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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 30.1914-1915

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Schumann, Paul; Kuehl, Gotthardt [Ill.]: Gotthardt Kuehl
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https://doi.org/10.11588/diglit.13093#0358

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zusammenstellt. Ganz vorzüglich beherrschte
er die malerische Kunst des Raums. Kaum ein
anderer wußte so reichfarbige Räume in ihrer
Tiefe, erfüllt von Luft, wiederzugeben. Aller-
dings war seine Farbigkeit immer lärmend,
prunkend, effektvoll. Ganz vereinzelte Gemälde
aus seinem umfänglichen Nachlaß — ausgestellt
bei Emil Richter in Dresden — zeigen, daß
er gegebenenfalls auch in seinen Innenbildern
über feine malerische Reize in zurückhalten-
der Harmonie, etwa in silbergrauem Ton ver-
fügte, aber im Ganzen liegt ihm diese feinere
durchgeistigte Malerei nicht, er braucht den
Lärm reicher Gegenständlichkeit voll farbiger
Kraft und prickelndem Licht. Seele — Aus-
druck eines seelischen Erlebens — wird man
daher in seinen Bildern vergeblich suchen.
Kuehl, der die Grenzen seines Könnens wohl
kannte, war ehrlich genug, nicht mehr in seine
Gemälde legen zu wollen, als seine Natur,
sein Temperament hergeben konnte. Aber er
gab, was er hatte, in vollem Maße: die Freude
reich bewegter Farbigkeit, malerisch dekora-
tiven Empfindens, bald in einläßlicherer Durch-
führung, bald in kräftig derber Zusammen-
fassung. So malte er die alten Dielen wohl-
häbiger Bürgerhäuser in Lübeck, das Innere
barocker Kirchen in München oder in Ueber-
lingen, elegante Räume aus Altväterzeit in Dres-
den, sein eigenes farbensattes Heim, vorüber-
gehend auch holländische Stuben oder Ecken
in einem Atelier, wo er gemalte Truhen, spie-
gelndes Messing, ein Modell in buntfarbiger
Tracht geschickt zusammenbaute, und ähnliches
immer von neuem mit elegantem Geschmack
und unfehlbarem Farbenempfinden und mitstets
treffender Sicherheit für die räumliche Anlage.

Neben seinen Innenraumbildern und Still-
leben schuf er aber endlich auch Stadtansich-
ten und Architekturbilder, und gerade auf die-
sem Felde ist er für Dresden von besonderer
Bedeutung geworden. Er wurde der Schilderer
Alt-Dresdens, des Dresdner Barockstils, sozu-
sagen Dresdens zweiter Canaletto, wenn man
sich auch kaum einen größeren Gegensatz
denken kann, als die Malweise dieses Meisters,
der sich der Camera obscura bediente und
seine Stadlbilder in einem gedämpften Lichte
ohne farbige Höhepunkte in sorgfältig gleich-
mäßiger Durchführung zu malen pflegte; wäh-
rend Kuehl großzügig und breit malte und mit
Leidenschaft alles Farbige in den Straßen, die
roten und gelben Straßenbahnwagen, die grü-
nen Kupferdächer usw. stark betonte. In dieser
Weise malte Kuehl unermüdlich Dresdens alte
Straßen, Plätze, Kirchen und Paläste bald in

Oelfarben, bald in flotter malerischer Farbstift-
technik. Kuehl lehrte die Dresdner dadurch
die ewigen Schönheiten ihrer Barockstadt mit
seinen Maleraugen neu sehen. Auf Antrag
des Schreibers dieses Aufsatzes ließ es sich
der Kunstausschuß der Stadt Dresden ange-
legen sein, im Dresdner Stadtmuseum einen
eigenen Kuehl-Saal zu schaffen. Gegenwärtig
besitzt daher die Sammlung an 25 Gemälde
dieser Art, die in ihrer Gesamtheit ein wirk-
sames Gegenstück zu der Canaletto - Samm-
lung der Kgl. Gemäldegalerie in Dresden bil-
den. Bei der reichen Mannigfaltigkeit der
Vorwürfe, der Formate und der Malweise sind
diese Bilder nicht bloß gegenständlich, son-
dern auch künstlerisch wertvoll. Mit beson-
derer Vorliebe malte Kuehl, wie noch bemerkt
sein mag, die alte Augustusbrücke, auf die er
vom Glashause seines Ateliers im Akademie-
gebäude herabsah. Er malte sie in allen Jahres-
zeiten, im schwülen Lichte des Hochsommers,
im grauen Dämmer des Spätherbstes, im Schnee
des Winters, bald in voller Breite, bald nur
einen Teil, stets aber belebt von Fußgängern
und farbigen Straßenbahnwagen. Der Stadt-
verordnetensaal des neuen Rathauses zu Dres-
den ist mit elf großen prächtigen Ansichten
Dresdens von Kuehl geschmückt, die in die
braune Wandvertäfelung eingelassen sind und
den Saal in köstlicher Weise farbig beleben.
Kuehls dekoratives Können hatte da eine Auf-
gabe erhalten, wie sie ihm ganz vorzüglich lag,
und er hat sie glänzend gelöst. Sie fiel in das
Jahr 1910 und bezeichnet einen Höhepunkt
seines Schaffens.

Kuehl war in erster Linie ein Könner. Leicht
und flott ging ihm das Schaffen von der Hand
und mit großem Fleiß hat er es ausgenutzt
nach allen Kräften. Wir wundern uns daher
nicht, daß sein reicher Nachlaß auch gar man-
ches Minderwertige aufweist. Erfieulich aber
ist, daß er auch eine lange Reihe von Schü-
lern hinterläßt, denen er ein tüchtiges hand-
werkliches Können übermittelt hat, ohne sie
in die Wege seines eigenen Schaffens hinein-
zuzwingen. Auch sie zeugen davon, wie nach-
haltig Kuehls Einfluß in Dresden gewesen ist.

So hat sich Gotthardt Kuehl einen ehren-
vollen Platz in Dresdens Kunstgeschichte ge-
schaffen. Nennen wir die Meister der Malerei,
die Dresden zu ihrer Zeit einen Namen in der
Kunst gemacht haben, wie Canaletto, Graff,
Friedrich, Dahl, Richter, Schnorr v. Carolsfeld,
Rayski, Bendemann, Hübner, Grosse, Pauwels,
Prell, so wird auch Kuehls Name mit vollem
Rechte genannt werden.

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