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Badener Lazarett-Zeitung (Nr. 1-58[?]) — Baden-Baden, Juli 1916 - Dezember 1918

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Hefte 7-8, Oktober 1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.2827#0038

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Und wir? Wir erwidrrn diese Gefühle nach unserer
Art. Und w'ie erstrahlen die Gesichtrr der Armen
dann, wenn sie sehen. dab wir sie verstehen. Sie
erwarteten Haß und Berachtung bei uns, doch waS
sie da fanden, das sah doch so ganz. ganz anders auS.

Liebe deinen Nächsten. Nur matt schimmerte
dieseS Gebot aus unserer Schulzeit in unsere Tage.
Fast hatten wir es vergeffen. Der Krieg, Not und
Tod haben es uns wieder gelehrt. Längst ist es
uns in Fleisch und Blut übergegangen, und wir
üben es als selbstverstSndlich. Fahren wir so weitcr,
denn damit strafen wir unseren Feind am härtesten,
das ist unsere vollkommenste Rache, daß wir se'me
schmachvollen Taten nicht mit Gleichem vergelten.

Hl. DieBesserung desdeutschenWesens
und seine Pflege im Heere.

Jn demWicdererwachen des Gebotes derNächsten-
licbe, des schSnsten Gebotes, das der Menschheit
gegeben wurde, sehen wir die Hoffnung auf eine
Befferung unseres Denkens und Fühlens zum erslen
Male erfüllt. Unsere Hoffnung war nicht vergebens
und feste arbeitet draußen vor dem Feinde alles,
damit diese auch fernerhin nicht umsonst sein möge.
Folgender Brief möge zeigen, wie und auf welche
Art dieses Streben nach Vervollkommnung gefördert
und angeregt wird.

Liebe Freunde! (Tirol).

Lange Zeit ist vergangen. seit Jhr nichts mehr
von mir gehört, und weit sind wir gewandert, weit.

Wohl sind wir in eine herrliche Gegend versctzt
worden und ihre Erhabenheit empfanden wir be-
sonders bei unserem gestrigen Feldgottesdienst.

Eine herrliche Kirche war es. Jhr Boden war
grüne, blühende Wiesen, wogende Kornfelder. Jhre
Wände — die Berge, wie waren sie geschmückt mit
dem jungfcäulichen Grün der R:ben und dem Dunkel
der Wälder, unterbroten von den Almen, auf denen
friedlich mit hellklingenden Glöcklein buntscheckige
Kühe weiden. Und darüber ein hohes blaues Ge-
wölbe, gestützt von mächtigen, hochragendcn Pfeilern.

Ueber dem allen huscht dcr Strahl der unter-
gehenden Abendsonne, die hinter den Pfeilern her-
vorlugt und diese vergoldet. Doch etwas fehlte, die
Glocken, die uns zu Hause immer riefen und gemahn-
ten an den, ,der grötzer ist denn alle Vernunft*.

Leise bringt uns ein kühler Abendwind das
dumpfe Tönen der Kanonen, gemischt mit dem hellen
Klang der Gewehre, und an den Wünden hallt cs
wider. Sind das die Glocken? Welcher Gegensatz
zu dem Frieden auf den Almcn und welcher Mitz-
Lang zu dem herrlichen Trillern der Lerche, die
über unseren HSuptern zum Himmel strebt.

Das Viereck war längst gebildet. Stumm standcn
die Feldgrauen, Artillerie, Pioniere und dann wir,
die Schützen vom Schneeschuh-Bataillon. Ja der
Mitte die Herren Osfiziere. Der junge Feldgeistliche,
in Feldgrau wie die Kameraden, begann: »Herr,
bleib bei uns, denn es will Abend werden. Amen."
Kcin Laut, tiefe, tiefe Stille. Es war,. als spürte
man Gottes Nähe. — Er war bei uns.

.Jhr seid das Salz der Menschheit und das
Licht der Welt'. — Eine Aufgabe, so ungeheuer
groß, datz wir ihr entfliehen möchten. Aber wer
soll es denn sein, der diesen Worten unseres Herrn
das äutzere Gepräge gibt und den Lebenszweck
erfüllt, der doch der ganzen Menschheit gegeben
wurde, wenn wir es nicht sind? Haben nicht alle
völker um uns sich dessen unbewußt oder frech
entledigt? — Jal — So bleibt uns denn nichts
anderes übrig als unserer Aufgabe gerecht zu werden,
mag kommen, was da wolle. Ein jeder einzelne
von uns mutz streben, das Salz, das Licht seines
Volkes zu werden.

Wird es uns gelingen? Haben wir die Kräfte
dazu? Gott weitz es allein und unsere Pflicht ist
es, ihn zu bitten: .Herr, bleib bei uns, denn es
will Abend werden!"

