Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 30.1914-1915

DOI Artikel:
Wolf, Georg Jacob: Die neue Münchner Secession
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13093#0304

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
paul meyerheim

harzlandschaft mit schafherde
Ausstellung Fritz Gurlitt, Berlin

in dieser bedauerlichen Ausstellung darbieten, die
Antwort schuldig bleiben . . .

Der Hinweis auf Oskar Wildes Definition vom
Wesen der Malerei: „Die Malerei ist stets abstrakter
als wir denken: Form und Farbe erzählen von
Form und Farbe — weiter nichts" kann der von
der Neuen Secession gepflegten, merkwürdig uni-
formen Kunst keine Rechtfertigung sein. Denn auch
wenn man bei der Beurteilung dieser Leistungen
vom Zusammenhang mit der Wirklichkeit ganz ab-
sieht, wenn man sie von der realen Welt, die doch
sonst in Kunstwerken abgeschildert zu werden
pflegt, völlig abstrahiert, so bleibt rein ästhetisch
ein unbefriedigender Eindruck. Weder Klees phan-
tastisch-pointillistischeKompositionen,noch HOFERS
wild hingesetzte Frauenakte (um zwei möglichst
verschiedene Beispiele anzuführen) können den Ein-
druck des Wohlgefallens bei einem normal empfin-
denden Kunstfreund auslösen. Vielleicht vermögen
sie den schaffenden Künstler psychologisch zu inter-
essieren, aber man sollte wünschen, daß gerade
jetzt die Zeiten des sogenannten „l'art pour l'art"
vorüber seien.

Es berührt seltsam, daß inmitten so vieler pro-
blematischer, überproblematischer Versuche Werke
von großer Abgeklärtheit anzutreffen sind, die unter
ganz anderen Kunstsonnen gewachsen scheinen.
Dies bezieht sich ganz besonders auf BERNHARD
Bleekers Bronzen, die vollkommen unter dem Ge-
setz der Form stehen und jene sonst in dieser
Vereinigung zum Dogma erhobene Vernachlässi-
gung der Formbestimmtheit wie in einem deutlich
sprechenden Gegenbeispiel widerlegen. Bleekers
Porträtbüste, die Richard Riemerschmids lebhafte

Gesichtszüge und ein Stückchen seiner Persön-
lichkeit spiegelt, ist ein vollendetes Kunstwerk.
Bei den Malern zeigt Gustav Jagerspacher,
daß man zur Neuen Secession gehören und doch
durchaus einleuchtend malen kann. Ein weib-
licher Akt, vor einen aparten, sammetigen Hinter-
grund gesetzt, ist eine milde Symphonie in Grün.
POTTNER hat ein ganz unbedeutendes Landschaft-
chen da, auch FELDBAUER hat sich mit drei klei-
nen Arbeiten nicht angestrengt: man gewinnt kei-
nen Begriff seines außerordentlichen koloristischen
Könnens vor diesen Arbeiten. SCHINNERERS frische
Akte im Wasser, dekorativ gesehene Landschaften
von MARIA CASPAR-FlLSER, biblische Monumental-
malereien von KARL CASPAR, die man gern al fresco
sehen möchte, eine kühne Felslandschaft von We-
BER-Tirol sind starke, durch und durch persön-
liche Leistungen, die sich von dem bunt gespren-
kelten Hintergrund des Durchschnitts dieser Aus-
stellung höchst vorteilhaft abheben. In der graphi-
schen Abteilung gibt es gleichfalls allerlei Disku-
tables; namentlich über wilhelm LEHMBRUCKS Ra-
dierungen, die ich seinen gewollt-grotesken Pla-
stiken unbedenklich vorziehe, läßt sich reden. Alles
in allem: vertieft man sich in die Ausstellung und
bemüht man sich, hinter rauhen Formen einen
besseren Kern zu finden und läßt in diesem Be-
mühen nicht nach, so wird man wohl zu einigen
Werken einen Weg finden. Aber andere, viele, die
meisten bleiben stumm. Und darum wundert man
sich nicht, daß die Ausstellung als Ganzes — unter
den unglücklichsten Auspizien stehend und ganz
und gar unklug veranstaltet — ein Mißerfolg wer-
den mußte. Wolf

280
 
Annotationen