patriotische Motiv zu erwerben. Massen künst-
lerisch minderwertiger Darstellungen von den
Kriegsschauplätzen, von dem halbkriegerischen
Leben in den Städten, auch symbolische Fas-
sungen der uns alle bewegenden Gedanken,
werden in das Volk geworfen. Eine Flut
schlechter Bildnisse nach Politikern und Heer-
fuhrern überschwemmen den Kunstmarkt. Um
sich von der Richtigkeit des Gesagten zu über-
zeugen, braucht man nur die Auslagen derKunst-
handlungen auf die unzähligen Bildnisse des
Feldmarschalls von Hindenburg durchzusehen,
von den Scheußlichkeiten nicht zu reden,
die neuerdings ein im patriotischen Gewände
auftretendes Kunstgewerbe dem Publikum an-
bietet. Gutwillige Käufer, die das Bedürfnis
nach Befriedigungihrerpatriotischen Ansprüche
lockt, werden Opfer dieser Pseudokunst, und
es steht zu befürchten, daß bei dem herr-
schenden Mangel an künstlerischem Empfinden
in den breiten Massen die Schar von Anhängern
dieser Kunst sich noch vermehren wird. Der
Kampf gegen diese Seuche muß schon während
des Krieges aufgenommen werden, soll sie nicht
Verwüstungen anrichten, deren Folgen über-
haupt nicht mehr gutzumachen sind.
Der deutschen Kunst einen Weg vorzu-
schlagen, den sie nehmen soll, wäre ein
törichtes Unterfangen. Wenn der Wille vor-
handen ist, aus den jetzigen unhaltbaren
Zuständen herauszukommen, findet sich von
selbst ein Weg. Entwicklungsfähig ist die
deutsche Kunst nach der realistischen wie nach
der romantischen Seite. Der Gegensatz der
Weltanschauungen, die sich in den beiden
Auffassungsarten bekunden, hat von jeher in
der deutschen Kunst bestanden; es bezeugt
nur eine gänzliche Verkennung des deutschen
Wesens, wenn eine künstlerische Betätigung
ausschließlich in dem einen oder anderen Sinne
gefordert wird. Ist Menzel etwa weniger deutsch
als Schwind? Und bei Menzel ist doch keine
Spur romantischen, bei Schwind keine Spur
realistischen Empfindens wahrzunehmen. Auf
eine so einfache Formel freilich, wie sie ge-
wisse Historiker als Erkennungszeichen für
die deutsche Kunst aufstellen, läßt sich das
Problem nicht zurückführen. Realismus und
Romantik sind keine Gegensätze, nach denen
die deutsche Kunst gewertet werden kann. In
der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts
wechselte ständig die realistische Strömung mit
der romantischen, sofern nicht gar die eine
der anderen parallel lief. Dem Klassizismus
des Asmus Carstens folgte die Romantik Over-
becks, ihr der romantische Naturalismus eines
Piloty, diesem der Leibische, wesentlich auf die
Wiedergabe des Stofflichen gerichtete Realis-
mus. Neben ihm bestand die idealistische Kunst
eines Böcklin, Feuerbach und Marees. Die
Leibische Stofflichkeitsmalerei endlich wandelte
sich zu einem Realismus, der die Wiedergabe
des Transitorischen als höchstes Ziel verfolgte.
Impressionismus und Pleinairismus traten wie-
der vor der Romantik des Expressionismus
zurück. Wenn die Geschichte nicht lügt, — ,
und sie hat nie gelogen, — dann wird auch
in Zukunft die deutsche Kunst weder aus-!
