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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 51.1935-1936

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Kundinger, J. A.: "Bauernkrieg": eine Holzschnittfolge von Ernst v. Dombrowski
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https://doi.org/10.11588/diglit.16483#0118

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Ernst von Dombrowski. Die Mutter. Aus der Holzschnittfolge „Bauernkrieg"

schelien nicht mehr versinnbildlicht werden. Die
Wünsche der Bauern gingen, wie die gleichzeitige
Reformation zeigt, über das Irdische hinaus. Sie
zielten auf ihren Herrgott, mit dem in Deutschland
von einer von Weib und Kind, Grund und Boden
losgelösten Schichte offener Spott getrieben wurde.
Am Ende ihres verzweifelten Ringens waren die
Bauern wie ihr Gott geschlagen.
Inhaltlich stellt dem Bauernkopf das Blatt ..Der
letzte Widerstand" am nächsten. Es zeigt einen
Landmann, der den Morgenstern in den schwerfäl-
ligen Händen hält, schlagbereit und zum Letzten
entschlossen. Alle übrigen Schnitte schildern die
Not der Aufständischen, den Zusammenbruch und
die grausigen Folgen des Krieges. Fliehende, ver-
triebene, verstümmelte, gefangene und gefallene
Bauern, Bauern im rasenden Ansturm, tote und
verlassene Frauen und Kinder bilden ihren Inhalt.
Von hoher kompositorischer Geschlossenheit sind
die Zeichnungen der stürmenden und der zur Hin-
richtung geführten Männer. Die geheimnisvollen,

schwer zu enträtselnden Symbole, mit denen der
Expressionismus arbeitete, wurden zu klar geschau-
ten und leicht faßbaren Sinnbildern geklärt.
Als Beispiel führe ich die Gegenüberstellung eines
handlosen Bauernarmes einem Aststrunk in „Die
geringste Strafe" an; es war bei aller Schwere des
Schlages nur ein Ast, den die Feinde zerstörten;
über ihn werden neue Aste in den froheren Himmel
eines friedlichen Reiches grünen. Gleich einfach
sind aus dem Empfinden des Blinden heraus die
dunkle Sonne und die zerrissenen, tanzenden Ber-
geslinien zu deuten. Im vierten Blatt der Folge mit der
lans hingestreckten, toten Bäuerin und ihrem Kinde
wölbt sich der Boden zum Sinnbild der Mutter
Erde, deren kostbarstes Geschenk aus dem Weibe
kommt. Der gehenkte Mann, das sorgsam gewickelte
Kind und das Kruzifix weisen im vorletzten Holz-
schnitt auf die Welt der Frau hin: die Sprengung
dieser engen Welt durch die im Lande herrschende
Verwirrung droht auch die Gedanken der in dump-
fer Verzweiflung brütenden Mutter zu zerstören.

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