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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 30.1914-1915

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Plietzsch, Eduard; Kolbe, Georg [Ill.]: Georg Kolbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.13093#0497

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den plastisch durchgebildeten Gestalten, die
voluminös dastehen und deren herbe Zeich-
nung allem Gefälligen aus dem Wege geht,
trägt hier der einfache sinnfällige Klang des
schmetternden Blau, Rot und Gelb dazu bei,
das Bild monumental wirken zu lassen. Aber
selbst in diesem starkfarbigen Werk handelte
es sich ebenso wie in den übrigen Gemälden
und graphischen Arbeiten, die Kolbe in jungen
Jahren schuf, im Grunde um Probleme der

G. KOLBE STUDIE FÜR TERRAKOTTA

Plastik und des Raumes und nicht um rein
malerische, flächenhafte Dinge.

Der Uebergang zum plastischen Schaffen,
der sich damals vollzog, erscheint als natürliche,
selbstverständliche Folge. Mit zähem Ernst
bemühte sich Kolbe zunächst einmal, die mensch-
liche Gestalt sachlich wiederzugeben. Trotz-
dem sind diese ersten plastischen Arbeiten
infolge des sehr persönlich gesehenen Bewe-
gungsmotivs schon mehr als akademische
Studien. Unter dem Einflüsse Rodins kamen
dann Arbeiten zustande, die im Gegensatz
zu den bisherigen Schöpfungen weichlich, all-
zu verschwommen und unbestimmt wirken.
Die Bach-Büste des Leipziger Museums gehört
zu den besten Werken dieser kurzen Periode.
Kolbe glich dann in Gebilden voll spröder
Anmutdiebeiden extremen Erscheinungsformen
seiner frühen plastischen Arbeiten — allzu herbe
Strenge und verschwommene Weichheit —
vollkommen aus. Es glückte ihm jetzt eine
Reihe meisterhafter Werke: Darstellungen
graziös bewegter Körper, die irgendeine seeli-
sche Regung zum Ausdruck bringen.

Selbstverständlich geht der Künstler bei der
Schöpfung dieser Werke nicht von literarischen
Ideen aus; erstrebtnichtetwa danach, „Trauer",
„Vergänglichkeit" oder „Lust" in plastischen
Gebilden auszudrücken. Die rein formale Er-
scheinung, das sinnliche Erlebnis bieten ihm
allein Atiregung zum Schaffen dar. Aber er
begnügt sich auch nicht bloß damit, hübsche
Bewegungsmoiive oder gefällige Formen wie-
derzugeben: seine Gruppen und Einzelfiguren
sind immer Träger einer seelischen Stimmung,
die in der Haltung des Körpers zum Ausdruck
kommt. Er beschränkt sich dabei auf die
Schilderung zarter Regungen, die wie musikali-
sche Klänge kaum in zutreffende Worte zu
fassen sind; allzu heftige Leidenschaft, die
sich in verkrampften barocken Bewegungen
und in pathetischen Gebärden äußert und die
Form zu zersprengen droht, ist seinen Ge-
stalten fremd. Er liebt es, rasch verschwin-
dende momentane Gesten festzuhalten und
auf dieser Plötzlichkeit der Bewegung, die
einen inneren Zustand hemmungslos wider-
spiegelt, beruht die ungemein frisch und ur-
sprünglich anmutende Wirkung Kolbescher
Figuren. Diese Bewegungen haben mit kon-
ventionell „schönen" Posen nichts gemein;
jede neue Figur und Gruppe des Künstlers
offenbart ungeahnte Schönheiten zufälliger
Stellungen, die niemals gesucht erscheinen.
Der Schwierigkeit, Form und seelischen In-
halt miteinander auszugleichen und zu ver-
schmelzen, ist Kolbe immer Herr geworden.
Seine Figuren bieten von allen Seiten

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