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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 30.1914-1915

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Roessler, Arthur: Über Wiener Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.13093#0151

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FRANZ ZELEZNY HOLZFRIES

UBER WIENER PLASTIK

Von Arthur Roessler

Die meisten der Menschen, die für die
Werke der Malerei und auch die der
Graphik noch Teilnahme empfinden und hegen,
bringen den bildhauerischen Werken nur ge-
ringes Interesse entgegen. Selbst Baudelaire,
der doch so gar nicht dem Typus des Kunst-
freundes mit Durchschnittsverständnis und
Durchschnittsgeschrnack entsprach, sondern
ein tiefsinniger und kenntnisreicher Kunstfein-
schmecker war, fühlte sich von der Plastik
so langweilig angemutet, daß er einen scharf
und schroff ablehnenden Essay gegen sie schrieb.
Die Ursachen für die Langweile hervorrufen-
den Werke der Plastik wähnte er darin ge-
funden zu haben, daß plastische Bildwerke
brutal und positiv wie die Natur, zugleich
aber doch auch wieder unbestimmt und un-
faßbar seien. „Vergeblich, daß der Bildhauer
sich müht, sich auf einen einheitlichen Gesichts-
punkt zu stellen; der Beschauer, der um die
Figur herumgeht, kann hundert verschiedene
Gesichtspunkte wählen, ohne den guten zu
treffen, und es kommt zuweilen vor — was
für den Künstler demütigend ist —, daß ein
Beleuchtungzufall, die Wirkung einer Lampe,
eine Schönheit offenbaren, ganz anders als die

von ihm geträumte. Ein Bild ist nur das, was
es sein will; es gibt kein Mittel, es anders zu
sehen als in seinem Lichte. Die Malerei hat
nur einen Gesichtspunkt; sie ist exklusiv und
despotisch: dementsprechend ist der Ausdruck
des Malers bei weitem stärker."

Ich halte die vorstehende Aussage des fran-
zösischen Dichters und Aestheten für keine
erschöpfende Erklärung der inneren Ursachen
der zweifellos tatsächlichen weitverbreiteten
Zurückhaltung gegenüber der Plastik, und
möchte sie nur, ohne mich auf eine tief-
schürfende kunstphilosophische Erörterung des
an sich sehr interessanten Problems einzu-
lassen, als illustrierendes Beispiel anführen,
um darzutun, daß insbesondere Menschen ro-
manischer Wesensart, namentlich in neuerer
Zeit, sich zum Vorteile der Malerei von der
Plastik abwenden.

Der romanischen Wesensart wohl nicht ver-
wandt, aber doch ähnlich, zeigt sich die süd-
germanische, ostdeutsche, österreichische. Wir
sehen daher auch hier von der Allgemeinheit,
dem Volksganzen, der Malerei den Vorzug
gegeben. Der Mensch der südlichen und der
östlichen Natur, mit seiner stets wachen und

FRANZ ZELEZNY HOLZFRIES

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