schließlich romantisch noch ausschließlich rea-
listisch sein. Die beiden Kunstrichtungen
werden in der deutschen Malerei bestehen
bleiben wie die beiden Weltanschauungen, aus 1
denen sie geboren sind. Nach wie vor soll der
deutschen Malerei die Möglichkeit verbleiben,
nachbildend oder frei schöpferisch „Phantasie
zu entfalten". Eine Bedingung jedoch für
einen Aufstieg im nationalen Sinne ist der
Anschluß an das Handwerk. Die Tätigkeit der
deutschen Handwerker- und Kunstgewerbe-
schulen, die auf ein Jahrzehnt größter Erfolge
zurückblicken, hat deutlich gezeigt, wo die
Hebel angesetzt werden müssen, wenn wir
wieder zu einer deutschen Malerei kommen
wollen. Das System, das noch heute die
Mehrzahl der Akademien und Privatateliers
beherrscht, hat sich überlebt, es bedarf einer
Umgestaltung im handwerklichen Sinne. Die
Schüler müßten wieder „Gehilfen" in ihrem
Fach erprobter Meister, angeleitet werden, frei
mit dem Material umzugehen, in dem sie
schaffen. Wie die Tischler und Schlosser un-
serer Tage Holz und Eisen kennen gelernt
haben, so sollten die Adepten der Malerei die
Malgründe, Farben, Pinsel, Stifte, Radiernadeln,
Metallplatten, Aetzmittel: ihre Eigentümlich-
keiten, Vorzüge und Tücken und alle Möglich-
keiten ihrer künstlerischen Verwendung wie-
der kennen lernen. Mit dieser handwerklichen
Schulung sollte sich eine systematische Er-
ziehung zur Persönlichkeit verbinden. Diese
dürfte nicht auf die fachliche Ausbildung be-
schränkt bleiben, wie es bisher leider meist
der Fall war, sondern sie müßte den ganzen
Menschen umfassen. Soweit die Mittel der
Schule nicht ausreichen, müßte der einzelne
sich zur Vervollständigung seiner Allgemein-
bildung aller Gelegenheiten bedienen, die das
Leben in größeren Städten für einen streb-
samen jungen Menschen mit sich bringt. Die
Folgen einer so gearteten künstlerischen Er-
ziehung würden sich vermutlich bald zeigen.
Ist es der Weltkrieg, der deutsche Gesinnung
von der deutschen Malerei fordert, so ist es
nunmehr ihre heiligste Pflicht, mit Hilfe des
Handwerks Befreiung von der Herrschaft des
Auslandes zu suchen. Die Gesinnung selbst
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lerisch minderwertiger Darstellungen von den
Kriegsschauplätzen, von dem halbkriegerischen
Leben in den Städten, auch symbolische Fas-
sungen der uns alle bewegenden Gedanken,
werden in das Volk geworfen. Eine Flut
schlechter Bildnisse nach Politikern und Heer-
fuhrern überschwemmen den Kunstmarkt. Um
sich von der Richtigkeit des Gesagten zu über-
zeugen, braucht man nur die Auslagen derKunst-
handlungen auf die unzähligen Bildnisse des
Feldmarschalls von Hindenburg durchzusehen,
von den Scheußlichkeiten nicht zu reden,
die neuerdings ein im patriotischen Gewände
auftretendes Kunstgewerbe dem Publikum an-
bietet. Gutwillige Käufer, die das Bedürfnis
nach Befriedigungihrerpatriotischen Ansprüche
lockt, werden Opfer dieser Pseudokunst, und
es steht zu befürchten, daß bei dem herr-
schenden Mangel an künstlerischem Empfinden
in den breiten Massen die Schar von Anhängern
dieser Kunst sich noch vermehren wird. Der
Kampf gegen diese Seuche muß schon während
des Krieges aufgenommen werden, soll sie nicht
Verwüstungen anrichten, deren Folgen über-
haupt nicht mehr gutzumachen sind.