So draußen im Felde. Und datz uns die in der
Heimat nicht nachstehen an Erfolgen in dem Ringcn
mit uns selbst, dürfen wir jeden Tag zur Genüge
erfahren. Nur das eine gereicht uns nicht zur Ehre,
daß wir zur Befferung unseres Lebens und Han-
delns die rauhe, reinigende Hand eines Krieges
bedurften.

Me Angesteü'ienverstckerung
im Kriege.

i.

Von den vier zur Zeit bestehenden ReichSver-
sicherungen ist die Angestelltenversicherung die jüngste
und nach der Unfallversicherung wohl diejenige. die
ihrem Wesen nach und eben wegen der Kürze ihres
Bestehens für die Kriegsteilnehmer bezw. deren
Hinterbliebene relativs wenig in Betracht zu kommen
scheint. Jst doch der Gegenstand der Versicherung
einecseits ein Ruhegeld, für dessen Bezug Beruss-
unfähigkeit oder das gesetzliche Alter von 65 Jahren,
vor allem aber die Erfüllung einer Wartezeit von
zehn Jahren Voraussetzungen sind, andererseits eine
Hinterbliebenen-Rente, deren Voraussetzung ebenfalls
eine längere Wartezeit ist, die während der Ueber-
gangsperiodefünfJahrebeträgt. DieKriegsteilnehmer
hätten also auf die Leistungen der Angestellten-
versicherung sowohl für sich, als auch für ihre Hin-
terbliebenen in der Rezel noch keinen Anspruch,
weil die Wartezeit noch nicht erfüllt sein kann, da
das Gesetz erst am I.Januar 1913 in Kraft getreten
ist. Von wenigen speziellen Ausnahmen wird später
die Rede sein.

Demgemätz wäre die Reichsverficherungsanstalt
für Angestellte durch den Kcieg wenig in Anspruch
genommen worden. Jn entgegenlommender Weise
hat sie jedoch teils aus sozialen Gründen, d. h. im
Jnteresse ihrer Versicherten, teils aber auch im
eigenen wohlbrrechtigten Jnteresse sich bereit erklärt,
freiwillige Leistungen zu übernchmen, die zum Teil
weit über den Rahmen ihrer Verpflichtungen hinaus-
gehen. Jn ihren wesentlichen Grundzügen sollen
diese Leistungen den Gegenstand der folgenden
Abschnitte bilden.

II.

Die Neichsoerficherungsanstalt für Angestellt:
gcwährt Kriegsteilnehmern in den ihr geeignet er-
schcinenden Fällen, um die infolge Erkcankung
drohcnde Berussunfähigkeit eines Versicherten ab-
zuwendcn, ebenso wie allen andern Versicherten,
ein H eilv erfa hr e n im Rahmen des § 36 des
Versichcrungsgesctzes für Angestellte. Dasselbe gilt,
wenrt zu erwarten ist, datz ein Heilverfahren einen
durch Kriegsbeschädigung bereits berufsunfähigen
Versicherten wieder berussfähig macht. Die nähcren
Grundsätze ergeben sich aus dem .Merkblatt der
Neichsversichsrungsanstalt für Angestellte für die
Einleitung eines Heilverfahrens', welches von den
einzelnen Octsstellen des Ausschuffes sür die Kriegs-
beschädigten-Fürsorge jedem Jnteresssnten kostenfrei
zugesandt wird.

Beabsichtigt ein versicherterKriegsteilnehmere'men
Antrag auf Einleitung eines Heiloerfahrens zu stel-
len, so hat er sich entweder unmittelbar an das
Heilsücsorge-Bureau der Reichsversicherungsanstalt
in Berlin-Wilmersdorf. Neuenburgerstratze 16 zu
wenden, oder aber einen Antragvordruck auszufüllen,
der ebenfalls vom Ausschutz für Kricgsbeschädigten-
Fürforge bezogcn werden kann, unter Beifügung
einer Bescheimgung des brhandelnden Arztes über
die Art drr Erkrankung. Dauer der bisherigen Be-
handlung, sowie die Notwendigkeit und Aussichten
eines Heilverfahrens. Der Antrag ist nach sorg-
fältiger Ausfüllung an das erwähnte Heil-Fürsor-
gebureau einzurcichen.

Bei Kriezsteilnehmern, die noch im Militärver-
hältnis stehen, bedarf es ferner der Beibringung
einer Bescheinigung der Militärbehörde darüber,
datz dem Antragsteller zur Durchführung des Heil-
verfahrens der erforderliche Urlaull beköill'gt wird.

III.

