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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 33-34, Novemver 1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0199

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Zyronik.

An der ersten HSIfte dcs Novembe« hat der Durch-
diuch de« beutsch rsterreichischen Truppen durch die ita-
lienische Etellung am Zsonzo zu großeu Ersolgen geführt.
Die verdündeten Trnppen kounten von Osten her das 8e-
birge heruntersteigend in die venetiantsche Ebene vorrücken.
Echou am Sv. Oktobrr wurbe üdiue genommen, und
der Vormarfch bis zum Tagliamento, dem ersteu größeren
uord-südlichen Fluhlauf in der venetiauischen Sbene ange-
treten. Zn dcr Ebene zvpschen dem Gebirge und dem Tag-
liamento mußten am 1. Rovember 60 000 Jtaliener, die
den Zsonzorückzug zu deckeu bestimmt waren, mit allen
Offizieren und Geschützen die Waffen strecken, sodaß da»
Ergebuis der Jsonzoschlacht aus 180 000 Gesangene und
1S00 Geschütze stieg. Am 4. Rovember wurde ter Ueber-
gang über den mittleren Tagliamento erkämpft, wobei
weitere 6000 Ztaliener gefangen wurden. Jnzwische» war
auch die Alpenfront der Ztaliener ins Wanken geraten,
sodaß mit dem ursprünglich von Osten nach Westen wir-
kenden Angriff der Deutschen und Oesterreicher ein in breiter
Front don Norden nach Süden wirkender Angriff der
österreichischen Armeekorps zusammentras. Am 6. Rovem»
bev war die gauze Tagliamentolinie von deutscheu Trup-
pen gewonnen und zugleich die italienische Alpenfront bis
iu die Dolomiten hinein, vou wo im Mai 1916 die erste
österreichische Offenfive ausgegangen war, erschüttert. Am
S. Rovember hattm unsere Truppen dm zweiten
uord-südlichen Flußlaus der venetianischen Ebme,
die Livcnza, erreicht, wobei wieder mehrcre tauscnd
Ataliener gefangeu genommm .wurdc». Auch die
Livenza wurde überschritten. »ud am 1v. Rovember war
der dritte uord-südliche Flußlauf Veuetien», die Piave, er-
reicht. Von hier aus wurden durch die verbündeten Trup-
PM Belluno in dcn Vmetianischen Alpen eingcnommen,
der Oberlaus der Piave überschritten und auf dem west-
liche» Piaveuser der Vormarsch in der Richtung aus Feltre
angetreten, wodurch die italienische Verteidigungsstelluug
au der Piave vom Rücken her bedroht wird. Gleich-
zeitig hat die österreichische Arme« im Euganatal von
Borg » aus Fortschritte gemacht und am 10. Rovember
Asiago, das die Oesterreicher schon im Mai 1916 be-
setztm, don neuem erobert. Auch diese Bcwegunge» be-
drohen die italienischen Etellungen vom Rücken aus. Durch
das Zusammenwirken des Nngriffs in der Rtchtung Ost-
West uud Nord-Eüd wurden immer ueue italirnische Trup-
pmkörper abgeschnitten. Am 9. November mußten fich bei
Tolmezzo 17000 Ztaliener, am 12. Nooember bei
Longarone 10000 Ztalicner ergeben. Damit dürsten die
Sefangmeuzahlm der italimischm Offeusive miudestens
275 000, dir Zahl der erbeuteten Geschühc 2500 erreicht
habm.

Das zweite kriegsentscheidcnde Errignis dieses Zeit-
raums war die neue Revolution ia Rußland, die am
V. Rovember in Petersbnrg zum Ausbruch kam.
Lie Maximalistm (dir Name bezeichaet diejmige Gruppe
der Eozialdemokraten, bie sosort das Maximum de» sozial-
demokratischen Programm» durchsetzen wolleu, ohne Rück-
ficht aus andere Zntereffe» uud Parteim, uicht wie die
Minimalisten, die in Berbindung mit dm übrigen demo-
kratischea Parteim fich zunLchst mit der Durchsührung eines
sozialistischm Programm-Minimum» begnügen) haben, von der
Friedenssehnsucht de» russischm Aolke» getragm, die provi-

forische Regieruug mit Rrrenski an der Epitze gestürzt,
die bisherigm Minister mit Ausnahme Kereuskis, ter
entfliehen kounte, gefangen geuommen- ES scheinen große
Teile des ruffischeu Heeres aus ihrer Ecite zu stehen. Eine
handlllngSfShige Regierun« ist ihreu Führem Lrn in und
Trotzky bisher uoch nicht gclungen »nd ihre Stellung
scheint durch eiue von Kerenski »nd dem früherm Ob»r-
befehlshaber Kornilow geleitete Segmb«wcgnug stark
bedrSngt. Ein Friedensangebot, da» fie au die Mittel-
mSchte richteten, sordert einm demokratischen Fricden, ohne
Annexionen, auf der Gmndlage eineS schr weitgehenden
Eelbflbcstimmungsrechtes auch der kleinen und kleinsten
Volkstcile. Das Bedcutsame des Bürgerkriegs in Ruß-
land besteht darin, daß die ZustSndr dort immer mebr
und mehr in Zersetzung geraten «nd die HandlungsunfShig-
keit Rußlands sür absehbare Zeit dauemd machm, so-
daß Rußland sür uns als Kriegsgegner nach dem Ein-
gestLndnis der Entente vollkommeu auSgeschieden ist. Da-
durch werden die FriedenSausfichten für die MittelmLchte
zweisellos sehr gebeffert, wenn anch Rußland augenblick-
lich bei seiner vollkommene» Anarchie keine Regieruug hat,
mit der überhaupt ein Frieden geschloffen werde» köunte.