Der deutschen Kunst einen Weg vorzu-
schlagen, den sie nehmen soll, wäre ein
törichtes Unterfangen. Wenn der Wille vor-
handen ist, aus den jetzigen unhaltbaren
Zuständen herauszukommen, findet sich von
selbst ein Weg. Entwicklungsfähig ist die
deutsche Kunst nach der realistischen wie nach
der romantischen Seite. Der Gegensatz der
Weltanschauungen, die sich in den beiden
Auffassungsarten bekunden, hat von jeher in
der deutschen Kunst bestanden; es bezeugt
nur eine gänzliche Verkennung des deutschen
Wesens, wenn eine künstlerische Betätigung
ausschließlich in dem einen oder anderen Sinne
gefordert wird. Ist Menzel etwa weniger deutsch
als Schwind? Und bei Menzel ist doch keine
Spur romantischen, bei Schwind keine Spur
realistischen Empfindens wahrzunehmen. Auf
eine so einfache Formel freilich, wie sie ge-
wisse Historiker als Erkennungszeichen für
die deutsche Kunst aufstellen, läßt sich das
Problem nicht zurückführen. Realismus und
Romantik sind keine Gegensätze, nach denen
die deutsche Kunst gewertet werden kann. In
der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts
wechselte ständig die realistische Strömung mit
der romantischen, sofern nicht gar die eine
der anderen parallel lief. Dem Klassizismus
des Asmus Carstens folgte die Romantik Over-
becks, ihr der romantische Naturalismus eines
Piloty, diesem der Leibische, wesentlich auf die
Wiedergabe des Stofflichen gerichtete Realis-
mus. Neben ihm bestand die idealistische Kunst
eines Böcklin, Feuerbach und Marees. Die
Leibische Stofflichkeitsmalerei endlich wandelte
sich zu einem Realismus, der die Wiedergabe
des Transitorischen als höchstes Ziel verfolgte.
Impressionismus und Pleinairismus traten wie-
der vor der Romantik des Expressionismus
zurück. Wenn die Geschichte nicht lügt, — ,
und sie hat nie gelogen, — dann wird auch
in Zukunft die deutsche Kunst weder aus-!
schließlich romantisch noch ausschließlich rea-
listisch sein. Die beiden Kunstrichtungen
werden in der deutschen Malerei bestehen
bleiben wie die beiden Weltanschauungen, aus 1
denen sie geboren sind. Nach wie vor soll der
deutschen Malerei die Möglichkeit verbleiben,
nachbildend oder frei schöpferisch „Phantasie
zu entfalten". Eine Bedingung jedoch für
einen Aufstieg im nationalen Sinne ist der
Anschluß an das Handwerk. Die Tätigkeit der
deutschen Handwerker- und Kunstgewerbe-
schulen, die auf ein Jahrzehnt größter Erfolge
zurückblicken, hat deutlich gezeigt, wo die
Hebel angesetzt werden müssen, wenn wir
wieder zu einer deutschen Malerei kommen
wollen. Das System, das noch heute die
Mehrzahl der Akademien und Privatateliers
beherrscht, hat sich überlebt, es bedarf einer
Umgestaltung im handwerklichen Sinne. Die
Schüler müßten wieder „Gehilfen" in ihrem
Fach erprobter Meister, angeleitet werden, frei
mit dem Material umzugehen, in dem sie
schaffen. Wie die Tischler und Schlosser un-
serer Tage Holz und Eisen kennen gelernt
haben, so sollten die Adepten der Malerei die
Malgründe, Farben, Pinsel, Stifte, Radiernadeln,
Metallplatten, Aetzmittel: ihre Eigentümlich-
keiten, Vorzüge und Tücken und alle Möglich-
keiten ihrer künstlerischen Verwendung wie-
der kennen lernen. Mit dieser handwerklichen
Schulung sollte sich eine systematische Er-
ziehung zur Persönlichkeit verbinden. Diese
dürfte nicht auf die fachliche Ausbildung be-
schränkt bleiben, wie es bisher leider meist
der Fall war, sondern sie müßte den ganzen
Menschen umfassen. Soweit die Mittel der
Schule nicht ausreichen, müßte der einzelne
sich zur Vervollständigung seiner Allgemein-
bildung aller Gelegenheiten bedienen, die das
Leben in größeren Städten für einen streb-
samen jungen Menschen mit sich bringt. Die
Folgen einer so gearteten künstlerischen Er-
ziehung würden sich vermutlich bald zeigen.
Ist es der Weltkrieg, der deutsche Gesinnung
von der deutschen Malerei fordert, so ist es
nunmehr ihre heiligste Pflicht, mit Hilfe des
Handwerks Befreiung von der Herrschaft des
Auslandes zu suchen. Die Gesinnung selbst
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