lein Wahrheit. Karl Sterrer ist ein gemüt- her sehen wir ihn um die Bewältigung des
voller, ein sehr deutscher, träumerisch, poetisch Problems der Farbe intensiv sich mühen. Ja,
veranlagter Maler, aber ich kann nicht finden, er müht sich. Ich sage das mit Betonung, weil
daß dies an und für sich ein Fehler wäre, es ihn ehrt. Karl Sterrer, eine sehr klare, männ-
den man verspotten dürfte. Oder gibt der lich-ernste, ruhig-gelassene und lautere Natur,
gut gemalte Rübenacker dem Maler dieses istnämlichjeglicherStruwwelpeterhaftigkeitund
Bildes das Recht, einen gut gemalten Engel- allem Improvisatorischen in der Kunst abhold,
reigen zu schmähen? Ich glaube, nein. läßt sich nicht — gleich so vielen modernen
Ich brauche wahrlich nicht zu befürchten, Malern — unbeabsichtigte Geschenke von der
daß ich in den Verdacht des Abfalls von der Palette machen, erarbeitet sich jede beabsich-
Moderne kommen könnte, wenn ich mich dazu tigte formale und farbige Wirkung seiner Bilder,
bekenne, daß ich Karl Sterrer für eine beachtens- Ihm fällt viel ein. Er hat Visionen und ver-
werte künstlerische Persönlichkeit halte und als gnügt begnügt er sich damit zu gestalten, was
solche schätze. Man mag es Launenhaftigkeit seine rege Einbildung ihm vorgaukelt, ohne
nennen, es ist doch etwas anderes, was mich darnach zu fragen, ob zeitgemäß sei, ob gut-
in Karl Sterrer mehr als einen wunderlichen geheißen werde, was und wie er es macht.
Eigenbrötler altertümlich anmutender Wesens- Das Gegenständliche, das Ausgedrückte, zur
art sehen läßt. Gewiß, Sterrer ist eine proble- Erscheinung Gebrachte ist bei ihm, wenn nicht
matische Natur, stellt sich heute wenigstens wichtiger, so doch mindestens ebenso wichtig
noch als solche dar, aber sind andere junge wie der kunsttechnische Ausdruck. Das heißt,
Künstler nicht auch problematische Naturen, er schätzt den Inhalt nicht geringer als die
wenn auch anderer Art? — Warum will man Form. Er ist eben kein bloßer Artist, sondern
es ihm dann verwehren, seine Per-
sönlichkeit in der ihr gemäßen Weise
kundzutun, auszureifen, da man doch
die verschiedensten Weisen bei an-
deren gelten läßt? Wäre Sterrer bloß
ein Durchschnittskönner, müßten seine
Bilder dem Durchschnittsverständnis
aufgeschlossen sein und dem Durch-
schnittsgeschmack behagen. Dies ist
jedoch nicht der Fall. Sterrer ist ge-
mütvoll, aber nicht gemütlich, empfind-
sam, aber nicht sentimental, und mo-
dern, aber nicht modisch.
Im Jahre 1885 in Wien geboren,
studierte Karl Sterrer unter Professor
Delug an der Wiener Kunstakademie,
errang sich als Dreiundzwanzigjähriger
den staatlichen Rompreis und arbeitete
während dreierjahre in Italien, haupt-
sächlich in Rom, Neapel und auf Capri.