Das dritte Sreignis von Bedeutung ist i» Deutschland
die Betrauuug führender Parlamentarier aui den in der
Friedensresolutton desReichstags geeinigtenMehrheitsparteiea
mit dcr Führung dcr ReichsgeschSft«. Nachdem am S. Ro»
vemvir der Reichskanzler Michaelis zurückgetreten war,
wurde der bisherige bayerische MiuisterprLfidmt und FLHrer
der Zentrumspartei Hertling zum Reichskanzler und
preußischen MinisterprLfidenten emannt. Nebm ihn trat
auf Grund weiterer Verhandlungen der prmßische Landtagsab»
geordnete Dr. Friedbcrg, Führer der national-liberalen
Partci, als VizeprLfidmt des preußischm Etaatsministeriums,
sowie der württembergisch« Politiker Payer, der Ver-
trauensmann der fortschrittlichen Volkspartei und der Eozial-
demokratie, an Etelle des zurückgetreteneu Vizekanzlers Dr.
Helsferich.

Jn Flaudcrn wiederholten fich vor allem am SI. Oktober
usd am S. und II. Rovember starkr Angriffe der Eng-
ILnder, die ihnen außcr dem Befitz des kleinen zerschoffenen
Dölfchens Passchendaele keiuen weiteren Ersolg brachtm,
sondem in heldenhaftcr Abwehr vo» «usere» Trnppen zurück-
geschlaqen wurdm. Zn Fraukreich wurden unsere Etellungl»
am Damm-Weg, di« im Oktober durch einen Borstoß der
Franzosm flaukiert wordm warm, am 2. R»v««b«r
plaumLßig und ohue Berluste in dm Ailette-Smnd zurück-
gelegt.

Wie ich den öritischen Spür-
hunden entrann.

Von Erich Killinger.

Mit viel mehr Zuoerficht gmg e8 jetzt England
entgegen.

Zwei Tage oor der Ikttste trafen wir die ersten
rnglischen Wachtschiffe. SineS kam lSngSseitS und

brfahl unS, den Hafen von Kirkwall anzulaufen.
Dann begleitete rS unS einige Stunden und gab
unS schließlich an rin anderes Wachtfahrzeug ab.
Dirs Manöver wiederholte fich alle oier bis fünf
Dmnden. Endlich kam die Küste in Sicht. Ein
klriner Kreuzer hielt auf unS zu, fignalisierte mit
dem unS begleitenden Wachtschiff, und dann bekamen
wir den Befehl, nicht Kirkwall auf den Orknry-
insel», fondern Stornoway auf den Hebriden an-
zulaufen.

Bor dem Hafen mußten wir warten, biS ein
Lotsendampfer längsseitS kam. der gleichzeitig di«
englische Untersuchungskommisston mübrachte. Jch
warf das Serfallreep über Bord, war den englischen
Seeoffiziere» behilflich, an Deck zu steigen, und
brachte sie in die Kajüte deS KapitänS, wo fie fich
gleich an die Durchstcht der SchiffS- und LadungS-
papiere machten.

Als ich nach vorn in unseren Raum kam, sah
ich, daß dieser schon peinlichst von englischrn Ma-
trosen durchsucht wurde. Wir mußten alle bei
diefer Unttrsuchung zugegen sein. Unter meiner
Matratze faNden fie einen amerikanischen Anzug,
Mantel und Hut. Dies fiel weiter »icht auf, da
ja auch die übrigen Matrosen ihre Kleidrr unter
der Matratze der Koje verflaut hatten.

Dann rrkundigten fie stch nach dem Verlauf
der Ueberfahrt und boten uns Zigaretten an.
.Während der Unterredung fragten ste ganz unauf-
fällig, ob vielleicht ein Deutscher unter der Besatzung
oder sonst an Bord fei. Wir verneinten dieS alle
'und ftagten sie, da wir über drei Wochen in See
gewefen waren, nach den letzten Kriegsereigniflen.
Sie erzählten uns, die Deutschen hätten mehrere
große Schlachtm oerloren. und der Krieg sei wahr-
scheinlich bald zu Ende.

Dann machten fie fich an die Unterfiichung der
übrigen SchiffSräume.

Jnzwischm hattm di« Offiziere in der Kajüte
die Papiere geprüft und erklärtea, wir könnten
wahrscheinlich schon nach zwei Tagen unsere Fahrt
fortsetzen. E» wurde jetzt die ganze Besatzung vor
der Kajüte versarymelt und zur Durchficht der
MannfchaftSpapiere geschrittm. Autzer mft hattm
alle englische PSffe. Die anderen wurde« einzeln
in die Kajüte grrufen; Photographim und Finger-
abdrücke wurdm verglichen, und nach eiuer Sttmde
war die game Besatzung geprüft.
 
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