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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 27-28, August 1917
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0163

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ßyrorrik.

54. J«tt. V°m Serrth bis i« dik Waldkarpathen
fi»d wir iu einer Breite von 250 Kilometer im VorwLrts-
drSngen.

L8. J«lt. Taraopol, Etanislau und Nadworna find
in unserer Hand.

S8. Jutt. Weitrre Erfolge in Ostgalizien zwinge»
die Rusien zur Aufgabe ihrer lkarpatheifront bis znm Kir-
libabaabfchnitt.

27. I«li. In Flander» dauert die Artilleriefchlacht

fort.

55. J«tt. Bahnhöfe und militLrische Anlage» von
Paris werden mit Bomden beworfen.

28. Juli. Die Artillerieschlacht in Flandern tobt un-
»nterbrochr». Die ortilleristisöbe Krastentsaltung stellt das
Höchftmaß an Masienwirkung in diesem Kriege dar.

In Ostgalizirn sind die Rusien beiderfeits von Hufia-
thn dinter die ReichSgrenze zurückgegangen.

38. J«li. B-trLchtliche Teile unserer lkorps stehen
nach Kawpf östlich del Zbrucz aus rusiischem Boden.

3i. Juli. Eioes unserrr li-Boole verfenkt im Kanal
einin grotzen englifchen Kreuzer.Zufammenbruch eines großen
franzöfischen Angriffs am Ehemin des Dames.

l. August. Begin» der Jnsanterieschlacht ia Flandern.

L. Slugust. SlLnzende Abwehr des auss größte ange-
lcgten englisch-sranzöfischen Angriffs in Flandern.

4. August. Czernowitz eingenommen.

8 August. Die neuen Mitarbeiter des Reichskanzlers
ernannt: v. Kühlmann, bisher Botschafter in Konstantinopel,
StaatssekretLr des AuswLrtigen, Wallraf, «ürgermeister von
Köln, und Echwander, Bürgermeister von Straßburg erhalten
das zu teilende Staatssekretariat des Jnnern, der national-
liberale Abgeordnrte v. Krause des Justizamt, v. Waldow daS
als Etaatssekretariat auszugestaltende ErnLhrungsamt mit
dem Eozialdemokraten Dr. Müller als Unterftaatssekretür.

7. August. Deutfche Truppen erstürmeu rusiisch-
rumänische Stellungen bei Focsani in RumSnien.

Wie ich Katizien fand!

Von Ers.-Res. Heinrich Jost, Ostheim,
z. Zt. Festungslazarett I, Mainz.

(Bon unserem V. Preisausschreiben.)

Galizien an sich darf ein schöneS Land genannt
werden, obwohl der Deutfche bei der Nennung diefes
Ssterreichischen Kronlandes unwillkürlich an unwirt-
liche Sand-, Sumpf- und Waldgegenden denkt.
Vroße, landwirtschastlich genutzte Flächen, durch-
zogen von BSchen und Flüssen, wechseln ganz wie

bei uns mit Weiden und Waldlandschaften ab, und
über dem allen liegt ein Zug seltfamer Romantik.

Das galizische Dorf patzt allerdings nicht in
unseren deutschen Sinn. Meist weit auseiaander-
gestreckt, oft kilometerlang, liegt rs da. Einfache
Holzbauten, Balken an Balken gefügt, mit Lehm
überschmiert und weiß getüncht, darauf jedoch ein
Kunstwerk von Strohdach. gleicht ein HSuschen dem
andern, eine Scheune der andern; trSgt jede Türe
ihre drei mit weißer Farbe aufgemalten Kreuze,
oder mindestens einS, um von dem Anwesen Un-
glück ferozuhalten. AusnahmSweise findet man
auch Fachwel kgebSude mit Blechbedachung, die haupt»
sächlich oon der jüdischen Bevölkerung bewohnt sind.

Treten wir in daS Jnnere eines Hauses, so
schreiten wir über festgestampften Lehmboden (auch
in den Wohnstuben). und nur selten ist Dielenbelag
vorhanden. Jm Wohnzimmer nimmt der aufge-
mauerte Kachelofen mit allen möglichen nicht un-
praktischen Einrichtungen einen breiten Raum ein.
DaS nächste ist der einfache Tisch mit Bank und
Stühlen, dann kommt das umfangreiche Familien-
bett, daS an Nüchternheit nichts zu wünschen übrig
lätzt. Oft ist noch rin Schrank oder dergleichen
oorhanden. Die einzige .Zierde' bilden grotze
Heiligenbilder. Ein Rahmen stötzt sich am andern»
und so konnte ich in einem Zimmer nicht weniger
als 22 Bildcr zählen. Unter diesen sind noch hand-
grotze bunte Brustbilder der verfchiedensten Heiligen
angeklebt, die in Rollen, gleich unseren Tapeten-
borten, hergestellt sind. Auch mit Blumen und
Sprüchen bemalte Teller gelien hier unü dort als
Zierat. Das Haus hat außerdem noch eine Stube
und Kammer, in denen alles mögliche untergebracht
wird. Jn allen FSllen sind die RSume wahre Brut-
stätten von .lieblichen kleinen Dingerchen'. deren
zoologische Namen ich wohl hier nicht zu nrnnen
brauche.

