.

Vorbci! Der Zug vorbeil Vorbeilll

-i« -i- H

Und wieder ein lärmcndcr rasender Eilzugk

Doch mag er brausen — mag er tosen —!
Bald verhallt sein Lärmen, verstummt sein Tosen.
Dies alles schwindct, eilt, entflirht. Bestehen bleibt
nur des Brünnleins sachtes Getröpfel, seine geigen-
den Liedlein! Lieblichste Musik! Bestehen bleibt
des Mondes Silberglanz, sein mildes, frommeS
Licht.

Jch höre — ich sehe!
 
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