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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 51.1935-1936

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Künstler-Anekdoten
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https://doi.org/10.11588/diglit.16483#0173

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Fritz Heidingsfeld. Ostpreußischer See

Künstler-Anekdoten

Eine Londoner Dame fragte einmal Whistler:
..Glauben Sie, Herr Whistler, daß das Genie erblich
ist?"

..Das kann ich Ihnen nicht sagen'", entgegnete Whist-
ler. „Der Himmel hat mir keinen Sprößling ge-
schenkt."

Wilhelm von Kaulbach und Ludwig Schwanthaler
standen sich ziemlich fremd gegenüber. Der histo-
risch befeuerte Schwung, der Humor und die ver-
nichtende Satire Kaulbachs waren für Schwanthaler
ebensowenig zugänglich, wie dessen zarte duftige
Romantik für Kaulbach verständlich war. Wenn sie
zusammenkamen, blieben kleine Plänkeleien nie
aus.

Eines Tages trafen sich die beiden, und Schwanthaler
meinte ironisch, es sei doch sehr nett, daß Kaulbach
verheiratet und Vater, also doch nicht der „einzige"
Kaulbach sei.

Worauf Kaulbach antwortete: „Es ist allerdings sehr
bedauerlich, daß Sie nicht verheiratet sind."
„Warum?" fragte jener verwundert.
„Nun", erwiderte Kaulbach, „dann könnte doch nach
Ihrem Tode Ihre Frau das Geschäft fortsetzen."

Der Porträtmaler Girardet wurde einmal von dem
Kunstkritiker Scudo besucht, der mitunter sehr naiv
und zerstreut sein konnte. Girardet hatte gerade ein
weibliches Porträt vollendet. Scudo lobte es sehr.
„Meisterhaft, einlach meisterhaft! — Aber sagen Sie,
lieber Freund, warum haben Sie denn so ein häß-
liches Modell genommen? Das ist ja die häßlichste
Frau, die ich je gesehen habe!"
„Es ist meine Mutter", sagte der Maler leise, mit
traurigem Lächeln.

„Oh, ich bitte tausendmal um Verzeihung!" rief
Scudo ganz kopflos vor Verlegenheit. „Ich hätte mir
das selbst sagen müssen — bei der verblüffenden
Ähnlichkeit! . . ."

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