An Brunnen fehlt es nicht, aus denen das
schmutzig grüne, fad schmeckende Waffer in einem
an einer Keite HSngenden Kübel rmporgeleiert wird.

Die Bewohner Ostgaliziens, von denen hier nur
die Rede sein soll, sind in drr Hauptsache Ruthenen.
Die Männer, freilich waren nur noch äliere Leute
in den Dörfero, machen einen fast schwächlich zu
nennenden Eindruck, dagegen ist daS weibliche Ge-
schlecht durchweg gut rntwickelt. Als Kleidung tragen
die MLnner aus grauweitzem Leinen hergestellte
Hosen und darüber ein langeS Hemd. Hierzu ge-

hört autzerdem ein WamS, der Filzschlapphut oder
ei« solcher ouS Stroh. Die Fraurnkleidung ist
ziemlich einfach: Hemd, Rock und Mieder stnd oft
alles. Dagegen prunken die Galizierinnrn am Sonn-
tag sehr in ihrem Staat. Röcke, Mieder, UmhSngen
und Kopftücher in allrn nur möglichen bunten Stosfen.
fein und grob, mit Blumen und Ornamenten ver-
sehen, werden grtragen. LLuft an den Wochentagen
alles barfutz, fo habrn SonntagS Frauen und MSd-
chrn entweder lange fein gearbeitete Schaftenstiefrl
oder zierliche Schnürschuhe an.

Ein kleineS ErlebntS, das die Vorliebe der Ga-
lizirrinne« für schreirnd bunte Farben zeigt, sei hier
mitgeteilt: Jch ordne vor dem Quartier. e» war
in Lipniza Gorna, den Jnhalt meineS TornisterS.
Nadeya, die sechzehnjShrige Tochter de» HauseS.
sieht zu. Erst kommen Hemd und Unterhosen, fchlietz-
lich die Taschentücher. Plötzlich stötzt das Mädchen
rinen Freudenschrei aus, erwischt ein knallroteS. mit
grotzrn hellen Blumen oersehenes Taschentuch. be-
trachtet es bewundernd von allen Seiten, bindet'S
um den Kopf und präsentiert stch so der herbei-
kommenden Mutter. Beide sagen mit höchstem Ent-
! zücken ein übrr das anderrmal .dobsche. dobsche",
l und da eS mir an Taschentüchern nicht mangrlt.

I verkaufe ich das »schöne Tuch' für — zehn Sier.

WShrend die MSdchen das Haar in Zöpfen
geflochten tragen, wird ihnen dieses bei der Heirat
in ber Nackengegend abgeschnitten. Je nachdem nun
die weibliche Brvölkerung langeS oder kurzeS Haar
trägt, erkennt man, ob sie noch »Marenkas' sind
oder fchon das Prädikat »Matka' verdienen. Der
abgeschnittene Zopf wird von drr jungen Frau,
ähnlich wie bei uns drr Brautkranz, aufbewahrt.
Jn Pawelze (nördlich von Stanislau) fand ich etn-
mal eine solche Reliquie, geziert mit dem zuletzt
getragenen roten Bande, fein säuberlich in eine
Schachtel verpackt. Jm Gegensatz zur Frau lätzt
stch der oerheiratete Panje die Haare bis in Schulter-
höhe wachsen.

Die Nahrung besteht ausschlirßlich aus den
Erzeugniffen der Landwirtschaft und Viehzucht:
Milch, Butter, Eier und Kartoffeln werden zu den
verschiedenartigsten Speisen hergerichtet. Daneben
verstehen eS die Matka», ein wohlschmeckendeS Brot
zu backen. Geiöstete MaiSkolben und MaiSkuchen
oder -brot werden ebenfall» gerne gegeflen. HierauS
erklärt sich auch, datz die Bewohner nur uugern
etwas von ihrem Vorrat an die deutschen Soldatrn
 
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