War das unter II besprochene Heilverfahren im
wesentlichen noch innerhalb der Grcnzen des ur-
sprünglichen Versicherungsgesetzes, so ist eine Leistung
besonderer Art die Uebernahme derKosten der
Berufsberatung und Berufsumlernung
bei kriegsbeschädigten Versicherten. Das
Direktorium der Reichsverficherungsanstalt für An-
gestellte hat nämlich beschloffen, bei versicherten
Kriegsbeschädigten die Berufsberatung und Berufs-
umlernung als Heilverfahren im Sinne des Z 36
des Versicherungsgefetzes für Angestellte anzusehen

und die Kosten hierfür auf Vorlage der Belege zu
übernehmen, soweit sie nicht von dritter Seite über-
nommen werden. Die Reichsverstcherungsanstalt
übernimmt die Kosten der Berufsberatung und
Berufsumlernung auch dann, wenn der bisher bei
ihr versicherte Kriegsbeschädigte für einen Beruf
ausgebildct wird, in dem er künftighin nicht mehr zu
den nach dem Versicherungsgesetz für Angestellte
oersicherten Angestellten zu rcchnen ist. Voraus-
setzung für die Kostenerstattung ist, datz der Reichs-
versicherungsanftalt Gelegenheit zur Entschlietzung
über dieses besondere Heilverfahren vor dessen Ein-
leitung in jedem Einzelfalle gegeben wird. Jn
dringlichen Fällen wird von dissem Erfordernis jedoch
stillschweigend abgesehen wrrden.

Jnnerhalb dieses Rahmens übernimmt die
Reichsoersicherungsanstalt mithin:

1. d!e Kosten der Hin- und Rückreise nach dem
Ausbildungsort in der dritten Wagenklasse,

2. die Kostcn des Unterrichts und der nötigen
Unterrichtsmittel,

3. die Kosien sür Wohnung und Verpflegung
am auswärtcn Aufenthaltsort gegen besonderen
Nachweis bis zu einem täglichen Verpflegungs-
satz von höchflens 6 Mk.

Hat der Kriegsbeschädigte Angehörige, deren
Unterhalt er ganz oder überwiegend aus seinem
Arbeitsverdienst bestritten hat, so wird nach Matzgabe
des § 38 des Versicherungsgesetzes für Angestellte
diesen ein Hausgeld bewilligt.

Weitere Einzelheiten sind aus dem Antragsvor-
druck zu sehen, welchcr von dem jeweils zuständigen
Ortsausschuh für Kriegsbeschädigten-Fürsorge kosten-
frei bezogen werden kann.

Anträge versicherter Kriegsbeschädigter auf
Uebernahme der Kostcn der Berussberatung und
Berufsumlernung sind nach sorgfältiger Ausfüllung
des Antragsvordrucks an den wiedcrholt crwähnten
Ausschutz für Kriegsbeschädigten-Fürsorge zu richten,
der das weitere veranlassen wird. Die Reichs-
versicherungsanstalt erstattet nämlich nur die durch
die Berufsumlernung dcS Versicherten entstehenden
Kosten, während sie die Frage, ob eine Umlernung
erforderlich ist, im Jnteresse der Einheitlichkeit des
Verfahrens den für die Kriegsbeschädigten-Fürsorge
gegründeten öffentlich-rechtlichen Organisationen zur
Entscheidung überlätzt.

vr. M. O.

Dom Kongreß fnr Kriegsöe-
schädiglenfürsorge r« Kötn a. Wy.

n.

Für die Jndustrie sprach Hüttendirektor Probst,
Düffeldorf.

Er gab eine Schilderung Lber die Schritte, die die Zn-
dustrie insbesondere zur llnterbringung von Amvutierten in
ihren alten Beruien durch die Schaffung geeigneter Ersaßglieder
(Prothesen) mit ziemlichem Erfolge getan hat. Eine gemein-
nützige Gesellschaft zur Herstellunz von Ersatzgliedern wurde
nach Ankauf deS CarneZ-Arm-Patentes gebildet. Berufs-
beratung und Einschulung der Amputierten in Lazarett-
w.-rkstätten gehen Hand in Hand, um dieseZ Gebiet der Krieg?-
sürsorge weiter au-zuzestalten. Ueberall würden in den maß-
gebenden Kreisen Maschineu usw. daraufhin gevrüst, ob nicht
eine V-rwendung sür Kriegrbeschädigte mözlich ist. Grohe
Werke haben besondere Abteilungen dafür eingerichtet und
bereitL mit gutem Erfolg gearbeitet.

Jm ganzen günstig lauteten auch die Zusagen, die
die Redner des Handelsstandes und dcr Stadtverwal-
tungen machten. Freilich wurde von dem einen Refe-
renten, Bürgermeister Dr. Luppe, Franksurt a. M.,
sür die städtischen Stellen betont, datz die Unter-
bringung sehr schwierig ist, weil die Städte und Ge-
meinden zunächst für ihre eigenen Jnvaliden und
Kriegsbeschädigten, dann aber auch für d'ie Militär-
anwärter sorgen müffen. Dazu komme, datz die
Städte in Zukunft tüchtig werden sparen müssen.

Vor allzugrotzen Enttäuschungen, führte Döring,
Hamburg, aus. müsse man auch die schützen, die
glauben, sich in einer Schnellpresse für den Kauf-
mannsberuf vorbereiten zu können. Er warnte vor
Privatinstituten aller Art, die glauben machrn,
als könne durch ihre Hilfe schnell ein guter Posten
 
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