ERICH WOLFSFELD
Graphische Ausstellung Leipzig 1914
DANAE (RADIERUNG)
SOLLEN WIR BILDER AUS BELGIEN FÜR DIE DEUTSCHEN
SAMMLUNGEN NEHMEN?
Von Karl Voll
Die Nachricht, daß von deutscher Seite in
Belgien eine Inventarisierungskommis-
sion für Kunstdenkmäler eingerichtet worden
ist, hat im In- und Ausland die Anschauung
hervorgerufen, daß die Deutschen beabsich-
tigen, einen alten Kriegsbrauch wieder auf-
zunehmen und ihre Sammlungen durch Raub
oder, wenn man es freundlicher ausdrücken
will, durch Konfiskation in Belgien zu ver-
mehren. Man hat sogar viele Stimmen ge-
hört, die mit einem etwas wilden Humor eine
solche Maßnahme für wünschenswert und
möglich erklärten. Das sind jedoch belang-
lose Meinungen der Laien; an amtlichen Stel-
len denkt man nicht an eine Wiederholung
des „Gallischen Bilderraubs", durch den Na-
poleon I. im Anfang des 19. Jahrhunderts das
Louvre zum großartigsten Museum gemacht
hat, das es seit den Zeiten des römischen
Kaisers Hadrian jemals gegeben hat.
Wir haben hier die Angelegenheit vom
kunstgeschichtlichen Standpunkt aus zu be-
trachten und kommen zu demselben Resultat,
das durch das Völkerrecht festgelegt ist, daß
nämlich der öffentliche Kunstbesitz der Natio-
nen auch im Kriege in seinem vollen Be-
stände gewährleistet ist und durch Konfis-
kation nicht geschmälert werden darf. Im
gegebenen Falle wollen wir zunächst von den
Werken der altniederländischen Malerei des
15. und 16. Jahrhunderts sprechen. Wollten wir
von ihnen für unsere deutschen Museen das
68
Graphische Ausstellung Leipzig 1914
DANAE (RADIERUNG)
SOLLEN WIR BILDER AUS BELGIEN FÜR DIE DEUTSCHEN
SAMMLUNGEN NEHMEN?
Von Karl Voll
Die Nachricht, daß von deutscher Seite in
Belgien eine Inventarisierungskommis-
sion für Kunstdenkmäler eingerichtet worden
ist, hat im In- und Ausland die Anschauung
hervorgerufen, daß die Deutschen beabsich-
tigen, einen alten Kriegsbrauch wieder auf-
zunehmen und ihre Sammlungen durch Raub
oder, wenn man es freundlicher ausdrücken
will, durch Konfiskation in Belgien zu ver-
mehren. Man hat sogar viele Stimmen ge-
hört, die mit einem etwas wilden Humor eine
solche Maßnahme für wünschenswert und
möglich erklärten. Das sind jedoch belang-
lose Meinungen der Laien; an amtlichen Stel-
len denkt man nicht an eine Wiederholung
des „Gallischen Bilderraubs", durch den Na-
poleon I. im Anfang des 19. Jahrhunderts das
Louvre zum großartigsten Museum gemacht
hat, das es seit den Zeiten des römischen
Kaisers Hadrian jemals gegeben hat.
Wir haben hier die Angelegenheit vom
kunstgeschichtlichen Standpunkt aus zu be-
trachten und kommen zu demselben Resultat,
das durch das Völkerrecht festgelegt ist, daß
nämlich der öffentliche Kunstbesitz der Natio-
nen auch im Kriege in seinem vollen Be-
stände gewährleistet ist und durch Konfis-
kation nicht geschmälert werden darf. Im
gegebenen Falle wollen wir zunächst von den
Werken der altniederländischen Malerei des
15. und 16. Jahrhunderts sprechen. Wollten wir
von ihnen für unsere deutschen Museen das
68