Als er die Akademie verließ hatte er
die Wahl zwischen dem Naturalismus
und dem Impressionismus. Er ent-
schloß sich aber für den Stil. Nicht
für den malerischen Stil im modern-
sten Sinn, sondern für den zeichneri-
schen, die große Form bevorzugenden
Stil. Weil er mußte, weil das seinem
Wesen gemäß war. Er war von An-
beginn mehr Zeichner als Maler und
von seinen frühen Arbeiten hat man
oft den Eindruck, daß er das Material
falsch anwendete, daß er malte, was
er in Kupfer ritzen oder auf Stein
zeichnen hätte sollen. Italien füllte ihm
die gezeichnete Form mit Farbe. Seit- Karl sterrer studienkopf
155
20*
voller, ein sehr deutscher, träumerisch, poetisch Problems der Farbe intensiv sich mühen. Ja,
veranlagter Maler, aber ich kann nicht finden, er müht sich. Ich sage das mit Betonung, weil
daß dies an und für sich ein Fehler wäre, es ihn ehrt. Karl Sterrer, eine sehr klare, männ-
den man verspotten dürfte. Oder gibt der lich-ernste, ruhig-gelassene und lautere Natur,
gut gemalte Rübenacker dem Maler dieses istnämlichjeglicherStruwwelpeterhaftigkeitund
Bildes das Recht, einen gut gemalten Engel- allem Improvisatorischen in der Kunst abhold,
reigen zu schmähen? Ich glaube, nein. läßt sich nicht — gleich so vielen modernen
Ich brauche wahrlich nicht zu befürchten, Malern — unbeabsichtigte Geschenke von der
daß ich in den Verdacht des Abfalls von der Palette machen, erarbeitet sich jede beabsich-
Moderne kommen könnte, wenn ich mich dazu tigte formale und farbige Wirkung seiner Bilder,
bekenne, daß ich Karl Sterrer für eine beachtens- Ihm fällt viel ein. Er hat Visionen und ver-
werte künstlerische Persönlichkeit halte und als gnügt begnügt er sich damit zu gestalten, was
solche schätze. Man mag es Launenhaftigkeit seine rege Einbildung ihm vorgaukelt, ohne
nennen, es ist doch etwas anderes, was mich darnach zu fragen, ob zeitgemäß sei, ob gut-
in Karl Sterrer mehr als einen wunderlichen geheißen werde, was und wie er es macht.
Eigenbrötler altertümlich anmutender Wesens- Das Gegenständliche, das Ausgedrückte, zur
art sehen läßt. Gewiß, Sterrer ist eine proble- Erscheinung Gebrachte ist bei ihm, wenn nicht
matische Natur, stellt sich heute wenigstens wichtiger, so doch mindestens ebenso wichtig
noch als solche dar, aber sind andere junge wie der kunsttechnische Ausdruck. Das heißt,
Künstler nicht auch problematische Naturen, er schätzt den Inhalt nicht geringer als die
wenn auch anderer Art? — Warum will man Form. Er ist eben kein bloßer Artist, sondern
es ihm dann verwehren, seine Per-
sönlichkeit in der ihr gemäßen Weise
kundzutun, auszureifen, da man doch
die verschiedensten Weisen bei an-
deren gelten läßt? Wäre Sterrer bloß
ein Durchschnittskönner, müßten seine
Bilder dem Durchschnittsverständnis
aufgeschlossen sein und dem Durch-
schnittsgeschmack behagen. Dies ist
jedoch nicht der Fall. Sterrer ist ge-
mütvoll, aber nicht gemütlich, empfind-
sam, aber nicht sentimental, und mo-
dern, aber nicht modisch.
Im Jahre 1885 in Wien geboren,
studierte Karl Sterrer unter Professor
Delug an der Wiener Kunstakademie,
errang sich als Dreiundzwanzigjähriger
den staatlichen Rompreis und arbeitete
während dreierjahre in Italien, haupt-
sächlich in Rom, Neapel und auf Capri.
Als er die Akademie verließ hatte er
die Wahl zwischen dem Naturalismus
und dem Impressionismus. Er ent-
schloß sich aber für den Stil. Nicht
für den malerischen Stil im modern-
sten Sinn, sondern für den zeichneri-
schen, die große Form bevorzugenden
Stil. Weil er mußte, weil das seinem
Wesen gemäß war. Er war von An-
beginn mehr Zeichner als Maler und
von seinen frühen Arbeiten hat man
oft den Eindruck, daß er das Material
falsch anwendete, daß er malte, was
er in Kupfer ritzen oder auf Stein
zeichnen hätte sollen. Italien füllte ihm
die gezeichnete Form mit Farbe. Seit- Karl sterrer studienkopf
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